Mehr Risikokapital, mehr Finanzierungsrunden: Geht es nach der Höhe der Investitionen in den vergangenen zwei Jahren, ist die Bedeutung der Schweizer Insurtechs deutlich gestiegen. Dies zeigt eine exklusive Auswertung für HZ Insurance zum aktuellen Swiss Venture Capital Report (SVCR), herausgegeben vom Online-Newsportal Startupticker.ch und der Investorenvereinigung SECA in Kooperation mit startup.ch.
Gutes Ergebnis in schwierigem Umfeld
Insgesamt floss 2022 Wagniskapital in Höhe von 3,97 Milliarden Franken an rund 2500 Schweizer Startup-Firmen. Davon gingen 414,3 Millionen Franken an 41 im SVCR-Report gelistete Insurtechs.
Das ist gegenüber 2021, als noch 609,3 Millionen Franken an Jungunternehmen mit konkretem Bezug zum Versicherungsgeschäft verteilt wurden, zwar eine rückläufige Summe. Doch seit 2020 mit 11 Millionen Franken Finanzierung hat sich das investierte Kapital vervielfacht, sagt Co-Studienautor Stefan Kyora, im Gespräch mit HZ Insurance. In einem schwierigen Umfeld von Inflation, Energiekrise, Ukraine-Krieg und volatilen globalen Lieferketten sei dies ein sehr beachtliches Ergebnis.
Kooperieren und investieren
Versicherer betreiben Insurtech Hubs wie Generali mit dem House of Insurtech. Sie beteiligen sich an Acceleratorprogrammen wie Vaudoise oder CSS, werden Kunden von Jungfirmen, unterstützen diese mit Know-how und Versicherungslösungen wie Helvetia oder Pax.
Schweizer Versicherungskonzerne lancieren Pilotprojekte, um Künstliche Intelligenz-Lösungen zu testen, wie Zurich mit dem Startup Sprout.ai. Oder sie kaufen diese auf wie Baloise und Axa, um ihr traditionelles Geschäftsmodell zu ergänzen.
Die Zahl der Finanzierungsrunden nimmt zum
«Investitionen in Insurtechs werden für Finanzierer interessanter und Investitionen in Insurtechs werden relevanter», sagt Stefan Kyora. Das lässt sich auch an der Zahl der Finanzierungsrunden ablesen. Von 46 (Vorjahr: 40) im Jahr 2022 registrierten Finanzierungsrunden für Jungunternehmen waren Schweizer Insurtechs mit 9 Runden (Vorjahr: 11) mit von der Partie. Drei Runden für Insurtechs waren es noch 2020.
Was die Statistik allerdings erst bei näherem Hinsehen enthüllt: Es gibt aktuell einen Top-Star unter den Schweizer Insurtechs: Wefox. Der Zürcher Versicherungsmakler erhielt im vergangenen Jahr mit 392 Millionen den Löwenanteil der 414 Millionen für Insurtechs. «Das spricht angesichts der tendenziell kleiner werdenden Investitionssummen für ein robustes und nachhaltig funktionierendes Geschäftsmodell», sagt Stefan Kyora.
Munich Re unterstützt «Einhorn» Wefox
Als Partner von Wefox Insurance ist die Munich Re mit im Boot. Der Münchner Konzern unterstützt das Insurtech nicht nur mit einer Rückversicherungsabdeckung, sondern auch mit Risiko-Know-how.
Wefox ist mit einer geschätzten Marktkapitalisierung von 4,5 Milliarden US-Dollar, mehr als 1'300 Mitarbeitenden und Standorten in über acht Ländern das mit Abstand grösste Insurtech-«Einhorn» in der DACH-Region. In der Schweiz kommt nach Einschätzung von Experten lediglich noch die Swiss-Re-Tochter Iptiq auf mehr als 1 Milliarde Dollar.
Insurtechs: Smarte Türöffner für jüngere Kundschaft
Die wenigsten Insurtechs stechen mit disruptiven Geschäftsmodellen hervor. Eher dienen sie als digitalisierte Vertriebsplattform, positionieren sich mit modernisierten Produkten als smarter Türöffner für eine jüngere, digital affine Kundschaft. Oft starten solche «Neocarrier» als Corporate Investment auf Projektebene, sind also eng an die Strategie eines Versicherungsunternehmens angebunden.
Mehr Neugeschäft verspricht man sich von Insurtechs, die innerhalb eines Ökosystems mit branchenfremden Anbietern auftreten und für spezifische Kundenbedürfnisse die passende Problemlösung im Portfolio haben. Beispiel: Hausrat- und Haftpflichtversicherungen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Toni Digital hat solche Lösungen gemeinsam mit Migros entwickelt und bietet sie unter dem Label «Migros Versicherungen» als faire Versicherung zum Retailer-Preis an.
Risikokapital sucht nach Anlagemöglichkeiten
Auf der Finanzierungsseite hat das Interesse an den Startup-Investitionen, trotz der sich ändernden Rahmenbedingungen, offenbar nicht abgenomen. So befanden sich etwa per Ende 2022 laut Swiss Venture Capital Report 55 neue Venture Capital-Fonds in der Fundraising-Phase.
Rein bezogen auf die Zahl der Aktivitäten bringen sich Versicherer mehr in der Start-up-Szene ein als die Banken.
Stefan Kyora, Startupticker.ch
Schweizer Versicherungskonzerne treten tendenziell nur wenig als Risikoinvestoren in Erscheinung, sagt Stefan Kyora. Und wenn, dann mit kleineren Summen und bei überschaubaren Wagnis.
Unterstützung von Jungfirmen läuft in der Versicherungsbranche anders. Fakt ist: Es gibt bei allen grösseren Versicherern relativ viel an Inhouse-Aktivitäten und Corporate Investments. Stefan Kyora kommt zu dem Schluss: «Rein bezogen auf die Zahl der Aktivitäten bringen sich Versicherer mehr in der Startup-Szene ein als die Banken.»