Der digitale Wandel machts möglich: Neue Anbieter aus der Fintech-Szene bringen zusätzlichen Schwung ins Vorsorgegeschäft. Allerdings tut sich die digitale Vorsorgeberatung noch immer schwer. Studien zeigen, dass sich die Vorsorgeprodukte, anders als bei der Geldanlage, nicht einfach in die Online-Welt übertragen lassen. Viele der bestehenden Tools können die Produkte und Dienstleistungen für die finanzielle Absicherung im Alter kaum abbilden.
Zur Verbesserung der aktuellen Situation steckt Martin Eling, Professor für Versicherungsmanagement an der Universität St. Gallen, den Handlungsspielraum klar ab: «Die Einführung eines digitalen Vorsorgeportals, das den Versicherten einen Gesamtüberblick über alle Vorsorgeleistungen bietet, und darüber hinaus auch den aktiven Eingriff in Vorsorgeentscheidungen ermöglicht.» Derzeit jedenfalls sind Robo-Advisor, also Algorithmen-basierte Beratungssysteme, bei der Altersvorsorge nicht so erfolgreich, wie das etwa für einfache Investments im Finanzsektor gilt. Die meisten Vorsorgeprodukte sind komplex. Entsprechend kann die Online-Beratung das Gespräch mit einem Makler oder Versicherungsvermittler nicht ersetzen.
Banken und Versicherungen mit neuen Apps
Mit Smartphone-Apps visieren Jungunternehmen speziell eine junge Kundschaft an. Aus Expertensicht ist es für diese Startups allerdings schwierig, die kritische Grösse zu erreichen. Dies umso mehr, weil mittlerweile auch alle gewichtigen Banken und Versicherungen mit innovativen Angeboten im Bereich der gebundenen (Säule 3a) und freien Vorsorge (Säule 3b) am Markt auftreten. Klar ist: Die Finanzbranche wird ihre Vorsorge-Dienstleistungen in den kommenden Jahren zunehmend automatisieren.
Der erleichterte Zugang über digitale Kanäle wird den heutigen Kapitalbestand von rund 130 Milliarden Franken allein in der steuerbegünstigten Säule 3a rasch anwachsen lassen.
Anstatt entweder auf das digitale Direct-to-market-Modell oder ausschliesslich die Beratung vor Ort zu setzen, verfolgen zahlreiche Anbieter einen hybriden Ansatz. Liechtenstein Life etwa arbeitet bei der Akquise und Kundenbetreuung mit einem Pool von rund tausend unabhängigen Finanzberatern in Europa zusammen. «Wichtig ist es, die Situation der Kundinnen und Kunden gründlich zu analysieren, die richtige Produktauswahl zu treffen und danach über viele Jahre hinweg zu begleiten», sagt CEO Aron Veress.
Hybride Lösungsansätze kombinieren die beiden Welten
Bei diesen hybriden Methoden reagieren die Beraterinnen und Berater auf die unmittelbaren Fragen der Kundschaft. Danach geschieht alles digital. Die Versicherten haben via App ein transparentes Tool, um sich schnell einen Überblick über das eigene Vermögen zu verschaffen und sich allenfalls eine Änderung in der Anlagestrategie zu überlegen.
Für Liechtenstein-Life-Chef Veress ist die persönliche Beratung bei Vorsorgeprodukten entscheidend: «Einzig unabhängige Finanzberater sind in der Lage, ein echtes Vertrauensverhältnis aufzubauen.» Bei der Wahl einer Vorsorgelösung sind die individuellen Bedürfnisse ausschlaggebend. Der Durchblick ist im breiten Angebot von Banken und Versicherungen allerdings nicht einfach. Bei den Vorsorgepolicen der Assekuranz ist auch eine Versicherung zu den Risiken Todesfall und Invalidität eingeschlossen. Die Zinskonten und Wertschriftenlösungen der Banken sind einzig auf den Sparaspekt ausgerichtet.
Digitale Vorsorgelösungen bieten viele Vorteile
Für die Anbieter von digitalen Vorsorgelösungen liegen die Vorteile auf der Hand. Es gibt eine einfachere Abwicklung, die Effizienz wird gesteigert und der Vertragsabschluss lässt sich schneller bewerkstelligen. Verfügt die Kundin oder der Kunde über eine digitale App, lassen sich jederzeit Anpassungen auf dem Vorsorgekonto vornehmen. Gleichzeitig sind alle Unterlagen digital zugriffsbereit und die Zahlen stehen während der gesamten Laufzeit für Vergleiche zur Verfügung.
Studien zeigen, dass sich die Bevölkerung offen gegenüber dem digitalen Wandel auch in der Altersvorsorge zeigt. Speziell die junge Generation entwickelt eine grosse Affinität vis-à-vis von Online-Lösungen bei der finanziellen Vorsorge.
Trotzdem bleiben die unabhängigen Finanzberater in der ersten Phase des Vorsorge-Zyklus ein wichtiger Pfeiler. Die Vorsorgeprodukte per Smartphone repräsentieren derzeit noch einen Nischenmarkt. Experten gehen für die kommenden Jahre aber von einem raschen Wachstum aus. Mitentscheidend für die weitere Expansion von Direct-to-market-Modellen ist eine kundenfreundliche Vereinfachung von bisher sehr komplexen Abläufen.