Wie gehen Schweizer Unternehmen mit Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft um? Diese Frage stand im Mittelpunkt der ersten Studie der Anlagestiftung Ethos über «Digitale Verantwortung». Die Ergebnisse zeigen: Die Unternehmen stecken bei diesem Thema noch in den Kinderschuhen. Mit am besten schneiden Schweizer Versicherer ab.
Dürftige Resultate
Viele der befragten Grossunternehmen erweisen sich in Bezug auf ihre digitalen Praktiken als noch wenig transparent. Ihre Vorbereitung auf künftige Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich künstliche Intelligenz und Ethik, sei noch in den Anfängen, lautet das Fazit der Studie.
Die Analyse wurde in Zusammenarbeit mit Ethics Grade erstellt, einer Firma mit Sitz in Grossbritannien, die auf die Bewertung der digitalen Verantwortung von Unternehmen spezialisiert ist. Untersucht wurden die Praktiken der 48 grössten an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen (SMI Expanded), darunter die fünf Versicherungsunternehmen Baloise, Helvetia, Swiss Life, Swiss Re und Zurich Versicherung.
In der Studie erhielten die anvisierten Unternehmen einen Fragebogen, der in sieben Kapiteln den Umgang mit den Themen Governance, Transparenz, Datenschutz, künstliche Intelligenz, sensible Aktivitäten, Auswirkungen auf die Gesellschaft und Einfluss auf die Umwelt analysierte. Gleichzeitig nahmen die Experten von Ethics Grade sämtliche Dokumente und öffentlich zugänglichen Informationen über diese Unternehmen unter die Lupe und füllten ihrerseits den Fragebogen aus. Aufgrund der gesammelten Antworten erhielt jedes Unternehmen für jedes Kapitel eine Endbewertung.
Versicherer schneiden gut ab
Die Ergebnisse sprechen für sich: Keines der 48 Unternehmen im SMI Expanded erfüllt mehr als 40 Prozent der Erwartungen von Ethos. Unternehmen aus dem Banken- und dem Gesundheitssektor, die vom Thema digitale Verantwortung besonders betroffen sind, lagen mit Durchschnittsresultaten von 10,3 beziehungsweise 11,1 Punkten deutlich zurück.
Nur vier Unternehmen erreichten mehr als 20 von 100 möglichen Punkten: Baloise (39,6), Swisscom (29,1), Straumann (26,7) und Swiss Re (21 Punkte).
«Die Versicherungsbranche scheint am weitesten fortgeschritten zu sein, mit einem Durchschnitt von 17,3 Punkten», ist in der Studie zu lesen. Den Fragebogen beantwortet haben allerdings nur Baloise, Helvetia, Swiss Life und Swiss Re. Für die Zurich Insurance Group basiert das Rating lediglich auf öffentlich zugänglichen Informationen.
Ethos-CEO Vincent Kaufmann ergänzt auf Nachfrage von HZ Insurance: «Bei den Grundsätzen Governance, Datenschutz, künstliche Intelligenz und sensible Aktivitäten haben die Versicherer die beste Durchschnittsnote erreicht, während sie bei den ökologischen und sozialen Auswirkungen der Digitalisierung nur durchschnittliche Werte erzielten.»
Offen für mehr Dialog
Für Ethos geht es nun darum, mit den Unternehmen in den Dialog zu treten und gemeinsam zu analysieren, in welchen Bereichen eine Verbesserung angestrebt werden sollte. Kaufmann erläutert: «Es ist noch unklar, ob die aktuellen Bewertungen auf einen Mangel an Transparenz seitens der Unternehmen zurückzuführen ist oder eher auf einen Mangel an Proaktivität in Bezug auf bestimmte Aspekte der Digitalisierung, zum Beispiel die ethisch einwandfreie Nutzung von KI.»
Eine Aktualisierung der Studie für 2022 und 2023 ist geplant. Dabei geht es auch darum, Fortschritte der Unternehmen zu bewerten. Kaufmann betont: «Die Unternehmen scheinen offen für die Diskussion zu sein und wollen ihre Transparenz in Zukunft verbessern.»
Gerade für Versicherer hält der Ethos-CEO es für sehr wichtig, Fragen im Zusammenhang mit der ethischen Nutzung künstlicher Intelligenz besser zu bewältigen. Das betreffe vor allem die Entwicklung von Algorithmen zur Annahme oder Ablehnung bestimmter Arten von Risiken und Kunden. Zurzeit ist sein Eindruck: «Es scheint, dass die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung von den Versicherungsunternehmen noch wenig antizipiert werden, ausser dass es ein grosses Potenzial für die Automatisierung und damit für den Ersatz bestimmter Aufgaben in der Zukunft gibt.»