Mit der Übernahme des Lebengeschäfts der Nürnberger stärkt die Merkur Versicherung ihre Marktposition auf dem österreichischen Markt. Der Marktanteil des vornehmlich auf Krankenversicherungen spezialisierten Grazer Unternehmens wächst auf 3,5 Prozent. Die Merkur wird damit zur neuen Nummer sieben am Markt und rückt so der Zurich auf die Pelle. Allerdings fällt es den Versicherern marktweit immer schwerer, im Lebengeschäft profitabel zu arbeiten. Gilt das auch für die Merkur?
«Mit der Nürnberger Versicherung wird nicht nur ein Produktpionier und eine treibende Kraft in der Branche Teil unseres Merkur-Teams. Wir haben vor allem Menschen gefunden, die unsere Werte teilen und unsere DNA widerspiegeln. Und wenn zusammenkommt, was zusammengehört, dann wird es richtig gut», freut sich Ingo Hoffmann, CEO der Merkur. Der aus Deutschland stammende Versicherungskaufmann hatte nach Stationen bei Ergo, die Bayerische und Gothaer am 1. Januar 2020 Gerald Kogler beerbt, der die Merkur über zehn Jahre geführt hatte.
Im April letzten Jahres fädelte der Vertriebs-Profi Hoffmann eine Bancassurance-Partnerschaft mit der Österreich-Filiale der Santander Consumer Bank ein. Nach der Übernahme der in Salzburg angesiedelten Nürnberger Leben strebt der Merkur-CEO eine Ausweitung des Produktportfolios an. Dazu wird die Merkur mit der Nürnberger-Tochter Garanta zusammenarbeiten. «Die Garanta wird künftig enger Kooperationspartner der Merkur-Gruppe sein. Ziel ist es, das Know-how der Garanta bei der Weiterentwicklung in der Schadenversicherung der Merkur zu nutzen, sodass in weiterer Zukunft eine Intensivierung dieser Partnerschaft, wie zum Beispiel in der Entwicklung eigener Produktlösungen, möglich ist», heisst es in einer Pressemitteilung der Merkur.
Schadenversicherung stark profitabel
Das Grazer Unternehmen schreibt nach der Übernahme der Nürnberger Leben etwa 740 Millionen Euro an Prämie, vornehmlich in der Krankenversicherung, mit ein wenig Geschäft in der Lebens- und Unfallversicherung. Marktweit sind aber sowohl das Krankenversicherungsgeschäft als auch die Lebensversicherung ausgesprochen ertragsschwach. Trotz der Schadenbelastung durch die Sommer-Hochwasser stieg der Gewinn der Versicherer nach den ersten neun Monaten 2021 von 925 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden. Das lag vor allem an den Kapitalanlagen, berichtet die Regulierungsbehörde Finanzmarktaufsicht FMA in einem Zwischenbericht. «Höhere Kapitalerträge und niedrigere Kapitalaufwendungen liessen das Finanzergebnis um 56,56 Prozent auf 2,28 Milliarden Euro wachsen», heisst es darin. Doch während die Schadenversicherer satte Gewinne einfahren, steht in der Lebens- und Krankenversicherung unterm Strich eine magere schwarze Null.
Drei Namen dominieren den Markt
Dominiert wird das Versicherungsgeschäft von den drei Branchengrössen Uniqa, Wiener Städtische und Generali, die zusammen mehr als die Hälfte aller Prämien vereinnahmen. Die drei Marktführer sind stark mit ihren Tochter- und Schwestergesellschaften in Mittel- und Osteuropa verbunden, die immer mehr zum Impulsgeber für das Geschäft auf dem Heimatmarkt werden. Die international als Vienna Insurance Group firmierende Wiener Städtische hat Polen zum digitalen Drehkreuz für die gesamte Gruppe erkoren. In den kommenden drei Jahren wollen die Wiener 100 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren, um den Kundenservice zu verbessern. Die Uniqa, die vor kurzem ihr Polengeschäft durch den Erwerb der Axa Polen verstärkt hat, baut zusammen mit ihrem Bankenpartner Raiffeisen in Osteuropa digitale Bancassurance auf.
In Österreich unternehmen jetzt die Grazer Wechselseitige und die Wiener Städtische erste Versuche in Richtung digitaler Bancassurance. Die Grazer bauen zusammen mit der Österreichischen Post und ING-Diba eine Hybrid-Bank namens Bank99 auf und hoffen, von der starken Präsenz in den Post-Filialen zu profitieren. Die Wiener Städtische bietet jetzt Unfallversicherungen über die Online-Bank George an, die von der Bank Erste geschaffen wurde.
Sowohl die Banken als auch die Versicherer Österreichs hinken bei der Digitalisierung noch hinterher. «Die Versicherer Österreichs sind immer noch viel zu zögerlich bei der Digitalisierung», kommentiert Michal Trochimczuk, Managing Partner der Beratungsgesellschaft Sollers Consulting. «Untersuchungen zeigen, dass sie schon einiges in den Frontends unternommen haben, und die Kunden honorieren das auch. Aber in den Kernsystemen gehen die Versicherer einen Schritt voran und einen Schritt zurück.»
Kundenzufriedenheit lässt zu wünschen übrig
Seit dem Ausbruch der Pandemie blieb nach Untersuchungen von Telemark Marketing die Kundenzufriedenheit mit den Versicherern stabil, während sie bei den Banken stark eingebrochen ist. Doch angesichts eines Net Promoter Score (NPS) von marktweit 17,7 wird deutlich, wie stark der Verbesserungsbedarf in Österreich noch ist. Zum Vergleich: Die Mobiliar hat einen NPS von 45, Werte, die auch britische und dänische Versicherer erreichen.
Das Versicherungsgeschäft in Österreich ist stark personengetrieben. Im Kundenkontakt dominieren Agenten und Makler. Während der Pandemie ist die Zahl der Vermittler sogar stark angestiegen, während der Marktanteil des Online-Vertriebs während der Pandemie gesunken ist. Immer mehr Vermittler bieten auch Videoberatung an. Doch die traditionellen Vertriebsstrukturen müssen modernisiert werden, will die Branche nicht den Anschluss verpassen. Die Kundenzufriedenheit mit Versicherern ist im Vergleich zum österreichischen Aldi-Ableger Hofer, der Drogeriemarktkette dm, Amazon und dem Buchhändler Thalia mittelmässig. Nur die Preisvergleichswebsite Durchblicker kann hier punkten. Der Online-Broker kann zur neuen Benchmark avancieren, falls die Branche nicht aufpasst.
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