Stürme, Überschwemmungen, Hagelkörner so gross wie Tennisbälle: Unwetter hinterlassen immer häufiger ein Bild der Verwüstung und Millionenschäden - nicht nur weltweit, sondern vor allem auch in der Schweiz. Wie gehen Versicherer schadenseitig mit diesem Toprisiko um? Diese Frage stand vergangene Woche im Mittelpunkt des Webinars «Fokus Claims Management» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). 

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Schadenbelastung steigt

Klar ist: Die Schäden steigen und treiben die Rechnungen für die Schweizer Assekuranz immer weiter in die Höhe: Allein bei der Mobiliar verursachten sechs grössere Unwetterereignisse in den Monaten Juni bis September 2024 Schäden in der Höhe von rund 135 Millionen Franken, wie sie erst kürzlich anlässlich ihres Jahresergebnisses mitteilte. Deshalb investiert die Berner Genossenschaft hohe Summen in die Hochwasser-Prävention, wie der erste Referent Matthias Röthlisberger, Co-Leiter Geoanalyse & Naturrisiken und Co-Leiter der Mobiliar Lab für Naturrisiken im Einstiegsreferat aufzeigte. Der Klimawissenschaftler war einige Jahre unter anderem an der ETH Zürich in der Forschung zu Wetter- und Klima-Extremen in einem sich wandelnden Klima tätig. 

Prävention vorantreiben

Angesichts einer Vielzahl von grossen Überschwemmungsereignissen in der Schweiz und in Europa sei es im Sinne der Prävention wichtig, dass vorausschauend mit Hochwasserrisiken umgegangen wird. Deshalb engagiere sich Mobiliar gezielt beispielsweise bei baulichen Präventionsprojekten, mobilem Hochwasserschutz, Schwammstadtprojekten sowie in der Hagelforschung. Bis heute habe der Versicherer beispielsweise rund 175 Präventionsprojekte der öffentlichen Hand durch Anschub- oder Teilfinanzierungen unterstützt und rund 20 Feuerwehren in der Schweiz mit mobilen Hochwasserschutzsystemen ausgerüstet.

Seit 2023 engagiert sich Mobiliar für das Schwammstadtprojekt, mit dem die Entsiegelung vorangetrieben werden soll. «Damit wird versucht, mit dem Wasser zu arbeiten und nicht gegen das Wasser», so der Klimaexperte. Der Versicherer engagiere sich auch stark in der Forschung, wie er anhand von zwei Beispielen aufzeigte: Das «Mobiliar Lab für Naturrisiken» an der Universität Bern, eine gemeinsame Forschungsinitiative des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung und der Mobiliar, lege seine Arbeitsschwerpunkte auf die Themenfelder Hochwasser, Hagel und Sturm. Damit solle der Bevölkerungsschutz erhöht und eine Brücke von der Forschung in die Praxis geschlagen werden.

Das Gleiche gelte für die «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko», das vom Mobiliar Lab für Naturrisiken ins Leben gerufen wurde. Über die Webseite hochwasserrisiko.ch können sich verschiedene Anspruchsgruppen über den Umgang mit Naturrisiken und insbesondere Hochwasserrisiken anhand von interaktiven Karten und Schadensimulatoren beispielsweise über Hochwasserdynamik oder das Schadenpotenzial von Oberflächenabfluss bis auf Gemeindeebene informieren. Ziel sei es, die Bevölkerung für diese Gefahren zu sensibilisieren und sie zu schützen. 

Schaden begrenzen

Über das Thema «Schadenbegrenzung bei Elementarschäden» referierte anschliessend Roberto Cannellino, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Belfor Suisse AG, einem weltweit agierenden Unternehmen für Vorbeugung und nachhaltige Behebung von Schäden an Gebäuden und deren Infrastruktur mit über 250 Mitarbeitenden an 11 Standorten in der Schweiz. Auch er wies darauf hin, dass die Anzahl und die Schwere von Naturereignissen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Allein Belfort wickelt schweizweit rund 20'000 Projekte ab, was einer Schadenmeldung alle fünf Minuten entspricht. Die Unwetterschäden hätten starke Auswirkungen auf Betriebsstandorte, Lieferketten und den Wohnraum der Bevölkerung.

In kurzer Zeit wichtige Entscheidungen treffen

Gleichzeitig würden die Versicherungsprämien für Elementarrisiken steigen, ebenso die Komplexität der Schäden. Vor allem Hochwasser träten immer häufiger auf, was zu Betriebsausfällen, Schäden an der Infrastruktur, Umweltbelastungen sowie zu Chaos und emotionalen Belastungen bei Menschen führt. Ohne Sofortmassnahmen bestehe die Gefahr von längeren Betriebsunterbrüchen, Korrosion und irreversiblen Schäden beispielsweise an Maschinen, hohen Wiederherstellungskosten sowie dem Verlust von Informationen und wertvollen Gütern.

Die Fähigkeit, den Schaden zu minimieren und sich auch schnell zu erholen, hänge für Unternehmen vom sofortigen Zugang zu hochspezialisierten Sanierungsexperten ab. Er habe in Unglücksgebieten sehr positive Erfahrungen mit so genannten Help Points gemacht, an denen geschädigte Personen einen Anlaufpunkt haben, nannte der Schadenexperte ein Beispiel. An diesen Help Points waren verschiedene Versicherungen direkt vor Ort, Geschädigte konnten ihre Schäden anmelden und erhielten sofort Unterstützung. Damit wurde in dem Chaos nach einem schweren Unwetterereignis erst einmal etwas Ordnung geschaffen. 

«In den ersten 48 Stunden sind sehr viele Entscheidungen zu treffen, aber häufig nur wenige Informationen verfügbar», schilderte er das typische Szenario. Deshalb sei es wichtig, dass jemand in Zusammenarbeit mit den Geschädigten den Lead übernehme und Prioritäten setze, um den Betriebsunterbruch zu minimieren. Dafür brauche es auch die entsprechenden Ressourcen wie Trocknungsgeräte, Notstromversorgung, Gebäudeabdichtung oder spezielle Gefriercontainer für wichtige Dokumente, nannte er einige Beispiele. Um Schäden zu minimieren seien drei Punkte entscheidend: Geschwindigkeit und Kompetenz, Koordination und Planung vor Ort zusammen mit passenden Partnern und Resilienz, die auf langjährigen Erfahrungswerten beruhe. 

Elementarschäden regulieren

Den Reigen der Referenten beschloss dann Marcel Thomann, Leiter Schadeninspektoren Sach bei der Baloise Schweiz. Er gab den Teilnehmenden einen Leitfaden für die Praxis zu «Elementarschäden verstehen und regulieren» zur Hand. Mit einem Team von mit 20 Schadeninspektoren ist er für Kundinnen und Kunden in der Deutschschweiz und dem Tessin bei Sachschäden vor Ort, um sie zu unterstützen. Zunächst zeigte er die Geschichte der  Elementarschadenversicherung auf, die ihren Ursprung in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat. Die kantonalen Gebäudeversicherungen haben damals ihre Deckungen erweitert und zum Feuerrisiko auch die Elementarschadenrisiken angeboten. Heute sind es 19 Kantone, in welchen die Gebäudeversicherungen für Feuer- und Elementarschadenfälle angeboten werden - mit Ausnahme der so genannten Gustavo-Kantone (Genf, Uri, Schwyz, Tessin, Appenzell Innerhoden, Valais und Obwalden sowie dem Fürstentum Liechtenstein). 

Durchschnittskosten haben sich verdoppelt

Insgesamt umfasse die Elementarversicherung heute neun Elementarereignisse: Felssturz, Erdrutsch, Hagel, Lawine, Schneedruck, Hochwasser, Überschwemmung, Sturm und Steinschlag - nicht zum Deckungsumfang gehören Erdbebenschäden. Der Schadenaufwand für Elementarereignisse habe seit 1970 enorm zugenommen, so der Schadenexperte. Ebenso die Versicherungssummen im Elementarschadenpool, die 2024 bei fast 1,4 Milliarden Franken lagen. Gleichzeitig hätten sich die Durchschnittskosten pro Schadenfall in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Der Anstieg auf die Schadenlast sei unter anderem durch eine Zunahme der Versicherungssummen, Änderung der Exponierung von Gebäuden, einer zunehmenden Versicherungsdurchdringung und dem Klimawandel zurückzuführen.

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Auf der anderen Seite hätten vor allem wirksame Hochwasserschutzmassnahmen sowie bessere Prognosen und Warnsysteme sowie Raumplanung zu einer Reduktion der Schadenlast geführt. «Vor dem Spiel ist nach dem Spiel», sagte er im Hinblick auf die Lehren, welche der Versicherer nach einem Unwetter ziehe. Es sei wichtig, dass die Prozesse und Arbeitsabläufe und entsprechende Notfallkonzepte bei grossen Schadenereignissen einwandfrei funktionieren. Die Generalagenturen würden von den Schadeninspektoren regelmässig besucht und entsprechend geschult.

Und auch die Kundinnen und Kunden erhalten im Sinne der Prävention via Unwetter-SMS, Apps oder Online umgehend wichtige Empfehlungen, was im Schadenfall zu beachten ist, um die Schäden in Grenzen zu halten. Manchmal könne sich die Regulierung von Schäden vor allem nach Grossereignissen aber dennoch in die Länge ziehen: «Zehn Minuten Hagel und die Auswirkungen beschäftigen uns zum Teil über Jahre hinweg», schloss Thomann seine Ausführungen.