KMU stehen vor einem Dilemma. Einerseits stellen die konstant wachsenden Kosten von Kollektivversicherungen für Arbeitnehmende eine Herausforderung dar, anderseits steigt der Stellenwert attraktiver Zusatzleistungen über den Lohn hinaus im Wettkampf um talentierte Mitarbeitende. Eine Leistungskürzung zur Reduktion der Kosten sollte daher vermieden werden. KMU mit Präsenz im Ausland sind sich möglicherweise gar nicht bewusst, dass ihnen hierbei eine weitere Möglichkeit offensteht. Internationale Unternehmen haben nämlich die Möglichkeit, den Diversifikationseffekt ihrer über mehrere Länder verteilten Risiken zur Kostenoptimierung zu nutzen.
Das KMU partizipiert am Diversifikationseffekt
Wie funktioniert das konkret? Die Kollektivversicherungen für Arbeitnehmende unterschiedlicher Niederlassungen des Unternehmens werden in einem sogenannten Pool zusammengefasst. Die Policen innerhalb eines Pools kompensieren sich gegenseitig, diejenigen mit positivem Schadenverlauf (Gewinn für den Versicherer) entschädigen diejenigen mit negativem Schadenverlauf (Verlust für den Versicherer). Bleibt, nachdem alle negativen Verträge ausgeglichen worden sind, ein positives Ergebnis übrig, wird dieses an die Hauptniederlassung des Unternehmens als sogenannter internationaler Überschuss ausgeschüttet. Im Umkehrfall, also wenn die Gesamtausgaben die Gesamteinnahmen eines Pools innerhalb eines Jahres übersteigen, wird das Unternehmen nicht zur Kasse gebeten. Der Verlust bei einem Kompensationsausfall bleibt bei den lokalen Versicherern, für das KMU besteht kein Risiko.
Einheitliche Police nicht möglich
Ein Unternehmen kann so durch die virtuelle Konsolidierung der lokalen Policen zu einer grossen Risikogemeinschaft die Versicherungskosten verringern. Nun könnte man fragen: Wieso denn nicht gleich alles mit einer einzigen Police absichern? Dies ist jedoch nicht möglich, da die Ansprüche an Deckungs- und Leistungsumfang von Land zu Land stark abweichen und mit den jeweils üblichen Sozialsystemen harmonieren müssen. Weiterhin bedarf der Versicherungsvertrieb einer Bewilligung des national zuständigen Finanzmarktregulators. Aus diesen Gründen ist pro Land weiterhin ein lokaler Versicherer notwendig. Damit ein Pool geformt werden kann, müssen diese zudem demselben Poolingnetzwerk angehören.
Elias Waldis ist als Relationship Manager für multinationale Unternehmen beim Poolingnetzwerk von Swiss Life Global Solutions tätig. Der Artikel basiert auf seiner Bachelorarbeit im Rahmen eines Studiums in Business Administration mit Vertiefung in Risk & Insurance am Institut für Risk & Insurance der ZHAW. Lukas Stricker ist Dozent am Institut für Risk & Insurance der ZHAW. Er leitet den MAS Insurance Management und forscht zu den Themen Transformation und Nachhaltigkeit im Versicherungswesen. Er hat die Bachelorarbeit betreut.
Auch die Versicherer profitieren
Warum aber sollten Versicherungsunternehmen an einem Netzwerk partizipieren, wenn sie bei positivem Schadenverlauf Marge abgeben müssen, bei negativem aber eventuell auf Kosten sitzen bleiben? Nun, das Gewinn- wie auch Verlustpotenzial des Versicherers wird verkleinert, dies führt langfristig zu einem geglätteten Jahresergebnis und ist im Hinblick auf das Risikomanagement erstrebenswert. Weiterhin unterstützt die Mitgliedschaft bei einem Poolingnetzwerk den Abschluss von Neugeschäft: Das Sparpotenzial eines Pools verbessert sich mit der Risikostreuung, Unternehmen sind also bestrebt, möglichst viele Verträge ihrer Niederlassungen mit den lokalen Versicherungspartnern eines einzigen Poolingnetzwerks abzuschliessen. Ein gut diversifizierter Pool mit fünf bis sechs Verträgen ähnlicher Varianz kann eine Kostenersparnis von 3 bis 8 Prozent pro Jahr erwirtschaften.
Sparpotenzial nicht überall gleich gross
Lohnt sich ein Pool für jedes Unternehmen? Grundsätzlich ja, ein Verlust ist nämlich ausgeschlossen. Alle Risiken verbleiben bei den lokalen Versicherern, und die Verwaltung des Pools durch das Netzwerk wird ebenfalls diesen belastet und nicht dem Kunden. Die bessere Frage wäre, wie stark sich ein Pool für ein KMU lohnt. Es ist unwahrscheinlich, dass ein junges Unternehmen einen ausgeglichenen Pool von relevanter Grösse aufbauen kann, das Sparpotenzial wäre also gering. Ein Pool bietet jedoch noch einen weiteren Vorteil, der gerade für ein rasch wachsendes KMU interessant sein könnte: das Reporting über die gepoolten Verträge. So erhält der Hauptsitz Überblick über die Vorsorgesituation der Mitarbeitenden aller Niederlassungen, und Schadenhäufungen können frühzeitig erkannt werden. Eine solche Lösung zum Nulltarif mit der zusätzlichen Chance auf einen internationalen Überschuss lohnt sich auf jeden Fall.
Alternative Lösungen
Für grössere Unternehmen (ab 3 bis 5 Millionen Franken Gesamtprämienvolumen) gibt es weitere Möglichkeiten. Captives haben ein höheres Sparpotenzial und erlauben eine präzise Kontrolle über Underwriting und Pricing der lokalen Verträge, die Verwaltung ist jedoch aufwändig und bindet viel Kapital. Global Underwriting bietet ebenfalls ein höheres Sparpotenzial, ist jedoch unflexibel, da lokale Verträge mehrere Jahre gebunden werden. Pooling stellt damit gerade für eher dezentral organisierte Unternehmen dieser Grössenordnung ebenfalls ein interessantes Werkzeug dar. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jedes KMU mit internationaler Präsenz von einem Pool profitieren kann, zumindest von einem verbesserten Risikomanagement.