Die Covid-19-Pandemie hat der Digitalisierung der Gesellschaft weiteren Vorschub geleistet, besonders in den Bereichen Online-Shopping, Video-Telefonie und Streaming-Dienste. Nebst überraschenden Ergebnissen zum geminderten Leistungsdruck durch digitales Vermessen bestätigt der Monitor «Datengesellschaft und Solidarität» verschiedene langfristige Trends: Digitale Möglichkeiten und Lifetracking werden vermehrt genutzt, trotz Befürchtungen bezüglich Datensicherheit und negativen Auswirkungen auf Werte wie die Solidarität. Ambivalente Einschätzungen bestehen auch im Spezialthema «Personalisierte Gesundheit». 
 
Zum vierten Mal in Folge – und rund ein Jahr nach Beginn der Covid-19-Pandemie – hat die Stiftung Sanitas Krankenversicherung eine Umfrage bei der Schweizer Bevölkerung veranlasst zur Akzeptanz der digitalen Transformation und möglichen Einflüssen auf die gesellschaftliche Solidarität. Mit überraschenden Resultaten.

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Erstaunlich: Corona-Krise relativiert digitalen Leistungsdruck

Waren es anfangs des letzten Jahres noch besonders die Jungen, welche durch den Druck des digitalen Wandels verunsichert und gestresst waren, zeigt sich mitten in der Pandemie nun ein ganz anderes Bild: Am Arbeitsplatz, im Gesundheitsbereich, bezüglich sozialer Medien wie Instagram und Facebook, aber auch im Sport empfand die Bevölkerung im Januar 2021 deutlich weniger subjektiven Leistungsstress durch die alltägliche Lebensvermessung. Der Druck durch Überwachungs- und Vergleichsmöglichkeiten mittels digitaler Anwendungen hat sich in Zeiten von Homeoffice und Social Distancing deutlich entspannt. Besonders ausgeprägt ist der Rückgang des gefühlten Leistungsdrucks am Arbeitsplatz von 45 auf 18 Prozent für alle Altersgruppen.

Überraschend: kein «Corona-Schub» für Soziale Medien

Mit dem Rückzug in die eigenen vier Wände aufgrund der beiden Lockdowns hat auch der virtuelle soziale Marktplatz an Bedeutung verloren. Bei den Jungen hat sich die Nutzung von Social-MediaKanälen gegenüber dem Vorjahr besonders stark reduziert (von 92% auf 80%). Zudem empfinden nur noch halb so viele junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren zusätzlichen Leistungsdruck wegen Social Media wie Instagram und Facebook (20% vs. 39% im Vorjahr). Die erzwungene Entschleunigung wird so zum Gegenmittel zur sogenannten Fear of Missing Out (FoMO) – der Angst, etwas zu verpassen. 

Krisenbedingt: Boom bei der Videotelefonie  

Digitale Endgeräte, Kanäle und Angebote werden weiterhin auf hohem Niveau genutzt. In Zeiten von Social Distancing und Teillockdown hat sich die Nutzung der Videotelefonie, beispielsweise via Zoom, innert einem Jahr von 33 auf 59 Prozent verdoppelt mit geringen Unterschieden zwischen den Altersgruppen. Streamingdienste wie Netflix scheinen auch bei den über 35- und über 55-Jährigen stetig mehr Anklang zu finden. Deren Nutzung stieg auf 61 beziehungsweise 30 Prozent. 

Widersprüchlich: Pandemiebedingte Handy-Überwachung findet beachtliche Zustimmung trotz Datenschutzbedenken 

Obwohl die allgemeine Verunsicherung gegenüber dem digitalen Wandel weiter abgenommen hat, bleibt die Skepsis bezüglich des Sammelns und Weitergebens persönlicher Daten gross. Den Pandemie-Erfahrungen des letzten Jahres zum Trotz gilt dies auch für das Teilen von Daten zur Nachverfolgung von Ansteckungsketten wie in der SwissCovid-App oder bei Online-Registrierungen in Restaurants. Der persönliche Nutzen, beispielsweise in Pandemie-Zeiten Zugang zum Restaurant mittels Online-Registrierung zu erhalten, ist stark ausschlaggebend, ob man seine Daten teilt. Persönliche Vorteile verdrängen somit grundlegende Bedenken bezüglich Datenmissbrauch. Äusserst erstaunlich ist zudem, dass 45 Prozent der Befragten es begrüssen würden, in einer weiteren Pandemie Handyüberwachung nach asiatischem Vorbild (mit reduziertem Datenschutz) gegen die Ausbreitung einer Krankheit einzusetzen – mit dem Ziel, die Alltagsfreiheiten möglichst zu behalten. Interessanterweise ist die Zustimmung zu einer solchen Handyüberwachung quer durch das politische Spektrum ähnlich hoch. 

Kontinuierlich: Solidarität durch digitalen Wandel unter Druck

Das Thema Solidarität erfuhr während der Corona-Krise eine besondere Dimension. Die Gesellschaft erlebte vermehrt zwischenmenschliche Unterstützung wie Nachbarschaftshilfe in Form von Einkäufen für Menschen mit hohem Erkrankungsrisiko. Die Befragung zeigt, dass digitale Plattformen in diesem Bereich bisher noch kaum eine Rolle spielen. Insgesamt geht auch im vierten Jahr der Studie die Hälfte der Befragten davon aus, dass sich der digitale Wandel insgesamt negativ auf die gesellschaftliche Solidarität auswirkt. Gründe dafür werden in zunehmender Selbstbezogenheit und einer wachsenden Kluft zwischen Starken und Schwachen verortet. Zudem sind auch mit der CoronaErfahrung immer noch 51 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass Menschen, die sich fit halten und gesund ernähren, weniger Krankenversicherungsprämien zahlen sollten als andere. Trotzdem würde nur jeder Fünfte seine Gesundheitsdaten dem Versicherer zur Verfügung stellen.

Spezialfokus: Daten und ihr Potential für personalisierte Gesundheit

Digitale Endgeräte wie Fitnesstracker und Smartphones generieren immer mehr selbsterfasste Gesundheitsdaten. In Kombination mit klinischen Untersuchungen, Labor- und Genomdaten (allenfalls unterstützt durch künstliche Intelligenz) können sie dazu beitragen, Präventionsmassnahmen und Behandlungen noch weiter zu individualisieren. Trotz grosser Tragweite für die Zukunft des Gesundheitswesens und einer regen Debatte unter Experten ist der Begriff «personalisierte Medizin» in der Bevölkerung noch nicht etabliert. Nur 14 Prozent geben an, eine klare Vorstellung davon zu haben. Immerhin ist die Hälfte der Befragten bereit, sich einer Genom-Analyse zu unterziehen – eine der radikalsten Umsetzungen der Digitalisierung in Bezug auf den Menschen. Ergänzt man die Frage nach der Genom-Analyse mit dem Hinweis, dass für identifizierte Risiken wirksame personalisierte Behandlungen zur Verfügung stehen, erhöhen sich die Befürworter auf zwei Drittel. Auch hier wird deutlich, dass der persönliche Vorteil einer massgeschneiderten Behandlung die grundlegende Skepsis, Daten zu übermitteln, in den Hintergrund drängt. 
 
Wenn gute Aussicht auf Heilung besteht, sprechen sich vier von fünf Personen dafür aus, dass auch teure Spezialtherapien für Krebs aus der Grundversicherung bezahlt werden sollten. Dies trotz dem Hinweis, dass dadurch die Krankenversicherungsprämien für alle steigen könnten. Die Befragten äussern sich damit für eine solidarische Finanzierung der Errungenschaften im Bereich personalisierte Medizin. Zwei Drittel finden jedoch, dass für eine Deckung durch die soziale Grundversicherung gewisse Bedingungen erfüllt sein sollen, allen voran eine deutliche Steigerung der Lebensqualität. Diese Ergebnisse zeigen: Hält die Entwicklung der «persönlichen Pille» weiter Einzug, werden die Ausgestaltung und die Finanzierung des Gesundheitssystems weiteren Raum auf der politischen Agenda einnehmen müssen. 
 

Zur Studie 
Die Forschungsstelle sotomo befragte im Januar 2021 insgesamt 2344 Personen online zu ihrem Verhalten und ihrer Einstellung zur Solidarität im Kontext des digitalen Wandels. Die gezielte Personenauswahl und Gewichtung sichert eine repräsentative Stichprobe, die nahe an der Zusammensetzung der Bevölkerung in der Schweiz ab 18 Jahren liegt. Die Online-Umfrage erfolgt im Jahr 2021 zum vierten Mal im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung. 

Download der Studie 
Der vollständige Bericht zum Monitor «Datengesellschaft und Solidarität» 2021 steht hier zur Verfügung: www.sanitas.com/stiftung-umfrage