Das Erdbebenrisiko gehört gemäss Einschätzung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (Babs) zu den drei grössten Risiken in der Schweiz – neben Pandemien und Strommangellagen. Zwar ereignen sich Erdbeben mit einer gefährlichen Stärke um eine Magnitude von sechs hierzulande durchschnittlich nur alle fünfzig bis hundert Jahre. Die Auswirkungen auf Menschen, Infrastruktur und Wirtschaft wären aufgrund der mangelnden Erdbebensicherheit allerdings verheerend.
Kosten in der Höhe von bis zu 10 Milliarden Franken
Um die möglichen Auswirkungen zu erfassen, hat der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich 2023 erstmals ein Erdbebenrisikomodell entwickelt. Dieses zeigt, wie oft und wie stark die Erde an bestimmten Orten der Schweiz beben könnte. Berechnet wurde auch, wie sich schwere Erdbeben auf Menschen und Gebäude auswirken und welche Schäden sie anrichten. Besonders hoch wären diese demnach in den Mittellandstädten Basel, Genf, Zürich, Luzern und Bern. In Zürich beispielsweise wäre von bis zu 5000 Todesopfern, 50 000 Schutzsuchenden und Kosten in der Höhe von 10 Milliarden Schweizer Franken auszugehen.
Die Autoren
Dr. Eleftheria Vavadaki, Lead Associate, Catastrophe and Climate Risk Management
Moritz Enderle, Head of Risk & Analytics and Strategic Risk Consulting DACH, WTW.
Für Unternehmen sind Erdbeben Risiken, auf die sie sich vorbereiten könnten. Viele haben das Thema Erdbebenrisiko jedoch noch nicht auf ihrem Radar, andere Naturkatastrophen stehen im Vordergrund. Das kann fatale und existenzbedrohende Folgen haben. Dabei vermitteln Modelle wie das der ETH Zürich deutlich, wie dringend sich Unternehmen, aber auch Bund, Kantone und Gemeinden mit dem Risiko eines verheerenden Erdbebens auseinandersetzen sollten.
Das eigene Risiko quantifizieren
Die Daten- und Risikoanalysetools der Versicherer, Broker und Risikoberater sind weitere Möglichkeiten, die Folgen eines Bebens konkret zu beziffern: Sachschäden, finanzielle Verluste und Auswirkungen auf Lieferketten – welchem Risiko sind einzelne Standorte ausgesetzt? Was wäre der höchstmögliche Schaden? Und vor allem: Wie kann man als Unternehmen Schadenwahrscheinlichkeiten minimieren und Restrisiken dennoch absichern? Individuelle Risikoanalysen und umfangreiche Datenpools liefern die Antworten darauf.
Management von Erdbebenrisiken
Mithilfe von Big Data und kontinuierlich entwickelten Modellsystemen lassen sich verschiedene Schadenszenarien durchspielen, die zeigen, welche Standorte betroffen sind und wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie der erwartbare Schaden wären. Das erlaubt eine datengestützte und strategische Herangehensweise an das Management von Erdbebenrisiken.
Risikopotential gering halten
Mit den Ergebnissen lässt sich zudem ein individuelles Konzept für den Risikotransfer entwickeln. Unternehmen müssen entscheiden, zu welchem Grad sie Risiken selbst tragen können und wie sie ihr Risikopotenzial durch Präventionsmassnahmen möglichst gering halten. Letztere erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine Deckung für das Restrisiko zu erhalten.
Nur ein Minimum an Massnahmen
Teilweise gibt es gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel die Erdbebenbaunorm, welche seit 1989 eine erdbebengerechte Bauweise vorschreibt. Gesetzliche Vorschriften stellen jedoch nur das Minimum an Massnahmen dar – die Organisationen dürfen sich nicht auf diesen ausruhen.
Wachsende Anzahl an Naturkatastrophen
Unternehmen sollten nur für diejenigen Risiken nach Versicherungskapazitäten suchen, die nach Abwägung von Eigentragung und Präventionsmassnahmen noch übrig bleiben. Für die wachsende Anzahl an Naturkatastrophen ist es zwar nicht immer leicht, passende Deckungskonzepte zu einem angemessenen Preis zu erhalten, aber mithilfe von Risikospezialistinnen und Brokern lassen sich Lösungen auf internationalen Versicherungsmärkten finden.
Schnellere Abwicklung
Gefragt sind immer häufiger auch alternative Formen des Risikotransfers. Ein Beispiel dafür ist die ereignisbasierte parametrische Versicherung: Sobald ein in der Police definiertes Ereignis eintritt, wird automatisch eine vertraglich vordefinierte Entschädigung fällig. Das Schadenregulierungsverfahren entfällt und sorgt dadurch für eine schnellere Abwicklung.
Genau richtig versichert
Die Nutzung von Daten und Analysetools ist für eine strategische und optimierte Risikofinanzierung unumgänglich.
Dieses Vorgehen erlaubt es, ein nachhaltiges, risikogesteuertes Risikomanagement zu betreiben und nicht vollständig vom Versicherungsmarkt abhängig zu sein.
Dieser Beitrag erschien erstmals im HZ Insurance Special Unternehmensversicherungen am 12. Oktober 2023.