Diese stellen sich gegen die Position der Wirtschaftsdachverbände, welche die Reform befürworten. Die Wirtschaftsallianz «Nein zur BVG-Scheinreform» wird angeführt von Gastrosuisse. Dazu gehören auch der Westschweizer Arbeitgeberverband Centre Patronal und kleinere Branchenverbände der Bäckerinnen und Confiseure, der Coiffeurgeschäfte, der Fitness- und Gesundheitszentren, der Tankstellenshops, der individuellen Gastronomie sowie der Fleisch-Fachverband.

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Sie alle wollen sich aktiv für ein Nein an der Urne einsetzen, wie es in einer Mitteilung vom Montag hiess. Die Allianz hat ein Argumentarium und Visuals auf eine neue Webseite aufgeschaltet, um ihre Anliegen zu verbreiten.

Bis zum Abstimmungssonntag werden hauptsächlich Online-Inserate und Werbung auf digitalen Kanälen geschaltet, wie das Komitee auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Ergänzend dazu würden Inserate in gedruckten Zeitungen erscheinen. Das Budget dafür betrage rund 350'000 Franken.

«Unnötige Zusatzkosten»

Die Vorlage führe zu Fehlanreizen beim Sparen und zu mehr Bürokratie und sei deshalb abzulehnen, argumentiert die Wirtschaftsallianz. «Letztlich finanzieren die Versicherten die zusätzliche Umverteilung und unnötigen Zusatzkosten mit ihren Sparbeiträgen», liess sich Esther Friedli, St. Galler SVP-Ständerätin und Vorstandsmitglied von Gastrosuisse, zitieren.

Laut den acht Wirtschaftsverbänden sind die Rentenzuschläge zudem falsch kalibriert und unfair verteilt. Sie bestraften jene, die ihr Leben lang ohne Unterbrechung in die berufliche Vorsorge eingezahlt hätten. Die Reform benachteilige auch Personen, die schon heute von einem tieferen Umwandlungssatz betroffen seien.

«Aussergewöhnlicher Schritt»

Zu den Kernpunkten der Vorlage gehört die Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Pro 100'000 Franken Alterskapital würden damit statt wie heute 6800 Franken noch 6000 Franken Rente ausbezahlt.

Die Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse und Arbeitgeberverband bezeichnen die BVG-Reform als «überfällig» und setzen sich für ein Ja am 22. September ein. Mit der Vorlage schliesse man eine massive Rentenlücke für Teilzeitangestellte und tiefe Einkommen, führen sie ins Feld.

Dass nun acht Wirtschaftsverbände ausscheren und eine eigene Nein-Kampagne lancieren, freut insbesondere den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der das Referendum gegen die Reform der zweiten Säule anführt. Dieser Schritt sei «aussergewöhnlich», sagte SGB-Medienchef Urban Hodel auf Anfrage.

Zwar unterschieden sich die Argumente der beiden Nein-Komitees teilweise. Die Hauptaussage sei jedoch die Gleiche: «Mit der Reform bezahlt man mehr und bekommt weniger, das geht unter dem Strich nicht auf.»

Laut Hodel haben sich in der Wirtschaftsallianz speziell von der BVG-Reform betroffene Branchen zusammengeschlossen. «Bei ihnen sind die Kosten und die Rentenverluste für die Angestellten am grössten.» Sie hätten nun realisiert, dass eine schlechte Vorlage zur Abstimmung komme.

«Normaler Diskurs»

Wenig überrascht reagierte Politologe Urs Bieri vom Forschungsinstitut gfs.bern. Der Kampf einer Wirtschaftsallianz für ein Nein zur Reform zeige einzig, dass die Wirtschaft in dieser Frage gespalten sei. «Es gibt nicht die Wirtschaft.»

Die Betroffenheit bei dieser Reform sei dermassen unterschiedlich, dass unterschiedliche Positionen innerhalb der Wirtschaft zu erwarten seien. «Das ist ein normaler Diskurs, wie er immer wieder vorkommt.»

Laut Bieri scherte beispielsweise der Bauernverband in den vergangenen Jahren regelmässig aus, wenn es um internationale Handelsbeziehungen ging. Ausserdem gebe es in der Europafrage seit Längerem auseinandergehende und konträre Positionen in der Wirtschaft.

Bei grossen und komplexen Reformpaketen wie jenem zu den Pensionskassen gebe es systembedingt viele Gründe für Kritik, sagte Bieri. «Je mehr in einem Paket drin ist, desto mehr Widerstand regt sich.» Jedoch könnten Paketlösungen auch die Kompromissbereitschaft erhöhen, wie dies etwa bei der erfolgreichen AHV-/Steuervorlage der Fall gewesen sei. (sda/hzi/ps)

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