Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider bezeichnete die AHV-Berechnungspanne beim Bundesamt für Sozialversicherungen als signifikant und gravierend. Transparenz sei für sie sehr wichtig, sagte Baume-Schneider am Rande eines Anlasses in La Chaux-de-fonds NE.
Untersuchung eingeleitet
Deshalb habe sie eine Administrativuntersuchung eingeleitet. Man wolle verstehen, wie es zu den Schwierigkeiten und Fehlern bei den Berechnungen gekommen sei. Sie betonte die Notwendigkeit, das Vertrauen der Schweizerinnen und Schweizer in die Sozialversicherungen wieder herzustellen.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) warnte vor einem Schaden des Vertrauens in die Zuverlässigkeit der offiziellen Informationen zur Altersvorsorge. Die Vorlage zur Erhöhung des Frauenrentenalters sei nur mit 50,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden. Die verwendeten Prognosemodelle für die AHV-Finanzszenarien seien jedoch zu pessimistisch ausgefallen und nicht realistisch gewesen, erklärte der SGB.
Parteien sind «befremdet»
Auch die Grünen, die SP und die SP Frauen äusserten in ihren Communiqués ihren Unmut: «Es ist befremdend, dass sich der Bundesrat für diesen Fehler nicht entschuldigt und nicht von sich aus vorschlägt, diese Abstimmung zu wiederholen», wurde die Co-Präsidentin der SP Frauen, Tamara Funiciello, in einer Mitteilung zitiert. Sowohl die SP Frauen als auch die Grünen prüfen eine Beschwerde sowie politische und juristische Möglichkeiten, um Parlament und Bundesrat in die Verantwortung zu nehmen.
Auch bei den Bürgerlichen herrschte Erstaunen. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi begrüsste die von Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider angekündigte Untersuchung, wie er auf Anfrage der Nachrichtenredaktion Keystone-SDA mitteilte. Nun müsse geklärt werden, wer die Verantwortung trage. Es sei problematisch, wenn vor wichtigen Abstimmungen falsche Zahlen kommuniziert würden. Eine Wiederholung der Abstimmung über das Frauenrentenalter lehnte Aeschi aber ab.
Scharfe Kritik
Die FDP kritisierte die zuständige SP-Bundesrätin Baume-Schneider sowie den früheren SP-Bundesrat Alain Berset scharf. Das BSV habe unter deren Leitung ein Fiasko angerichtet. Die Partei verlangte eine Prüfung der Prognosen in anderen Bereichen der Sozialversicherungen wie der Invalidenversicherung und den Ergänzungsleistungen.
Sowohl die Mitte als auch die GLP begrüssten die angekündigte Untersuchung des Innendepartements zu dem Fall, betonten jedoch, dass das strukturelle Defizit der AHV weiterhin bestehe. In Bezug auf die Finanzierung der 13. AHV sei aber auf eine Senkung des Bundesbeitrags zu verzichten, schrieb die Mitte.
Laut Grünen zeigt der Fall, dass es gar keine Spezialfinanzierung für die 13.-AHV-Rente braucht. «Wir dürfen die geburtenschwachen Jahrgänge, also die Jungen, nicht einseitig belasten. Gleichzeitig dürfen wir der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft keinen Schaden zufügen», wurde die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler (BE) in einer Mitteilung zitiert.
Auswirkungen auf 13. AHV
Die vom Bund publizierten Abweichungen entsprächen fast einer 13. Monatsrente, schrieb der Gewerkschaftsbund. Er forderte, dass das mehr als bisher gedacht vorhandene Geld den Versicherten gutgeschrieben werden müsse. Die vom Volk beschlossene 13. AHV-Rente solle schon 2025 ausbezahlt werden.
Der Dachverband der Arbeitnehmenden in der Schweiz, Travailsuisse, forderte, die Finanzierung der 13. AHV-Rente und der Renten müsse an die neuen Prognosen angepasst werden. Heute sei klar geworden, dass der Bund mit einer Senkung des Bundesbeitrags aufgrund der angepassten Prognosen nicht nur budgetneutral unterwegs wäre, sondern im Gegenteil auf Kosten der AHV sparen würde.
Das BSV hatte am Dienstag die Finanzperspektiven für die AHV nach unten korrigiert. Die AHV-Ausgaben dürften 2033 rund 4 Milliarden Franken oder rund 6 Prozent tiefer ausfallen als bisher berechnet. Die finanzielle Lage der AHV dürfte sich demnach besser präsentieren als angenommen. (awp/hzi/bdw)