- Langfristiger Anlageerfolg hängt von einer gut durchdachten Anlagestrategie und der Beherrschung von Emotionen ab.
- Es ist entscheidend, Risiken realistisch zu bewerten, Marktstress objektiv zu betrachten und Fehlentscheidungen durch Verhaltensverzerrungen zu vermeiden.
- Eine strukturierte Investment Governance und regelmässige Anpassungen unterstützen fundierte Entscheidungen und verhindern unnötige Reaktionen auf kurzfristige Unsicherheiten.
Vermögen werden nicht in Hausse-, sondern in Baissephasen gemacht! Was auf den ersten Blick unsinnig erscheint, hat durchaus Strategie. Denn Chancen und Risiken sind Zwillinge. Kurssprünge gegen oben verursachen aber keine schlaflosen Nächte.
Christof Strässle ist Gründer und Managing Partner der unabhängigen Vermögensberatung Strässle Schumacher AG in Luzern.
Wer jedoch bei Kurseinbrüchen im falschen Moment handelt, vernichtet nachhaltig Vermögen, welches dann in der nächsten Aufwärtsbewegung fehlt. Langfristig erfolgreich Anlegen hat somit viel mit Beherrschen von Emotionen zu tun.
Kenntnis der Anlagestrategie
Der Grossteil des langfristigen Anlageerfolgs wird von der Anlagestrategie bestimmt und folglich von den Entscheidungen, welche Anlageklassen den Weg ins Portfolio finden und welches Gewicht den einzelnen Segmenten beigemessen wird. Abhängig von der Zusammensetzung ergibt sich eine Anlagestrategie mit individuellem Risiko- und Renditeprofil und unterschiedlichen Abhängigkeiten von ökonomischen und politischen (Stress-)Ereignissen. So stellt bei einem auf Schweizer-Franken-Obligationen ausgerichteten Portfolio die hiesige Inflations- und Leitzinsentwicklung einen relevanten Performancetreiber dar. Ein US-Aktienportfolio dürfte hingegen von einem Leitzinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank weitgehend unberührt bleiben.
Mittels Simulationen lässt sich aufzeigen, mit welchen Rückschlägen eine gewählte Anlagestrategie bei extremen Marktentwicklungen rechnen muss und wie lange es dauert, bis allfällige Verluste wieder aufgeholt sind. Sich mit diesen Parametern auseinanderzusetzen und sich entsprechend zu positionieren, ist der Schlüssel dazu, nicht zur Unzeit nervös zu werden.
Marktstress objektivieren
In der langen Frist werden Anleger für das Eingehen von Risiken entschädigt. Folglich ist es nur natürlich, dass im Zeitverlauf die entsprechenden Risiken auch in einer gewissen Regelmässigkeit eintreten. Wichtig ist, diese Risiken beim Eintreten zu objektivieren. Dies geht am einfachsten, wenn man sich im Vorfeld entsprechende Szenarien zurechtlegt und die ökonomischen Wechselwirkungen seiner Investitionen kennt. Eine schriftliche Dokumentation dazu unterstützt den raschen Abgleich im Stressfall. Ist die Kursbewegung im Bereich des Üblichen? Was ist der Auslöser für das Sonderereignis? Ist die Kursreaktion gerechtfertigt und bezogen auf meine Anlage rational nachvollziehbar? Insbesondere negative Entwicklungen erhalten schnell eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit. Hier lohnt sich in der Regel der Blick auf das grosse Ganze und die Konsultation der im Vorfeld skizzierten Szenarien. Haben sich die Rahmenbedingungen und Annahmen fundamental verändert oder liegt unter Umständen eine Überreaktion vor, die sich rasch wieder normalisiert?
Fehlgeleitete Emotionen
«Behavioral Finance» ist seit längerem ein fixer Bestandteil der Finanzliteratur und zeigt gängige Verhaltensverzerrungen im menschlichen Denken und Entscheidungsverhalten auf. Im Zusammenhang mit Anlagen werden diese dann zum Problem, wenn sie zu irratonalen Entscheidungen führen und so den langfristigen Anlageerfolg untergraben. Bei vorübergehenden Unsicherheiten kommen in der Regel mehrere Effekte zusammen. Man gibt aktuelleren Informationen ein übermässiges Gewicht und lässt sich durch die Art und Weise beeinflussen, wie die Informationen präsentiert werden. Gleichzeitig kommen Herdentrieb und die generelle Verlustaversion zum Zug. So werden Verluste stärker gewichtet als äquivalente Gewinne. Relevante Anlageentscheidungen kurz auf potenzielle Wahrnehmungsverzerrungen zu prüfen, kann helfen, Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Entscheidende Investment Governance
Neben der Kenntnis der eigenen Verhaltensweise, Anlagestrategie und möglichen Entwicklungsszenarien ist es wichtig, zu definieren, wann und wie man ausserordentliche Handlungen vornimmt. Dies ist für Privatanleger genauso relevant wie für institutionelle Investoren. Es bietet sich an, Interventionspunkte zu bezeichnen und eine Notfallorganisation zu implementieren. Dies führt erfahrungsgemäss zu einem strukturierten Entscheidungsfindungsprozess. Darüber hinaus kann ein adäquates Controlling und Reporting mit relativer Leistungsmessung helfen, Ergebnisse in den entsprechenden Kontext zu stellen und so zu gewährleisten, dass jederzeit fundierte Entscheidungen gefällt werden. Regelmässige Überprüfungen und Anpassungen der Investment Governance an veränderte Strukturen dürfen hier nicht fehlen. Sich bei strategischen Fragestellungen vom Tagesgeschäft beeinflussen zu lassen, ist nicht zielführend. Umgekehrt kann es sinnvoll sein, sich im Tagesgeschäft Leitplanken zu setzen, um die langfristige Zielerreichung zu unterstützen. Wer keine Glaskugel besitzt, ist zumeist gut beraten, sich nicht von temporären Unsicherheiten beeinflussen zu lassen, die Sachlage zu objektivieren und sich an im Vorfeld definierten Strukturen zu orientieren.
Dieser Beitrag ist Teil des am 24. Oktober 2024 erschienenen HZ-Insurance-Print-Specials «Finanzplanung/Vorsorge».