Unser Gesundheitssystem ist eine grossartige Errungenschaft. Doch der einstige Stolz der Nation verkommt immer mehr zum Sorgenkind. Die Gesundheitskosten stehen unrühmlich an der Spitze des Sorgenbarometers, die Schmerzgrenze bei den Prämien ist erreicht. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung bezieht Prämienverbilligungen: Das zeigt deutlich, dass etwas nicht mehr stimmt. 

Der Gastkommentator
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Bei der anhaltenden Kostendiskussion dürfen zwei Faktoren nicht ausser Acht gelassen werden. Erstens müssen wir uns bewusst sein, dass diese Problematik in allen modernen Gesundheitssystemen besteht. Medizinischer Fortschritt ist nicht gratis zu haben – innovative, aber teure Behandlungen werden rege beansprucht. Zweitens muss uns Gesundheit als höchstes Gut etwas wert sein. Das merken wir erst, wenn wir krank sind. Fragen Sie doch fünfzig gesunde Menschen, ob ihre Prämie zu hoch sei. Und dann stellen Sie die gleiche Frage Menschen, die eine Krebstherapie hinter sich haben. Sie werden ganz andere Antworten bekommen. 

Neben den Kosten sollten wir uns verstärkt mit der Qualität und Verfügbarkeit medizinischer Leistungen auseinandersetzen. Was nützt es mir, wenn ich das Geld habe, aber kein Pflegepersonal oder kein Kinderarzt da ist? Ähnlich ist es bei den Medikamenten: Der Engpass bei der Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln hat sich verschärft. Das Problem sind also nicht nur die Kosten, es ist tiefer verwurzelt. 

Rezepte gibt es genug. Es muss endlich eine Diskussion darüber einsetzen, welche Versorgung wir wollen. Die kleinräumige, verzettelte Spitalversorgung ist ein klarer Kostentreiber. Statt 300 Spitäler braucht die Schweiz eine gute Grundversorgung mit dezentralen Strukturen bei Reha und Pflege sowie eine stärkere Konzentration der Akutspitäler. Eine deutlich bessere Koordination zwischen Bund und Kantonen ist dazu unabdingbar. Zudem sollten wir aufhören, ständig Mikromanagement über die Gesetze zu betreiben. Wir haben mittlerweile unzählige Kostendämpfungspakete im Parlament, die primär das System administrativ aufblähen und keinen Mehrwert bieten – schon gar nicht für die betroffenen Menschen.  

Wenn wir den Menschen helfen wollen, müssen wir uns auf unsere urschweizerischen Werte besinnen und zum Gemeinschaftlichen zurückfinden. Solidarität ist eine Grundvoraussetzung für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem. Diese Werte werden in den aktuellen Diskussionen vernachlässigt.

Wir haben jetzt die Wahl, wie wir unser Gesundheitssystem reformieren wollen: Entweder die Politik ändert das System, oder das System verändert sich durch seine Akteure. Als Gesellschaft sind wir gut beraten, die zweite Variante zu wählen.

Ich nehme alle in die Pflicht – auch uns, die Krankenkassen. Wir haben eine soziale Verantwortung. Die Krankenkassen verbinden alle Akteure und agieren als Drehscheibe. Zudem sind sie nah an den Kundinnen und Kunden und kennen ihre Bedürfnisse. Leider haben wir uns in der Vergangenheit immer wieder selbst geschwächt, indem wir im politischen Diskurs nicht mit einer Stimme gesprochen haben. Darum war es an der Zeit, einen neuen, einheitlichen Branchenverband zu lancieren. Ich freue mich, dass das Projekt auf grosse Zustimmung stösst und wir die Branche endlich vereinen können.  

Das Gesundheitswesen ist ein schwieriger Balanceakt zwischen gesellschaftlichem Anspruch und politischer Realität. Wir alle wollen Qualität und eine gute Versorgung – am besten zu einem bezahlbaren Preis. Im Gesundheitswesen geht es nicht um die einzelnen Akteure, sondern um die Menschen. Sie stehen im Zentrum – nicht nur als Prämien- und Steuerzahlende, sondern als Patienten und Stimmbürgerinnen. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen.