- Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, KI effektiv zu skalieren, da sie nicht genügend in Schulungsprogramme investieren und oft mit der Definition von Business-Cases kämpfen.
- Ein zentrales Hindernis ist das unzureichende Datenmanagement, das für den Erfolg von KI-Anwendungen entscheidend ist.
- Für eine nachhaltige Implementierung müssen Unternehmen jetzt ihre Mitarbeitenden stärker einbinden, eine klare Strategie entwickeln und effektive Datenpraktiken umsetzen.
Es überrascht nicht, dass zahlreiche Finanzdienstleister in der Schweiz bereits künstliche Intelligenz (KI) und generative KI (Gen AI) in ihre Betriebsabläufe integriert haben, bisher primär, um Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen zu erzielen. Dies geht aus einer Umfrage von EY zu KI im europäischen Finanzsektor hervor. Eher überraschend – wenn nicht sogar besorgniserregend – ist jedoch die Tatsache, dass sich nur 13 Prozent der Befragten in der Schweiz als führend in diesem Bereich einschätzen. Obwohl die Ambitionen der Führungskräfte für ein stärker KI-gestütztes Geschäft höher sind und 21 Prozent angeben, die Einführung von KI im letzten Jahr insgesamt beschleunigt zu haben, befinden sich die meisten Unternehmen, insbesondere bei Gen AI, noch immer in eher frühen, experimentellen Phasen. Entweder wollen oder können also zahlreiche Institute hier im Markt (noch) keine tragendere Rolle spielen.
Roger Spichiger ist Partner und Leader AI Financial Services bei EY Schweiz. Daniel Trzesniak ist Partner und Leader AI & Data Consulting Financial Services bei EY Schweiz.
Obwohl 75 Prozent der Befragten anerkennen, dass die Belegschaft nur eine begrenzte bis gar keine Erfahrung mit den neusten Gen-AI-Technologien hat, haben nur 17 Prozent der Befragten KI-Schulungs- und KI-Weiterbildungsprogramme eingeführt. Ähnliches gilt auch bei der Rekrutierung von entsprechenden Fähigkeiten.
Herausforderung bei Skalierung
Die Definition und Beurteilung des Business-Cases ist eine weitere relevante Herausforderung bei der effektiven Skalierung und Implementierung von KI in der ganzen Breite der Unternehmen. Obwohl das langfristige Potenzial mittlerweile durchwegs als gross und transformativ eingeschätzt wird, tun sich viele Unternehmen mit der Übersetzung in tragfähige Business-Cases aus diversen Gründen schwer. Dies wirkt in einer Zeit, in der vielerorts Kosten immer stärker ins Zentrum rücken und auch die Budgets stärker hinterfragt werden, selbstredend als regelrechter «Show-Stopper».
Nicht wenige Unternehmen positionieren sich daher, wohl auch aus einer gewissen Not heraus, als «Smart Follower». Sie beobachten die Entwicklungen genau, mit dem Ziel, zur richtigen Zeit auf den Zug aufzuspringen. Oft wird dabei vergessen, dass es sich hier um eine Transformation handelt, bei welcher der Aufbau von neuen Fähigkeiten und der damit verbundene wesentliche kulturelle Wandel mindestens ebenso wichtig sind wie ein bestimmtes KI-Tool – wenn nicht noch wichtiger. Diese «Muskeln» werden jedoch nicht von heute auf morgen ausgebildet und können auch nicht zugekauft werden.
Lediglich 8 Prozent der Führungskräfte in der Schweiz geben an, dass ihr Unternehmen auf bevorstehende KI-Regulierungen vorbereitet ist. Nicht förderlich ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch die regulatorische Unsicherheit. Hier wird es wichtig sein, dass die Schweiz auf Gesetzes- und die Finma auf Regulierungsebene den Worten Taten folgen lassen und nicht überregulieren, sondern ein möglichst optimales Gleichgewicht zwischen Finanzplatzstabilität und Innovationsfähigkeit im Sinne der globalen Standortattraktivität finden.
Eine der zentralen Herausforderungen im Zusammenhang mit KI, mit enormem Nachholpotenzial im Schweizer Finanzdienstleistungssektor, ist das effektive Datenmanagement.
Datenmanagement als Schlüssel zum KI-Erfolg
Neu ist das Thema nicht, und es wurde in zahlreichen Systemtransformationen und Analytics-Vorhaben als erfolgskritisches Element erkannt. Mit der immer stärkeren Nutzung von Gen AI bekommt Datenmanagement jedoch nochmals eine andere Dimension und viel grössere Beachtung. Bei der Datenqualität stehen Finanzinstitute oft vor der Herausforderung, dass Inkonsistenzen oder Fehlzuweisungen zu erheblichen Ineffizienzen und Fehlern bis hin zu falschen Entscheidungen führen können. Darüber hinaus erfordern Gen-AI-Anwendungen wie beispielsweise Betrugserkennung, Automatisierung des Kundenservice oder personalisiertere Finanzberatung grosse Mengen an vielfältigen und hochwertigen Daten, um effektiv zu funktionieren. Während KI-System-Architekturdesigns einige Probleme lindern und es Modellen ermöglichen können, auch mit weniger Daten zuverlässige Ergebnisse zu erzielen, bleibt die Qualität der kritische Erfolgsfaktor.
Es gibt Stimmen, welche argumentieren, dass grosse Datenmengen, selbst bei tieferer Qualität, bei Verwendung von fortschrittlichen KI-Techniken wertvolle Erkenntnisse bieten können. Zudem wird der Umgang mit unstrukturierten Daten immer besser gelöst. Nach unserer Erfahrung erzielt man aktuell jedoch mit weniger, dafür qualitativ hochwertigeren und repräsentativeren Datensets immer noch klar bessere Resultate.
Basierend auf einer sauber verzahnten Datenstrategie können Unternehmen durch die Implementierung robuster Datenmanagementpraktiken, inklusive zukunftsfähiger Datenarchitekturdesigns, klarer Rollen und Verantwortlichkeiten sowie transparenter Datentransformationen eine solide und zuverlässige Datenqualität, Konsistenz und Verfügbarkeit gewährleisten. Wichtig: Dies umfasst nicht nur die einmalige Sammlung, Säuberung und Speicherung von Daten, sondern insbesondere auch deren kontinuierliche Überwachung und Validierung, um Anomalien zu erkennen und korrigieren zu können. Die zunehmenden regulatorischen Anforderungen aus den unterschiedlichen Bereichen wie Datenschutz und Datensicherheit, Resilienz sowie zukünftig Open Finance treiben hier «Best Practices» weiter voran.
Effektives Datenmanagement ermöglicht die nahtlose Integration verschiedener Datenquellen und stellt sicher, dass KI-Modelle auf umfassenden und repräsentativen Datensätzen trainiert werden. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Überlegungen zu Ethik, Fairness und möglichem Bias kann die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von KI-gesteuerten Erkenntnissen und Entscheidungen wesentlich erhöht werden. Dies wird mittelfristig die Akzeptanz wie auch das Vertrauen in die KI und damit die Produktivität und Profitabilität erhöhen sowie die Kundenerfahrungen verbessern. Spätestens durch diese Kausalität wird klar, welchen wirklichen Mehrwert diese Disziplin schaffen kann. Gleichzeitig ist es keine Frage des Wollens, sondern stellt eine notwendige Voraussetzung bei der Ausschöpfung des vollen Potenzials von KI dar.
Was es jetzt braucht
Die nachhaltige Implementierung und Skalierung einer sich so schnell weiterentwickelnden Technologie ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines begrenzten Risikoappetits und knapper vorhandener interner Fähigkeiten komplex. Hier sind KI-Governance und regulatorische Compliance wichtige Puzzleteile, aber bei weitem nicht die einzigen. Um langfristig erfolgreich zu sein, bedarf es jetzt einer vertieften und aktiven Auseinandersetzung mit der Thematik auf allen Ebenen und in allen Funktionen der Unternehmen. Der Begleitung und Befähigung der Mitarbeitenden in diesem Wandel muss unbedingt stärkere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Geleitet von einer Strategie, welche den Weg von einem experimentellen Stadium auf Abteilungsebene zu einem orchestrierteren Vorgehen auf Unternehmensebene weist. Die Wertgenerierung muss verstärkt ins Zentrum rücken. Dabei ist effektives Datenmanagement ein unverzichtbares Element eines soliden Fundamentes.