Herr Zingg, hat das Programm Cicero am Markt versagt?

Das glaube ich nicht. Cicero hat uns die Möglichkeit gegeben, eine Handlungshoheit als Branche zu erlangen. Hauptzweck von Cicero ist, die Qualität zu fördern und als Branche Handlungsspielraum zu schaffen. Das haben wir geschafft. Das System Cicero unterstützt die Weiterbildungskultur und die Professionalisierung in der Kundenberatung bei den stark engagierten Privatversicherungen. Auch die Krankenversicherer setzen seit kurzem auf Cicero. Ich bin überzeugt: Das Vertrauen des Regulators in die Versicherungsbranche wäre nicht gegeben, hätten wir keine Vorarbeiten mit diesem System geleistet. Natürlich: Cicero ist nicht frei von Mängeln. Diese müssen wir optimieren. Aber versagt hat Cicero definitiv nicht.

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Kennen die Versicherten den Zweck von Cicero? Oder anders gefragt: Wofür steht Cicero überhaupt?

Es gab durchaus kritische Stimmen. Man muss aber dazu sagen, dass es mit Cicero gelungen ist, punkto Weiterbildung eine Struktur zu schaffen. Diese war bisher nach Lernzeit orientiert. Innerhalb von zwei Jahren mussten Beraterinnen und Berater eine Anzahl von Credits ausweisen. Dieser Ansatz war nicht primär wissensorientiert, was teilweise bemängelt wurde. Für diesen Kritikpunkt habe ich Verständnis. Aus qualitativer Sicht sagt diese Praxis tatsächlich zu wenig aus. Das beheben wir jetzt, indem wir den Wechsel von der Input- zur Output-basierten Weiterbildung vollziehen. Hinzu kommt, dass fortan sowohl ungebundene wie auch gebundene Vermittlerinnen und Vermittler über dieselben Weiterbildungsstandards verfügen werden, was eine grosse Chance für die Branche ist. 

Im Zentrum stand aber letztlich die Stärkung der Selbstregulierung. Ist Ihnen das wirklich gelungen?

Davon bin ich überzeugt. Cicero hat die Basis dafür geschaffen, dass der Gesetzgeber der Branche die künftige Festlegung und die Kontrolle der Mindeststandards für Fähigkeiten und Kenntnisse der Vermittlerinnen und Vermittler übertragen hat. Die Regulierung wäre, man schaue auf die Nachbarländer, auf jeden Fall gekommen – ohne Cicero wären wir allerdings nicht vorbereitet gewesen und die Behörden hätten wohl stärker eingegriffen.

Schwierige Selbstregulierung via «Cicero»

Eine Umfrage des VBV hat ergeben, dass es nicht ausreichend gelungen ist, Cicero als Qualitätslabel bei Kundinnen und Kunden im Markt zu etablieren. Innerhalb der Branche hat sich Cicero zwar etabliert, dies vor allem bei den gebundenen Beraterinnen und Beratern. Im Gegensatz dazu ist es den ungebundenen Vermittlern und Vermittlerinnen freigestellt, ob sie sich im Cicero registrieren und weiterbilden. Lesen Sie dazu den Beitrag von HZ-Insurance-Redaktorin Sandra Willmeroth.

 

Die an Versicherungsgesellschaften gebundenen Beraterinnen und Berater haben ihre Aufgaben sehr gut wahrgenommen. Das ist meine Wahrnehmung.

 

Natürlich: Schwarze Schafe gibt es auch da.

Natürlich: Schwarze Schafe gibt es auch da. Bei den ungebundenen Beraterinnen und Beratern ist es etwas differenzierter. Das Feld ist sehr weit – vom professionellen Grossbroker bis zu kleinen Einzelunternehmern. Hier gab es leider einige Fälle, wo nicht im Sinne der Versicherten gearbeitet wurde. Dass es jetzt zu regulatorischen Verschärfungen kommt, ist daher nicht überraschend – diese schützen aber die überwiegende Mehrheit der professionellen Akteure. 

Stichwort Weiterbildung: Worin genau bestehen die Unterschiede zwischen gebundenen und ungebundenen Beraterinnen und Beratern? 

In der heutigen Logik gibt es eine Weiterbildungsverpflichtung für die Mitglieder von Cicero. Alle grossen Versicherungsgesellschaften setzten für ihre Mitarbeitenden auf dieses System. Die Krankenversicherungen verlangen das auch von ihren Partnern. Das teilrevidierte Versicherungsaufsichtsgesetz verlangt in Zukunft unabhängig davon, ob jemand als gebunden oder ungebunden unterwegs ist, die Einhaltung identischer Mindeststandards für die Fähigkeiten und Kenntnisse. 

Sie sagten kürzlich, dass per Ende Jahr Mindeststandards für die Weiterbildung von Vermittlerinnen und Vermittlern gelten. Wo stehen Sie kurz vor Jahresschluss?

Wir haben die Architektur. Die Abläufe sind klar definiert. Nun geht es darum, die Feinarbeiten zum Abschluss zu bringen. Diese werden in einem breit abgestützten Projekt zu den Mindeststandards nun vorangetrieben. 

Geht es etwas konkreter?

Viele konkrete Fragen hängten direkt von der neuen Aufsichtsverordnung sowie der künftigen Aufsichtspraxis der Finma ab. Der Bundesrat dürfte etwa im Mai 2023 die Verordnung erlassen. Bis dann müssen wir uns auf Eckwerte beschränken. Aber wir sind auf Kurs. 

Wie wirkt sich das revidierte VAG ganz konkret auf das Vermittlerrecht aus?

Mir scheinen drei Elemente wesentlich: Die Finma wird in Zukunft eine aktive prudentielle Aufsicht über das Vermittlerwesen ausüben. Bei den Brokern erfolgt diese über das Instrument des Finma-Registers bei den ungebundenen Vermittlern primär über die besehenden Aufsichtsinstrumente. In Zukunft gibt es eine klare Trennung zwischen gebundener und ungebundener Vermittlung. Man kann nicht mehr beide Rollen haben, was sich zweifellos auf gewisse Geschäftsmodelle von heute auswirken wird. Im Finma-Register können nur noch ungebundene Vermittler eingetragen werden. Für alle Person, welche Versicherungsverträge anbieten und abschliessen, gelten aber verbindliche Standards, was die Fähigkeiten und Kenntnisse betrifft. Die Branche wird das – wie gesagt – definieren und kontrollieren.  

Apropos AVO: Warum fordern Sie für die neuen Regelungen eine Übergangsfrist bis 2026?

Natürlich braucht es eine realistische Übergangsfrist. Erstes sind sehr viele – geschätzt 15’000 – Personen davon betroffen. Zweitens sind bis heute die genauen Spielregeln nicht klar, da die Verordnung noch nicht steht und selbst dann – die Bewilligungsverfahren der Finma für die Mindeststandards zu den Fähigkeiten und Kenntnissen können dann noch Monate dauern.

Nicht nur die Branche, sondern auch die Behörden müssen vorbereiten und untereinander abgestimmt sein.

Nicht nur die Branche, sondern auch die Behörden müssen vorbereiten und untereinander abgestimmt sein. Zuversichtlich stimmen mich aber die Signale von Behördenseite, dass alle Vermittlerinnen und Vermittler, welche Mitglieder bei Cicero sind oder auch im Finma-Register eingetragen sind, möglichst nahtlos in das neue System überführt werden sollten. Das Ganze wird trotzdem eine Herkulesaufgabe sein. Und das braucht seine Zeit auch für die flächendeckende Information. Stand heute ist eine Übergangsphase von zwei Jahren vorgesehen. Unklar ist das Datum des Inkrafttretens des VAG. Unser Wunsch wäre frühestes per 1. Januar 2024.