Zeichnete man vor drei Jahren ein Bild der Brokerlandschaft Schweiz, so sah dieses relativ eindeutig aus: Kessler als deutlicher Marktleader, gefolgt vom englischen Riesen Aon und der wachsenden Assepro-Gruppe. Da Kessler und Aon nicht an Erfolg eingebüsst haben, dürften sie nach wie vor zu den führenden Kräften gehören. Genaue Zahlen zum Prämienvolumen geben die beiden allerdings nicht bekannt.

Spannend ist vor allem, die Aufholjagd von hinten zu beobachten: Assepro hat noch einmal deutlich zugelegt und ist mittlerweile bei rund 1000 Millionen Franken verwaltetem Prämienvolumen. Überraschend nah kommt da Qualibroker (920 Millionen) durch den Zukauf der in der Westschweiz starken IBC. Verlingue war vor drei Jahren noch gar nicht auf dem Schirm. Der französische Broker hat Meex, Advantis und S&P unter seinem Dach vereint und ist heute mit einem Prämienvolumen von 850 Millionen ebenfalls ganz vorne dabei. Die Brokerspitze in der Schweiz ist also ziemlich nah zusammengewachsen.

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Assepro will Präsenz ausbauen

Die Aufholer bleiben am Ball. «Die Konsolidierungswelle ist für uns noch nicht abgeschlossen», hält Agnes Immersi, Kommunikationsverantwortliche bei Assepro, fest. Der Broker möchte seine Präsenz in der gesamten Schweiz ausbauen und auch in der Romandie verstärkt Fuss fassen. Vergangenes Jahr hat Assepro mit Ärzteservice Versicherungsmakler GmbH in Wien erstmals einen Broker im Ausland zugekauft. «Eine Ausweitung auf die DACH-Region ist für uns denkbar», erklärt Immersi, «insbesondere Deutschland ist ein sehr interessanter Markt.»

Assepro hat durch den Zusammenschluss von zahlreichen mittleren Brokern unter einem Dach einen entscheidenden Vorteil: Die einzelnen Unternehmen sind lokal verankert und kennen ihre Kundschaft gut. Das führt allerdings auch dazu, dass man die einzelnen Firmen nicht als grosses Ganzes wahrnimmt. Anfang dieses Monats gab Assepro die Integration dieser Unternehmen bekannt – in Zukunft werden alle Standorte der Gruppe unter dem Namen Assepro auftreten.

Kessler setzt auf Mittlere und Grosse

Mit 23 Standorten pflegt Assepro schweizweit das dichteste Filialnetz, von wo aus rund 8000 KMU betreut werden. An zweiter Stelle kommen Kessler, der in diesem Jahr seinen zehnten Standort eröffnet, und Aon mit ebenfalls zehn Niederlassungen. Die beiden fischen jedoch in einem anderen Teich als die Assepro-Gruppe, die sich auf KMU spezialisiert hat. Kessler hat 1250 Kunden mit 100 oder mehr Mitarbeitenden. Die Marktdurchdringung in diesem Segment schätzt der über hundertjährige Schweizer Traditionsbroker auf 25 Prozent.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Kessler untätig zuschaut, wie andere den Brokermarkt aufmischen. «Wir beteiligen uns aktiv an der Konsolidierung und sprechen mit möglichen Partnern», sagt Managing Partner Christian Kessler. «Die Übernahme und sorgfältige Integration einer Firma ist aber herausfordernd und erfordert viel Fingerspitzengefühl.» Primär sei Kessler deshalb tatsächlich nicht durch Zukäufe gewachsen. Vielmehr legten sie Wert auf eine nachhaltige Entwicklung durch organisches Wachstum.

Die heutzutage zwingende, globale Vernetzung gewährleistet Kessler durch das Marsh Network. Seit 1998 repräsentiert Kessler Marsh in der Schweiz. Zusammen mit Guy Carpenter, Bowring Marsh, Mercer und Oliver Wyman zählt die Marsh-McLennan-Gruppe heute über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz.

Aon bleibt international stark

Aon Schweiz will die Marktstellung als Nummer eins im multinationalen Bereich halten. Schweiz-CEO Pierre Brunel bezeichnet die internationale Ausrichtung denn auch als eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale und den Hauptantrieb für das angestrebte organische Wachstum. Gleichzeitig sei der Grossbroker auch im inländischen Markt gut verankert und investiert in Lösungen sowohl für grosse Unternehmen als auch für das KMU-Segment.

In dieser Grösse ist nicht nur die eigene Dynamik, sondern vor allem jene der Kundinnen und Kunden relevant. Pierre Brunel sagt dazu: «Dank unserer globalen Reichweite und unserer modernen Analytik können wir unsere Kundinnen und Kunden bei den zunehmend komplexen Herausforderungen unterstützen.» Dadurch seien hochspezialisierte Lösungen möglich.

In den vergangenen Jahren hätten Themen wie etwa Cyberrisiken, Fusionen, Naturkatastrophen und geistiges Eigentum die Kundschaft beschäftigt. Gleichzeitig würden weichere Aspekte wie die Mitarbeitergesundheit sowie ESG (Environmental, Social and Governance; zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zunehmend wichtiger.

Der Maklermarkt habe sich in den vergangenen Jahren unter anderem aufgrund des günstigen Investitionsumfelds so stark konsolidiert, sagt Brunel. «Dies könnte sich angesichts des zunehmend inflationären Umfelds ändern.» Die Konsolidierung sei auch eine Antwort auf den vorangehenden Umbruch bei den Versicherungen.

Compliance- und IT-Anforderungen von dieser Seite seien gewachsen, weshalb ein Makler eine kritische Grösse benötige, um Einfluss zu nehmen und verhandeln zu können. Christian Kessler bestätigt dies: «Die Verhandlungen mit den Versicherern wurden im vergangenen Jahr noch härter. Diese verlangen mehr Informationen, zeichnen weniger Risiken und haben die Prämien erhöht.» Der Druck seitens der Versicherer wird in Zukunft eher noch weiter zunehmen, schätzen die beiden Marktkenner.

Kritische Grösse hängt von Strategie ab

Doch wie gross muss ein Broker in der Schweiz tatsächlich sein, damit er erfolgreich wirtschaften kann? Die Top-Broker sind sich einig, dass auch kleine Broker mit ausgeprägtem Fachwissen und guter Kundenbindung einen Mehrwert bieten können. Gerade in Bezug auf die Digitalisierung, wachsende Regularien und komplexer werdende Probleme hätten grössere Unternehmen aber einen Wettbewerbsvorteil.

Ganz direkt spürt das Arthur J. Gallagher. Der amerikanische Broker mit weltweit 35'000 Mitarbeitenden hat den Schweizer Broker Hesse & Partner übernommen. Schweiz-CEO Stephan Bachmann erklärt: «Wir profitieren stark von einem grossartigen internationalen Netzwerk, von Investitionen der Gruppe in die Schweiz und von den Annehmlichkeiten eines globalen Brokers.» Dieser habe die nötigen Ressourcen, in Tools zu investieren wie beispielsweise Analysen zu Naturgefahren, Zugang zu webbasierten Kundenportalen oder Beratungen in Bezug auf Cyberrisiken. «Gleichzeitig konnten wir unsere Einkaufsmacht merklich steigern.»

Selbst wenn die Teuerung die Konsolidierung also zeitweise bremsen sollte, ist auf mittlere Sicht nicht mit einer Trendwende zu rechnen. Im Gegenteil: Die führenden Schweizer Broker sind sich der anhaltenden einschneidenden Entwicklungen bewusst – und bereit, die Geschwindigkeit in diesem Kopf-an-Kopf-Rennen aufrechtzuerhalten.

Schweizer Markt nach wie vor fragmentiert

Die Brokerlandschaft Schweiz besteht nicht nur aus wenigen grossen Firmen. Es gibt noch über 1000 KMU, die in diesem Bereich tätig sind. Insgesamt waren bei der Finma Ende 2021 rund 6900 Personen gemeldet, die ungebundene Vermittlungsdienste im Versicherungswesen anbieten. Zu den Mitarbeitenden der grossen Broker kommen also noch viele Einzelfirmen und KMU dazu. Trotz dem Druck in der Branche ist das Interesse am Brokertum also ungebrochen und es gibt jährlich zahlreiche Neuregistrierungen. Das spüren auch die ausbildenden Organisationen, die ihre Angebote den veränderten Bedürfnissen anpassen. Die kleineren Vermittler spielen im Gesamtmarkt indes eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich am Kräfteverhältnis in der Swiss Insurance Brokers Association. Die Siba vertritt fast 100 Broker mit insgesamt 2500 Mitarbeitenden. Allein die erfolgreichsten fünf Firmen beschäftigen die Hälfte davon.

Vielversprechende Nischen

Wie man auch mit weniger Ressourcen erfolgreich wirtschaften kann, zeigt der Nischenbroker Arthur J. Gallagher (vormals Hesse & Partner). Mit 25 Mitarbeitenden betreut der Broker in der Schweiz rund 500 Unternehmenskunden, die oft auch international tätig sind. Der Broker hat sich bereits vor der Übernahme durch den amerikanischen Konzern auf Kehrichtverbrennungsanlagen und Waste-to-Energy spezialisiert, wo er schweizweit Vorreiter ist. Als technischer Broker entwickelt er dabei viele Produkte selbst. Global ist Gallagher im Bereich Aerospace und Digital Assets führend. «Wir werden in der Schweiz entsprechend investieren, wie wir das in anderen Bereichen beispielsweise für Finanzinstitute auch getan haben», sagt CEO Stephan Bachmann.

Howden auf dem Vormarsch

Der Schweizer Brokermarkt wird nicht nur immer härter, sondern auch zunehmend internationaler. Das zeigt beispielhaft der Vormarsch von Howden, einem globalen Brokerkonzern aus London. Er stieg 2020 mit dem Kauf der Genfer Riskmanagement- und Kreditversicherung Iria in den Schweizer Markt ein. Bald folgten das Broker Center Zürichsee sowie in diesem Jahr Bachmann & Partner. Als Schweiz-CEO holte Howden niemand Geringeren als den ehemaligen Aon-Schweiz-Chef Felix Jenny. «Wir wollen die Howden-Gruppe in der Schweiz zu einem der führenden Versicherungsbroker etablieren», sagt dieser. Dazu gehört für Jenny nicht nur, zur Top 3 aufzusteigen, sondern auch, sich als einer der attraktivsten Arbeitgeber des Berufsstandes zu positionieren. Neben dem schnellen Wachstum sorgte Howden Schweiz denn auch mit der grosszügigen Aufstockung der Mitarbeitenden für Schlagzeilen.

Konsolidierung in den letzten fünf Jahren

2017: Aon übernimmt PWZ und Unidelta

2017: Assepro übernimmt Esurance

2018: Balrisk schliesst sich Assepro an

2019: Assepro integriert Looser & Partner in die Gruppe

2019: Hesse & Partner kauft Verbag

2020: Kessler akquiriert City Broker Bern

2020: Aon kauft Assimedia

2020: Assepro kauft RMS, Prevas und Gewos, Godly & Partner sowie Godly Rheintal

2020: Howden kauft Iria

2021: Advantis, Meex und S&P gehen zu Verlingue

2021: Howden akquiriert das Brokercenter Zürichsee

2021: Arthur J. Gallagher übernimmt Hesse & Partner vollständig

2021: IBC und Qualibroker schliessen sich zusammen

2022: Kessler übernimmt Portfolio von Trianon

2022: Qualirisk, Quali Group Bubikon und Quali Group Rheintal stossen zu Assepro, Esurance wird wieder verkauft

2022: Bachmann & Partner gehört nun zur Howden Group