Das schweizerische Dreisäulensystem der Altersvorsorge war bisher ein Vorzeigemodell. Im internationalen Vergleich bezüglich Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Vorsorgesysteme gerät die Schweiz jedoch zunehmend ins Hintertreffen. Vor allem zuungunsten der Frauen. Der Gender Pension Gap benennt die Vorsorgelücke, von der Frauen häufig betroffen sind: weil sie nach wie vor vielfach eine andere Erwerbsbiografie haben als Männer, weil sie öfter Teilzeit arbeiten, längere Auszeiten wegen Mutterschaft nehmen oder mehrere Stellen mit geringen Stellenprozenten innehaben.

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Der Schweizer Gender Pension Gap ist global gesehen überdurchschnittlich gross. Frauen erhalten im Schnitt weniger als zwei Drittel der Rente von Männern. Durch die institutionellen Rahmenbedingungen werden diese Lücken verstärkt. Nur wer bezahlte Arbeit leistet, kann in der zweiten Säule für das Alter vorsorgen. Verschiedene Berufs- und Lebenssituationen bergen aber Vorsorgerisiken und damit verbunden Vorsorgelücken. Um diese Risiken zu minimieren und die Lücken zu verkleinern, muss das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) angepasst werden. Im vom Parlament verabschiedeten Reformpaket BVG 21 soll deshalb die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten verbessert werden – das sind derzeit insbesondere Frauen.

Dabei gibt es zwei grosse Stellschrauben, an denen schnell und unkompliziert gedreht werden könnte: bei der Eintrittsschwelle und beim Koordinationsabzug.

Senkung der Eintrittsschwelle

Der Lohn ist in der zweiten Säule nur obligatorisch versichert, wenn damit der Pensionskassenmindestlohn von aktuell 22 050 Franken erreicht wird. Dieser Jahresmindestlohn wird als Eintrittsschwelle bezeichnet. Je nach Anzahl Teilzeitjobs und Verdienst in den einzelnen Anstellungen ist keiner der Löhne im persönlichen Jobportfolio versichert. Kommen Frauen nicht auf den Pensionskassenmindestlohn, müssen sie im Alter mit der Minimalrente aus der ersten Säule, der AHV, auskommen: Mit 1225 Franken ist sodann aber nicht einmal das Existenzminimum abgedeckt.

Mit einer Senkung der Eintrittsschwelle für die zweite Säule könnten viele Frauen zusätzlich in der beruflichen Vorsorge versichert werden. Kommt die Reform durch, lassen sich neu Löhne ab 19 845 Franken in der zweiten Säule versichern.

Um individuell eine Lösung für das Problem der Eintrittsschwelle zu finden, sind Frauen mit mehreren Teilzeitjobs gut beraten, den Gesamtlohn bei einer Pensionskasse zu versichern. Hier müssen die betroffenen Arbeitnehmerinnen mit ihren Arbeitgebern reden und die Versicherung der Löhne verlangen. Bietet keiner der Arbeitgeber Hand dazu, sollten die Arbeitnehmerinnen zur Auffangeinrichtung gehen. Sie ist verpflichtet, die freiwillige BVG-Vorsorge anzubieten. Informiert eine freiwillig versicherte Arbeitnehmerin sodann ihre Arbeitgeber, dass ihr Lohn nach Artikel 46 BVG versichert ist, muss jeder der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge bezahlen, die auf den bei ihm bezogenen Lohn entfallen.

Die Autorin

Yvonne Häring, Mitglied der Geschäftsleitung von Pax, Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft, Basel.

 

Reduktion des Koordinationsabzuges

Weiter soll mit der BVG-Reform auch der Koordinationsabzug reduziert werden. Der Koordinationsabzug, der aktuell 25 725 Franken beträgt, bezweckt, dass die Pensionskasse nur Beiträge auf den Lohnteilen erhebt, die nicht schon durch die erste Säule versichert sind, und garantiert, dass Lohnbestandteile nicht doppelt versichert werden.

Im für die zweite Säule geplanten Reformpaket wird der Koordinationsabzug auf 20 Prozent des für die AHV massgebenden Lohnes gesenkt. Mit der Senkung des Koordinationsabzugs wird sodann auch die Vorsorge von Teilzeitarbeitstätigen deutlich verbessert. 

Attraktive Lösungen zahlen sich aus

Schon heute gibt es Vorsorgeanbieter, die für die angeschlossenen Unternehmen die Möglichkeit vorsehen, den Koordinationsabzug dem Beschäftigungsgrad der Mitarbeitenden anzupassen oder sogar ganz darauf zu verzichten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Arbeitgebende sich im Wettbewerb um die besten Talente und im Kampf gegen den Fachkräftemangel durch spezifische, gerade auf Frauen abgestimmte Pensionskassenlösungen von der Konkurrenz differenzieren können – auch wenn dies höhere Lohnkosten mit sich bringt. Eine optimale BVG-Lösung wird aber zu einem Mehrwert im Wettbewerb auf dem Stellenmarkt. Die BVG-Reform verbessert die Situation für Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich, weil sie Lösungen im Gesetz verankert, die den Schutz durch Anrechnung im obligatorischen Altersguthaben erhöhen.

Wichtig ist aber auch, dass Frauen eine grosszügige und flexible Regelung der beruflichen Vorsorge bei der Wahl des Arbeitgebers als wichtiges Element im Gesamtpaket werten. Und dass sie sich bereits in jungen Jahren mit dem Thema Vorsorge auseinandersetzen. Nur so lassen sich Vorsorgelücken vermeiden oder zumindest minimieren.