Darum geht's
  • Die weltweiten versicherten Naturkatastrophenschäden erhöhen sich seit 1994 jährlich um 5–7 Prozent
  • Klimawandel intensiviert Wettergefahren, was für weiter steigende Schäden sorgen dürfte
  • Anpassungsmassnahmen zur Verringerung des Schadenpotenzials werden immer wichtiger

Ein verheerendes Erdbeben in der Türkei und in Syrien, schwere Gewitterstürme und grossflächige Überschwemmungen in Städten führen laut der aktuellen Sigma-Studie von Swiss Re die Liste der Naturkatastrophen an, die 2023 für versicherte Schäden in Höhe von 108 Milliarden US-Dollar verantwortlich waren. Im Rahmen einer Medienveranstaltung wies der Rückversicherer darauf hin, dass es bereits das vierte Jahr in Folge versicherte Schäden von über 100 Milliarden Dollar zu verzeichnen gab. Damit bestätigt sich laut Swiss Re der Trend erneut, dass sich die weltweiten versicherten Naturkatastrophenschäden seit 1994 jährlich um 5–7 Prozent erhöhen.

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Verdopplung in 10 Jahren

Das Swiss Re Institute schätzt, dass sich angesichts steigender Temperaturen und immer häufigerer und stärkerer Extremwetterereignisse die versicherten Schäden innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppeln könnten. Daher müssen Massnahmen zur Abmilderung und Anpassung ergriffen werden, um das Risiko von Naturkatastrophen zu senken. Die weltweiten versicherten Schäden aus Naturkatastrophen sind in den vergangenen 30 Jahren schneller gestiegen als die globale Wirtschaftsleistung: Im Zeitraum von 1994 bis 2023 stiegen die versicherten Naturkatastrophenschäden inflationsbereinigt jährlich um durchschnittlich 5,9 Prozent, das weltweite BIP-Wachstum dagegen nur um 2,7 Prozent. Somit hat sich in den vergangenen 30 Jahren die relative Schadenbelastung, gemessen am BIP, verdoppelt.

Inflation treibt Kosten in die Höhe

Jérôme Jean Haegeli, Group Chief Economist von Swiss Re: «Selbst ohne einen historischen Sturm in der Grössenordnung von Hurrikan Ian, der im Vorjahr Florida heimgesucht hat, waren die weltweiten Naturkatastrophenschäden im Jahr 2023 erheblich. Damit setzt sich der seit 30 Jahren zu beobachtende Trend steigender Schäden fort, vor allem durch eine Werteakkumulation in katastrophengefährdeten Gebieten. In Zukunft müssen wir aber noch etwas berücksichtigen: die klimabedingte Intensivierung der Gefahren. Aufgrund der Erderwärmung werden stärkere Stürme und schwerere Überschwemmungen dazu beitragen, dass die Schäden noch weiter steigen. Dies zeigt, wie dringend der Handlungsbedarf ist, wenn man zudem berücksichtigt, dass die strukturell höhere Inflation die Kosten nach einer Katastrophe in die Höhe treibt.»

Tragfähige Partnerschaften etablieren

Moses Ojeisekhoba, CEO Global Clients & Solutions von Swiss Re, sprach sich vor Medien deutlich für eine Intensivierung von Partnerschaften aus, um dem Problem Herr zu werden: «Der Klimawandel verschärft die Wettergefahren, und Risikobewertung und Versicherungsprämien müssen mit der rasanten Entwicklung der Risikolandschaft Schritt halten. Mit Blick auf die Zukunft müssen wir uns darauf fokussieren, das Schadenpotenzial zu senken. 2023 war das heisseste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Bis jetzt setzt sich dieser Trend in 2024 fort. Damit die Sachversicherung tragfähig und bezahlbar bleibt, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen der Privatwirtschaft, des öffentlichen Sektors und der Gesellschaft insgesamt – nicht nur, um die Klimarisiken zu reduzieren, sondern auch, um sich an eine Welt mit extremerem Wetter anzupassen.»

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142 registrierte Naturkatastrophen

Die folgenschwerste Naturkatastrophe 2023 war nach Angaben von Swiss Re das Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar, bei dem versicherte Schäden von geschätzt 6,2 Milliarden Dollar entstanden. Charakteristisch für das vergangene Jahr war ausserdem die Häufigkeit, mit der Extremwetterereignisse auftraten: 142 versicherte Naturkatastrophen stellen einen neuen Rekord dar. In den meisten Fällen handelte es sich um Ereignisse mittleren Ausmasses, mit Schäden in Höhe von 1–5 Milliarden Dollar je Ereignis. Im Jahr 2023 gab es mindestens 30 solcher Ereignisse, viel mehr als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (17). Von diesen Ereignissen waren 21 schwre Gewitterstürme, ebenfalls ein neuer Rekord. Ereignisse mittleren Ausmasses sind seit 1994 um 7,5 Prozent angestiegen, fast doppelt so stark wie Katastrophen allgemein mit 3,9 Prozent. 

Hagelrisiko nimmt zu 

Schwere Gewitter haben sich als zweitgrösste Schadenursache nach tropischen Wirbelstürmen etabliert. Die höhere Anfälligkeit wird durch Urbanisierung sowie durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum verursacht. Der mit 50–80 Prozent weitaus grösste Teil aller versicherten Schäden aus «severe convective storms (SCS)» ist auf Hagelstürme zurückzuführen. SCS ist der Oberbegriff für eine Reihe von Gefahren wie Tornados, Derechos (linearen Winden) und schwerem Hagel. Die weltweiten versicherten Schäden aus SCS beliefen sich 2023 auf die Rekordsumme von 64 Milliarden Dollar, wovon 85 Prozent auf die USA entfielen. Die stärkste Zunahme der versicherten Schäden war in Europa zu verzeichnen, wo sie in jedem der vergangenen drei Jahre die Marke von 5 Milliarden Dollar überstiegen. Insbesondere das Hagelrisiko nimmt zu, vor allem in Deutschland, Italien und Frankreich.

Klimawandel verschärft Trend

Steigende Anfälligkeiten durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Werteakkumulation sind nach wie vor die Hauptursache für den Anstieg der Schäden aus SCS. Die Auswirkungen des Klimawandels dürften laut Swiss Re-Experten diesen Trend noch verschärfen. Ein weiterer Faktor sind neue Anfälligkeiten, etwa der starke Anstieg von Solaranlagen auf Hausdächern. Der erste Schritt zur Schadenreduzierung ist nach Ansicht der Swiss Re die Verringerung des Schadenpotenzials. Dabei helfen Anpassungsmassnahmen wie die Durchsetzung von Bauvorschriften, der Bau von Hochwasserschutzanlagen und die Besiedlung von Gebieten, die für Naturgefahren anfällig sind, unattraktiv zu machen. Zudem ermöglicht die Zusammenarbeit mit Erstversicherern, Versicherungsverbänden und dem öffentlichen Sektor einen Datenaustausch, der für eine gemeinsame Risikominderung unverzichtbar ist. (pd/hzi/bdw)