- Swiss Re Corporate Solutions unterstützt Unternehmen bei der Absicherung von Risiken, die durch Naturkatastrophen, geopolitische Spannungen und datenbezogene Herausforderungen entstehen.
- Innovationen wie KI und Big Data optimieren die Risikobewertung und eröffnen neue Ansätze, während alternative Risikotransfers wie Captives und parametrische Modelle an Bedeutung gewinnen.
- Prävention, präzise Daten und nachhaltige Lösungen stehen im Fokus, um globale Herausforderungen wie Klimarisiken und Cybergefahren zu bewältigen.
Swiss Re Corporate Solutions ist der kommerzielle Versicherungsarm der Swiss Re Group. Sie bieten Versicherungslösungen für grosse und mittelständische Unternehmen an. Bei welchen Themen besteht derzeit erhöhter Diskussionsbedarf seitens Ihrer Kunden?
Aktuell gibt es drei zentrale Themen, die unsere Kundinnen und Kunden besonders beschäftigen: die stetig zunehmenden Schäden durch Naturkatastrophen, die angespannte geopolitische Lage und neue Herausforderungen im Umgang mit Daten. Alle drei Bereiche bergen erhebliche Risiken und haben unterschiedlichste Auswirkungen auf Unternehmen.
Michael Rüsch stiess im Oktober 2020 als Country Head Switzerland zu Swiss Re Corporate Solutions. Im April 2024 übernahm er die Leitung der neu gegründeten Subregion DACH – Deutschland, Österreich und Schweiz. Er verfügt über 25 Jahre Erfahrung im Bereich Unternehmensversicherungen und hat einen Master-Abschluss in Angewandter Psychologie, Leadership und Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Bei Naturkatastrophen und geopolitischen Konflikten steht die Gefahr durch die Unterbrechung von Lieferketten sowie durch Betriebsausfälle im Vordergrund. Im Bereich der Daten liegt der Fokus auf der Sicherheit sensibler Informationen sowie der Herausforderung, die Daten möglichst strukturiert und effizient nutzen zu können.
Mit Fortschreiten der Technologie, etwa künstlicher Intelligenz (KI), ergeben sich neue Chancen, aber auch Risiken für Unternehmen – welche Rolle spielen Versicherer in diesem Spannungsfeld?
Versicherer stehen vor der grossen Herausforderung, einerseits Unternehmen im Umgang mit neuartigen Technologien zu unterstützen und sie gleichzeitig auch vor neuen Gefahren zu schützen. Jede neue Technologie bringt potenziell neue Risiken mit sich, die anfangs oft nur schwer versicherbar sind. Angesichts der rasanten Entwicklungen im KI-Bereich bieten sich aber auch interessante Möglichkeiten, die Wertschöpfungskette zu optimieren und einen Mehrwert für unsere Kundschaft zu generieren. Fortschrittliche KI-Anwendungen werden im Versicherungswesen zum Beispiel eingesetzt für prädiktive Modellierung, Betrugserkennung und automatisierten Kundenservice. Diese Systeme sind oft präziser und effizienter als traditionelle Methoden und verbessern sich durch die rasant zunehmenden Datenmengen kontinuierlich.
Welche Innovationen verspricht KI/Big Data auf der Seite der Versicherer? Wie können Daten genutzt werden, um Unternehmen bei der Risikobewertung und -bewältigung zu unterstützen?
Wir setzen in unserem Schadensmanagement bereits auf KI, insbesondere für binäre und transaktionelle Prozesse, um unsere Mitarbeitenden zu unterstützen. Was die Risikobewertung betrifft, profitieren wir von der langjährigen Expertise der Swiss Re Group im Bereich Naturkatastrophen und Klimawandel, wodurch wir Zugriff auf wertvolle Daten und solide Risikomodelle haben. So können wir Unternehmen die Möglichkeit bieten, ihre eigenen Daten mit einem sogenannten «Digital Twin» zu spiegeln. Dieser digitale Zwilling ermöglicht präzise Modellierungen, etwa im Bereich Climate-Risk-Scoring oder Naturkatastrophenrisiken. Unternehmen erhalten dadurch wertvolle Einblicke, wie sich Risiken über Zeiträume von zehn bis fünfzehn Jahren verändern könnten. Auf Basis dieser Erkenntnisse können sie frühzeitig Gegenmassnahmen ergreifen, um ihre Risiken zu minimieren. So können wir sie mit unserem Know-how bei der Risikoanalyse und Prävention unterstützen.
Auch Compliance-Risiken rücken immer häufiger in den Fokus …
Compliance-Risiken widerspiegeln sich heutzutage vor allem durch regulatorische und gesetzliche Vorgaben insbesondere im Bereich Datenschutz. Unternehmen, die intensiv mit Daten arbeiten, stehen hier vor grossen Herausforderungen. Grundsätzlich sind Compliance-Risiken branchenübergreifend relevant. Neben datenintensiven Unternehmen müssen sich beispielsweise auch Produktionsfirmen mit strengen regulatorischen Vorgaben auseinandersetzen, etwa im Bereich der Produkthaftung oder beim Transport von Gütern. Eine häufige Frage betrifft hierbei die Zulässigkeit von Lieferungen in bestimmte Länder oder die Versicherbarkeit von Produkten in solchen Märkten.
In den letzten Jahren werden auch verstärkt alternative Risikotransfers diskutiert. Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen?
Die steigende Nachfrage nach alternativen Risikotransfers ist auf den in den letzten Jahren stark verhärteten Versicherungsmarkt zurückzuführen. Kombiniert mit der komplexen Risikolandschaft führte dies zur wachsenden Beliebtheit von innovativen Lösungen wie Captives – also die Eigenversicherung durch eine Tochtergesellschaft und Parametrics, die Versicherungsdeckung basierend auf einer vordefinierten Messgrösse. Aufgrund des aktuellen Marktumfelds gehen wir davon aus, dass solche alternativen Risikotransfers in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Für wen ist welche Absicherung geeignet, gibt es bestimmte Umsatzgrössen, ab denen es sich erst lohnt, nach Alternativen zu suchen?
Es ist schwierig, klare Umsatzgrössen festzulegen. In der Regel kann man davon ausgehen, dass grössere Umsätze auch grössere Risiken mit sich bringen. Im Bereich Captives und virtuelle Captives ist eine bestimmte Unternehmensgrösse beziehungsweise ein Mindestprämienvolumen erforderlich, damit sich eine Eigenfinanzierung des Risikos wirtschaftlich lohnt. Viele Grossunternehmen nutzen bereits Captives oder virtuelle Captives, um ihre Risiken flexibler und kosteneffizienter zu managen. Für parametrische Modelle hingegen ist keine spezifische Grösse notwendig. Hier hängt es von der individuellen Risikofinanzierungsstrategie ab.
Was bleibt den Kleinen unter den KMU an Handlungsalternativen in Sachen Risikoabsicherung?
In der Schweiz gibt es immer wieder Bestrebungen, Risiken umfassender und effizienter abzusichern. Vielversprechend sind staatlich organisierte Pool-Lösungen, die sich im Risikotransfer bewährt haben und allen Unternehmen zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind der Elementarschadenpool oder die kantonalen Gebäudeversicherungen. Beide Konzepte beruhen auf einer doppelten Solidarität auf Seiten der Versicherten und den Versicherern, um einen besseren Risikoausgleich bei Elementarschäden zu schaffen. Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel für Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – in erster Linie in der Risikoprävention und weniger im Risikotransfer. Je mehr in die Risikoprävention und das Risikomanagement investiert wird, desto seltener bzw. kleiner werden die Schäden.
Welche Strategie verfolgt Swiss Re Corporate Solutions im Umgang mit neuen Grossrisiken wie etwa Cyber? Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich hier?
Wir gehen tendenziell eher zurückhaltend vor, da sich dort die Risikoqualität von heute auf morgen schlagartig ändern kann. Unter solchen Bedingungen ist es sehr schwierig, nachhaltige Versicherungslösungen zu entwickeln. Ideale Rahmenbedingungen wären solche, die eine breite Teilnahme ermöglichen – sowohl von Versicherungsnehmern als auch von Versicherern. In einer idealen Welt könnten wir durch den Einsatz präziser Daten eine sichere Risikotransferierung von Grossrisiken wie Cyber gewährleisten. Doch je weniger Datenpunkte wir über ein bestimmtes Risiko haben und je schneller sich diese Daten ändern, desto schwieriger wird es, eine fundierte Risikobewertung vorzunehmen.
Welche Trends und Entwicklungen im globalen Versicherungsmarkt beeinflussen derzeit das Risikomanagement von Swiss Re Corporate Solutions am stärksten?
Die Themen, die unsere Kundinnen und Kunden am meisten beschäftigen, beeinflussen unser Geschäft am stärksten. Wichtige Trends wie Inflation und der fortschreitende Klimawandel wirken sich direkt auf unsere Schadenzahlungen aus. Daher ist auch die Energiewende eine Entwicklung, die wir intensiv verfolgen. Neue Energiequellen eröffnen zwar enorme Chancen, bringen jedoch auch neue Risiken mit sich, die es zu managen gilt. Damit wir diesen Wandel erfolgreich begleiten können, müssen wir sowohl in der Risikobewertung als auch in der Entwicklung passender Versicherungslösungen immer einen Schritt voraus sein.
Wie treten wir den Klimarisiken und Katastrophen entgegen, die offenbar unaufhaltsam auf uns zukommen?
Erstens müssen wir präventive Massnahmen ergreifen, um das Risiko von Katastrophen zu minimieren. Zweitens ist es wichtig, dass sich Unternehmen aktiv am Risikotransfer beteiligen. Darüber hinaus können wir alle daran arbeiten, nachhaltiger zu leben. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, der Welt besser Sorge zu tragen – und somit den Herausforderungen des Klimawandels entgegenzuwirken.