Ab welchem Alter sollte man sich um die eigene Vorsorge kümmern? Grundsätzlich je früher, desto besser. Die Höhe der Vorsorgeleistungen hängt jedoch nicht nur davon ab, ab wann in die verschiedenen Säulen eingezahlt wird. Ausschlaggebend sind auch Karriereweg und Sparpotenzial. Somit gestaltet jeder seine Rente langfristig und zum Teil, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Sinkende Renditen
Das Thema Rente treibt die Schweizerinnen und Schweizer um. Das geht nicht nur aus periodischen Umfragen hervor; die Bürgerinnen und Bürger stimmen auch regelmässig über Gesetzesvorlagen zur Vorsorge ab. Ein Blick auf den Altersaufbau der Schweizer Bevölkerung zeigt, warum das Thema Vorsorge so viel Aufmerksamkeit erhält.
Die Babyboomer treten nach und nach in den Ruhestand oder sind bereits pensioniert. Die Altersgruppen, die ihre Renten mitfinanzieren müssen, sind jedoch nicht mehr so geburtenstark. Mittlerweile hat sich die Alterspyramide zu einem Pilz verformt, womit sich einer der Grundpfeiler des Schweizer Rentensystems, das auf generationsübergreifender Solidarität beruht, verändert hat.
Die vor der Pensionierung stehende Generation sieht sich zudem mit den Grenzen der 2. Säule konfrontiert: Die Rendite auf dem Vorsorgekapital (der «dritte Beitragszahler») entwickelte sich infolge des Niedrigzinsumfelds rückläufig und der für die Umwandlung des Altersguthabens in eine jährliche Rente verwendete Umwandlungssatz wurde gesenkt.
Betrachtet man die Alterspyramide genauer, wird klar: Die heutigen Berufseinsteigenden sind zusätzlich mit einer neuen Problematik konfrontiert: Das Wirtschaftsumfeld wandelt sich und – nach jahrzehntelangem Deflationsdruck – ist die Inflation zurück.
Teilzeitarbeit = Vorsorgerisiko
Sollten wir mit jungen Leuten also über das Thema Rente sprechen? Man sollte das Problem aus einem weiteren Blickwinkel betrachten. In den Zwanzigern müssen junge Leute zunächst an ihre Ausbildung denken, eine Arbeit finden und sich eine Zukunft aufbauen. Der Aufbau des Vorsorgevermögens kommt danach.
Die eigene Lebensgestaltung – sprich der eingeschlagene Berufsweg – hat jedoch einen massgeblichen Einfluss auf die Rente. Das Schweizer Drei-Säulen-Modell, welches in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert, ist darauf ausgelegt, dass die Beitragszahlenden während ihres gesamten Berufslebens eine stabile Vollzeitbeschäftigung ausüben. Entscheidet man sich für einen anderen Karriereweg, z. B. Teilzeitarbeit oder ein unregelmässiges Beschäftigungsverhältnis, wirkt sich das auf den Vorsorgeschutz aus.
Im Jahr 2020 bezogen die Männer in der Schweiz im Median eine nahezu doppelt so hohe Neurente aus der beruflichen Vorsorge wie die Frauen. Dieser grosse Unterschied lässt sich aus weniger linearen Berufslaufbahnen der Frauen und Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern erklären. Dessen sollte man sich bewusst sein, denn eine Reform des Systems braucht Zeit und in den derzeit diskutierten Gesetzesrevisionen wird die gesellschaftliche Entwicklung noch nicht berücksichtigt.
Leben vor dem Ruhestand
Die ersten Schritte in der Welt der Vorsorge machen wir also fast unbewusst. Jeder Arbeitnehmende baut sich sein Vorsorgevermögen systematisch durch die obligatorischen AHV-Beiträge und die Beiträge an die berufliche Vorsorge auf. Um eine Vollrente aus der 1. Säule zu erhalten, ist es wichtig, ab dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres regelmässig die AHV-Beiträge zu entrichten. Die AHV-Rente dient dazu, das Existenzminimum der Rentenbeziehenden zu sichern. Ihre Höhe richtet sich in erster Linie nach der Anzahl der Beitragsjahre und, in geringerem Masse, nach dem Lohn.
Für die 2. Säule hingegen, welche für die Mehrheit der Bevölkerung einen Grossteil des Alterseinkommens ausmacht, spielt der Lohn eine zentrale Rolle. Sie basiert zur Hauptsache auf der Kapitalisierung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge und der Kapitalrendite. Die BVG-Rente richtet sich somit nach dem Lohn und folglich auch dem Karriereweg der Arbeitnehmenden, die obligatorisch in die 2. Säule einzahlen.
Die 2. Säule dient nicht nur zum Erhalt des Lebensstandards im Alter; sie kann auch vorher schon für die eigene Lebensgestaltung wichtig sein, zum Beispiel beim Kauf einer Immobilie oder zur Absicherung der Familie. Das BVG-Guthaben kann vorbezogen werden, um Wohneigentum zu erwerben, wobei maximal die Hälfte der 20 Prozent Eigenmittel aus der 2. Säule stammen dürfen. Ausserdem sichert es die Familie bei Invalidität oder Tod ab.
Vorsorgevermögen aufbauen
Der Aufbau des eigenen Vorsorgevermögens rückt häufig erst in den Fokus, wenn die Kinder unabhängig werden und die eigene Lohnentwicklung und das Sparpotenzial es zulassen. Genau dann sollte man über Einkäufe in die Pensionskasse nachdenken, um das BVG-Guthaben aufzustocken, zumal diese steuerlich abziehbar sind, oder (höhere) Beiträge in die freiwillige 3. Säule einzahlen. Der Aufbau einer gebundenen Vorsorge 3a kann bereits frühzeitig interessant sein, da sie bis zu einem bestimmten Maximalbetrag steuerlich abzugsfähig ist. 2022 waren das 6883 Franken pro Jahr.
Wie man sein Vorsorgevermögen investiert, insbesondere in die 3. Säule, kann sich im Laufe des Lebens ändern. Grob gesagt: Je weiter der Ruhestand entfernt ist, desto mehr Risiken kann man eingehen. Je näher der Ruhestand rückt, desto wichtiger ist es, das eigene Vorsorgevermögen zu sichern. Welche Risiken man eingeht, sollte sich dabei nach dem eigenen Risikoprofil und Lebensstil richten.
Das Thema Rente sollte jeder und jede je nach Lebensphase angehen. Je früher, desto besser, aber ohne unnötigen Druck. Es bringt nichts, junge Leute noch vor dem Einstieg ins Berufsleben mit einer für sie noch in weiter Ferne liegenden Rente zu überfordern. Alle Schweizerinnen und Schweizer stehen jedoch in der Verantwortung, sich zu informieren, wie sich Änderungen im Leben, etwa Heirat, Scheidung, Karriereweg, Teilzeitarbeit, Arbeitslosigkeit und Selbstständigkeit auf die eigene Vorsorge auswirken. Das Risiko einer Mindestrente trägt jeder und jede nämlich selbst.
Francis Bouvier ist Leiter Berufliche Vorsorge bei BCV
Dieser Text ist erstmals erschienen im Vorsorge Guide 2022/2023.
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