Mit ihren Reputationsrankings zeigt die Swissreputation Group immer wieder auf, welche Versicherungen und Krankenversicherungen einen besonders guten Ruf bei den Medien geniessen (HZ Insurance berichtete) - und was es braucht, um Versicherungsthemen noch besser in der breiten Öffentlichkeit zu verankern. Der Reputationsexperte Lukas Zihlmann über die Kunst, richtig zu kommunizieren.
Wie messen Sie die Medienreputation von Versicherungsunternehmen?
Wir legen der Messung ein Reputationsmodell zugrunde, das die sechs Dimensionen Products & Services, Innovation, Economic Performance, Management & Leadership, Workplace sowie ESG & Sustainability umfasst. Das sind die bestimmenden Themenlandschaften, die den Ruf eines Unternehmens formen. Dann werten wir die redaktionelle Berichterstattung - Print und Online - über die Unternehmen aus und prüfen, in welcher Tonalität berichtet wurde. Die Anzahl der Beiträge und die Höhe der Tonalität bestimmen die Reputationswerte. Für unsere Studie zu Versicherungen und Krankenkassen haben wir aus rund 4’000 Medienquellen mehr als 30’000 Beiträge ausgewertet.
Lukas Zihlmann ist Gründer und Geschäftsführer der Swissreputation Group, die in Kooperation mit Pressrelations Schweiz seit 2023 eine jährliche Medienreputionsstudie für Versicherungen und Krankenkassen veröffentlicht. Zudem ist er als Gastdozent für Reputation Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) tätig.
Sie haben dabei KI-Methoden eingesetzt. Wie muss man sich das vorstellen?
Früher wurden Medienbeiträge manuell ausgewertet. Jeden Beitrag einzeln zu lesen und nach Themen und Tonalität zu bewerten, ist sehr aufwändig. Heute lassen wir diese Beiträge weitgehend automatisiert mit KI-Unterstützung analysieren. Dabei werden zunächst verarbeitbare Textfragmente gebildet. Danach erfolgt eine Relevanzprüfung der Unternehmensnennungen und Kategorisierung nach ihrem Stellenwert im Text.
Anschliessend werden die relevanten Textstellen den verschiedenen Reputationsdimensionen zugeordnet und die genaue Tonalität der Textpassagen bestimmt. Natürlich braucht es nach wie vor auch manuelle Prüfschritte und verschiedene Datenchecks. Die KI bietet uns hier grossartige neue Möglichkeiten bezüglich Qualität und Effizienz.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Reputation und Image?
Die beiden Begriffe werden häufig synonym verwendet. Aber es gibt wesentlich Unterschiede: Image bezieht sich eher auf das äussere Erscheinungsbild, das auch kurzfristig beeinflusst werden kann, zum Beispiel durch gezielte Kampagnen. Ein Image entsteht auch eher auf individueller Ebene. Reputation hingegen ist das auf vielfältige Weise geformte Ansehen eines Unternehmens oder einer Person, das sich über einen längeren Zeitraum bildet. Reputation entsteht auf kollektiver Ebene, also zum Beispiel bei den Kunden, der Bevölkerung oder eben – wie bei der aktuellen Studie – in den Medien.
Versicherungsthemen gelten häufig als langweilig - ist es für Versicherer deshalb nicht ungleich schwieriger, eine gute Medienreputation zu erzielen?
Versicherungsprodukte berühren die Menschen in der Regel emotional eher wenig. Anders als beispielsweise Konsumgüter, die oft mit angenehmen Erlebnissen verbunden werden und mit denen die Menschen zahlreiche und oft positive Berührungspunkte haben. Insofern ist es für Versicherer schon etwas schwieriger, bei den Menschen oder auch über die Medien etwas auszulösen. Wir sehen aber auch: Versicherungsunternehmen kommunizieren sehr gut entlang der sechs Dimensionen des Reputationsmodells und bauen sich dadurch einen guten Ruf auf.
Es reicht, wenn ein Versicherer innerhalb der Branche über eine vergleichsweise gute Reputation verfügt.
Lukas Zihlmann
Sie berichten über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten, über neue Produkte, über ihre Aktivitäten als Arbeitgeber. Aber man sich auch immer vor Augen halten, dass Reputation im Branchenkontext verstanden werden sollte. So haben Versicherungsunternehmen nicht den gleich hohen Reputationswert, wie beliebte Automarken. Aber das müssen sie auch nicht. Es reicht, wenn ein Versicherer innerhalb der Branche über eine vergleichsweise gute Reputation verfügt und sich möglichst positiv gegenüber seinen Mitbewerbern positioniert.
Versicherer haben aber auch ein ungleich schwierigeres Themenfeld, in dem sie sich bewegen, mit Katastrophen, schweren Schäden oder Krankheit…
Ja, das spielt auch eine Rolle. Davon sind die Krankenversicherungen sogar noch mehr betroffen als die klassischen Schadenversicherer. Unsere Studie hat gezeigt, dass das Tonalitätslevel bei Krankenkassen durchgehend deutlich tiefer ist, ebenso die Anzahl positiver Medienbeiträge. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Allgemeinheit viel stärker von den Aktivitäten der Krankenversicherungen betroffen ist. Denken Sie nur an Themen, wie die jährlich steigenden Prämien und die damit verbundene Kostenbelastung für die Bevölkerung. Das betrifft die Menschen direkt. Bei Sachversicherungen ist das nicht in der gleichen Art und Weise der Fall.
Was können Versicherer tun, um ein positiveres Bild von sich in den Medien zu zeichnen?
Aus meiner Perspektive geht es für Versicherungen vor allem darum, ihre Anspruchsgruppen möglichst gut zu verstehen und sich die Frage zu stellen: Was erwarten unsere Kunden, die Öffentlichkeit und Mitarbeitende von uns als Unternehmen? Diese Erwartungen gilt es dann bestmöglich zu adressieren. Die Unterschiede bei den Produkten und Dienstleistungen sind bei Versicherungen in der Regel nicht gross.
Deswegen ist es wichtig zu erkennen, welche anderen Themen bedeutend für die Anspruchsgruppen sind. Das zeigt unser Reputationsmodell auf. Also beispielsweise Innovationskraft, Führung des Unternehmens, wirtschaftlicher Erfolg oder nachhaltige Initiativen. Da gibt es eine Vielzahl von Themen, die oft noch untervertreten sind.
Eine gute Reputation hat viel mit Kommunikation zu tun.
Lukas Zihlmann
Also getreu dem alten PR-Motto: Tue Gutes und sprich darüber…
Ja. Und vor allem sollte man dort Gutes tun, wo Erwartungen der Öffentlichkeit oder anderer Anspruchsgruppen erfüllt werden können, im Einklang mit den eigenen Werten und Zielen. Nur so kann man sich unterscheiden. Eine gute Reputation hat viel mit Kommunikation zu tun. Ein Unternehmen sollte aber nur kommunizieren, was auch der Realität entspricht. Das bedeutet, Versicherungen oder Krankenkassen müssen zu bestimmten Themen zuerst an ihrer Realität arbeiten, bevor sie an der Kommunikation arbeiten können.
Was ist eigentlich ausschlaggebender für eine gute Reputation: Die klassischen Print- und Onlinemedien oder Social Media?
Jeder Berührungspunkt mit einem Unternehmen leistet einen kleineren oder grösseren Beitrag zur Reputation. Auf Social Media sind Versicherungsunternehmen mit eigenen Kanälen unterwegs und erreichen so verschiedene Anspruchsgruppen. Dort können dann auch Diskussionen entstehen, deren Auswirkungen aber in der Regel von kurzfristiger Natur sind. Social Media sind natürlich wichtig für Versicherungen und spielen eine Rolle, was die Reputationsbildung anbelangt. Der Impact ist aber begrenzt.
Bei den klassischen Print- oder Onlinemedien hingegen geht es um einen langfristigen Reputationsaufbau und um Meinungsbildung. Hier ist ihre Bedeutung nach wie vor sehr gross. Oft hat man ja zu Versicherungen – auch zu den eigenen - nur wenig Kontakt. Medien stellen hier einen wesentlichen Touchpoint dar. Lese ich etwas über eine Versicherung, kann der Impact gross sein, da der Beitrag eventuell einen der ganz wenigen Kontaktpunkte zum entsprechenden Unternehmen darstellt.
Reputationsaufbau geschieht nicht von heute auf morgen und ist eher ein Marathon als ein Sprint.
Lukas Zihlmann
Wie lange dauert es, eine gute Reputation aufzubauen?
Um das zu beantworten, helfen vielleicht zwei Vergleiche. Zuerst: Reputationsaufbau geschieht nicht von heute auf morgen, ist also eher als Marathon denn als Sprint zu verstehen. Es geht um Vertrauen - und das zu gewinnen braucht Zeit. Deshalb gleicht ein Reputationsmanagement auch eher der Steuerung eines Tankers als eines Schnellboots. Entwicklungen zeigen sich oft erst mit der Zeit und eine Kursänderung wird nicht sofort sichtbar.
Eine starke Reputation wird dann allerdings meist mit einer grossen Robustheit honoriert. Der Fall der Credit Suisse ist dafür ein Paradebeispiel, wenn auch im negativen Sinn: Es hat tatsächlich 15 Jahre gebraucht, bis die Reputation in allen Dimensionen so stark beschädigt war, dass ihr am Ende das letzte Vertrauen und die «License to operate» entzogen wurde.