Moderne Erwerbsbiografien sind charakterisiert durch Unterbrüche für eine Weiterbildung, Zeit für die Familie oder die Betreuung von Angehörigen – und auch durch Wegzüge ins Ausland. All diese Szenarien haben zur Folge, dass Versicherte ihre Vorsorgeeinrichtung verlassen müssen, bevor ein Vorsorgefall wie Alter, Tod oder Invalidität eintritt. Das Vorsorgevermögen wird damit zum Freizügigkeitsguthaben.
Entscheidet sich jemand, ins EU-/Efta-Ausland wegzuziehen, muss die Pensionskasse des ehemaligen Arbeitgebers klären, wie mit dem Freizügigkeitsguthaben vorgegangen werden soll. Da ein Transfer zur Pensionskasse eines neuen Arbeitgebers nicht möglich ist, werden die Mittel oft bar ausgezahlt oder in eine oder zwei Freizügigkeitseinrichtungen übertragen.
Gelder aus dem BVG-Obligatorium dürfen beim Wegzug jedoch nicht ausbezahlt werden, sofern Versicherte weiterhin obligatorisch der Sozialversicherung eines EU-/Efta-Staates unterstehen.
Pensionskassen in der Pflicht bei Barauszahlung
Viele kennen Personen, die auswandern – und sei es auch nur aus den entsprechenden TV-Formaten. Darunter gibt es diverse, welche nach kurzer Zeit wieder zurück in der Schweiz sind, weil es im Auswanderungsland nicht funktioniert hat. Teilweise haben sie zu diesem Zeitpunkt ihr Vorsorgeguthaben bereits bezogen und vielleicht sogar ausgegeben. Das ist zwar problematisch, kann von den Pensionskassen aber nicht vermieden werden.
Verlangt daher eine Person die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung, kann die Pensionskasse lediglich Dokumente wie die Abmeldebestätigung der Schweizer Wohnsitzgemeinde, eine Wohnsitzbestätigung der ausländischen Gemeinde und eine Kopie des Antragsformulars für die Abklärung der Sozialversicherungspflicht einfordern. Zudem muss die Pensionskasse in der Schweiz lediglich Quellensteuern nach den Tarifen an ihrem Sitz einbehalten, darüber hinaus aber nichts unternehmen – ausser in Fällen, in denen von einem Missbrauch ausgegangen werden muss.
Das Einbehalten von Quellensteuern kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn Versicherte zum Zeitpunkt der Auszahlung bereits im Ausland leben. Es gibt jedoch viele EU-Staaten, die Bezüge von schweizerischen Vorsorgeguthaben mit hohen Steuern belegen. Für Versicherte kann es deshalb vorteilhaft sein, wenn die Auszahlung noch vor dem effektiven Umzug erfolgt. Damit fällt der Quellensteuerabzug weg, dafür muss das ausbezahlte Kapital in der Wegzugsgemeinde versteuert werden.
Steuerlich wie auch rechtlich ist dieses Vorgehen absolut legitim. Pensionskassen sollten Gelder jedoch nicht ohne Bestätigung des Steueramts und ohne Abmeldebestätigung auszahlen, ohne einen Quellensteuerabzug vorzunehmen. Damit sind sie auf der sicheren Seite.
Freizügigkeitsgelder auch in EU privilegiert
Alternativ können die BVG-Gelder in Freizügigkeitsgefässe überwiesen werden. Teilweise ist dieses Vorgehen sogar zwingend, weil beispielsweise vor weniger als drei Jahren Einkäufe in die Pensionskasse vorgenommen wurden und entsprechend die Sperrfrist noch greift. Bei einem Wegzug in die EU müssen in diesem Fall nicht nur die Anbieter von Freizügigkeitslösungen, sondern auch die Versicherten einiges beachten.
Grundsätzlich ist es so, dass schweizerische Vorsorgegelder in Pensionskassen, Freizügigkeits- und Säule-3a-Gefässen auch innerhalb der EU und in den Efta-Staaten steuerprivilegiert sind. Die Schweiz verfährt mit ausländischen Vorsorgegeldern genauso. Die Systeme sind zwar unterschiedlich, aber doch koordiniert. Solange die Gelder in Freizügigkeitsgefässen deponiert sind, erfolgt für gewöhnlich keine Besteuerung des Vermögens und der Erträge und meist besteht auch keine Deklarationspflicht. Vorsorgeanbieter müssen entsprechend auch keinen verschärften Meldepflichten folgen, wenn Versicherte im EU-Ausland wohnen.
Es kommt jedoch vor, dass EU-Staaten versuchen, auf Freizügigkeitsguthaben zuzugreifen. Spanien zum Beispiel argumentiert teilweise, dass es ein privater Entscheid war, die Gelder in der Freizügigkeit zu belassen, wenn die Möglichkeit zur Barauszahlung bestanden hätte. Für Steuerzwecke wird dann von der Fiktion ausgegangen, dass eine Auszahlung erfolgte. Es ist Sache der Versicherten und nicht der Freizügigkeitsanbieter, diese und andere steuerliche Details im neuen Wohnsitzstaat zu klären.
Vorsicht bei gestaffeltem Bezug
Anders sieht es bei der Weitergabe von vorsorgerechtlich relevanten Informationen aus. Es kann beispielsweise durchaus sein, dass bei einem Wegzug ins Ausland die Gelder zur Finanzierung von Wohneigentum nicht zurückbezahlt werden müssen. In diesem Fall muss die Pensionskasse den Freizügigkeitsanbieter entsprechend informieren.
Auch bestehende Scheidungslücken sollten nachgeführt werden. Kehrt eine Person dereinst zurück in die Schweiz und tritt hier wieder eine Stelle an, muss sie die Freizügigkeitsguthaben wieder einbringen und ist darauf angewiesen, dass die relevanten Informationen erhalten bleiben.
Schliesslich sollten sich Auswanderungswillige bewusst sein, dass das Splitting des Vorsorgevermögens im Ausland unter Umständen steuerlich anders behandelt wird als in der Schweiz.
In Frankreich etwa würden zwei Freizügigkeitskonten, die gestaffelt während mehrerer Jahre bezogen werden, typischerweise nicht beide steuerlich privilegiert, sondern nur das erste. Der Bezug des zweiten Freizügigkeitskontos könnte als reguläres Einkommen besteuert werden. Vermeiden liesse sich das höchstens durch einen Bezug sämtlicher Guthaben im selben Moment, allenfalls basierend auf einer entsprechenden Einigung mit der französischen Steuerbehörde.
Dieser Artikel erschien erstmals am 22.3.2023