Der zweite vom SVVG CH in Zürich zum Thema Zukunft in der Versicherungsbranche organisierte Arbeitstag schlug zwei klar unterschiedliche Visionen vor. Einige sind der Meinung, dass das traditionelle Versicherungsgeschäft nach wie vor interessant, produktiv und mit beträchtlichen Wachstumsspannen versehen ist und – ohne die Bewertung von Alternativmöglichkeiten zu vernachlässigen – man sich auf das konzentrieren sollte, was man erwiesenermassen sehr gut beherrscht. Andere hingegen suchen nach alternativen Geschäften, die das Versicherungsgeschäft ergänzen, und versuchen, eine viel umfassendere Antwort auf die wachsenden Bedürfnisse der Wirtschaft und der Gesellschaft im Allgemeinen zu geben.
Beide Visionen beinhalten Chancen und Risiken. Die erste konzentriert sich hauptsächlich auf das bereits Bekannte, mit weiterer Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen und der Leistungen für unsere Kunden sowie der Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen, allerdings mit dem Risiko, die Entwicklung der Kundenbedürfnisse nicht vollständig zu erfassen. Die zweite ist auf das Neue, auf die kontinuierliche Suche nach Chancen und neuen Dienstleistungen ausgerichtet – einerseits mit dem sich daraus ergebenden Potenzial, andererseits aber auch mit dem Risiko, die wahre Matrix unseres Berufs aus den Augen zu verlieren, zu sehr auf Innovation ausgerichtet zu sein und dabei das Erreichte als selbstverständlich hinzunehmen.
In der realen Welt könnten diese beiden Modelle jedoch nie als getrennte Einheiten existieren. Der Markt und die Kunden sind sehr vielfältig. Es gibt Generationen von Kunden, die immer noch auf «traditionelle» Weise denken und handeln und zu Recht erwarten, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden; auf der anderen Seite gibt es neue moderne und digitalisierte Generationen, die an Innovationen und ein sich ständig weiterentwickelndes Angebot gewöhnt sind, das den globalen Bedürfnissen entspricht. Die eigentliche Herausforderung wird daher darin bestehen, die Verteilung nach diesen realen, konkreten und unterschiedlichen Bedürfnissen zu organisieren.
Die Generalagenturen sind naturgemäss die für die Erbringung dieser Dienstleistungen verantwortlichen Strukturen und orientieren sich bis heute an einem traditionellen Unternehmen – mit Beratern und Mitarbeitern, die teilweise noch den älteren Generationen angehören. Die laufenden Veränderungen erfordern daher eine Metamorphose des Aussendienstes, die sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Kunden einen Übergang zu neuen Geschäftsmodellen gewährleistet. Generalagenten, Verkaufsberater und Spezialisten müssen andere Profile haben als der derzeitige Standard; sie müssen global denken, multifunktional sein, spezifische Fähigkeiten auf hohem Niveau haben, im Team arbeiten können und wissen, wie man sich einer sich ständig verändernden Welt anpasst. Dieser Ansatz erfordert eine komplexere Struktur der Agenturen, die einen viel breiteren Markt abdecken. Eine ausreichend kritische Masse wird ein wesentliches Element sein, um die Betriebskosten kontrollieren und das reibungslose Funktionieren der Strukturen selbst gewährleisten zu können.
Die Rolle des Generalvertreters wird sich mehr und mehr auf das Management und weniger auf den Direktvertrieb konzentrieren und die Strukturen müssen über mehr Manager und mehr Spezialisten verfügen. Darüber hinaus müssen die Strukturen bereit sein, das Konzept der Nutzung mehrerer Vertriebswege zu übernehmen, bei dem der Kunde entscheidet, wie, wann und auf welche Weise er mit dem Unternehmen interagiert. Schliesslich wird die Ausbildung eine immer wichtigere Rolle spielen. Sie muss mit der Zeit Schritt halten, kontinuierlich und konstant sein und sich mit neuen und ergänzenden Themen befassen.
Die kommenden Jahre werden uns daher vor viele Herausforderungen stellen, die faszinierend, aber auch voller Unbekannter sind. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass bei all diesen Veränderungen die persönliche Beratung ein wesentliches Element bleiben wird und dass den Unterschied immer die Berater machen werden, die dem Kunden einen Mehrwert bieten können.
Es liegt an uns, Tag für Tag Antworten und Lösungen zu finden, um weiterhin einen wertvollen und zufriedenstellenden Kundenservice zu bieten. In diesem Zusammenhang hat die Tessiner Sektion der FSAGA eine spezielle Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Ziel es ist, die Situation zu beobachten, Veränderungen zu analysieren und zu interpretieren, eine gesunde und offene Diskussion unter den Mitgliedern anzuregen und so weit wie möglich Antworten auf die neuen Bedürfnisse der Branche zu finden.
Domenico Sartore ist Präsident des Regionalverbandes Tessin und unabhängiger Generalagent der Zurich in Lugano