Nestlé-CEO Paul Bulcke gibt sich alle Mühe, Optimismus zu verbreiten. So schwärmte er von «solidem, breit abgestütztem Wachstum», als er Anfang August die Halbjahreszahlen seines Konzerns verkündete. Zur Freude der Anleger kündigte Bulcke milliardenschwere Aktienrückkäufe an.

In einem Interview sprach er zudem über das riesige Potenzial der Gesundheitsbranche: Nestlé hat jüngst Galderma übernommen, einen Hersteller von Haut- und Pharmaprodukten. Mit der neu gegründeten Marke Nestlé Skin Health will der Nahrungsmittelriese nun auch auf dem Gesundheitssektor Fuss fassen. Bulckes Botschaft: Das gewohnte Wachstum des Konzerns wird auch in Zukunft gesichert sein.

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Kurs reagiert auf Prognosen

Bulckes Worte haben die Aktionäre erreicht. Allein in den vergangenen vier Wochen trieben sie den Kurs der Nestlé-Aktie um 6,5 Prozent nach oben. Wie lange sich der Aufwärtstrend an der Börse noch fortsetzen wird, ist allerdings ungewiss. Denn Bulckes Optimismus zum Trotz sieht es für Nestlé nicht rosig aus. Umsatz und Gewinn schrumpften im ersten Halbjahr 2014. Und auf neue Geschäftsfelder wie den Gesundheitssektor ist der Konzern dringend angewiesen, denn das Kerngeschäft mit Lebensmitteln lahmt.

Der Konzern wächst längst nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren. So wie Nestlé geht es auch anderen Konsumgüterkonzernen, etwa Danone. Der französische Lebensmittelmulti sucht nach Expansionsmöglichkeiten, um auf Wachstumskurs zu bleiben. Analysten betrachten Konsumgüteraktien zunehmend mit Skepsis. Sie erwarten, dass die Rally der vergangenen Jahre bald zu Ende geht.

Ein Muss für jedes Depot

In den zurückliegenden Krisenjahren haben Investoren gern zu Konsumgüteraktien gegriffen. Denn die Papiere haben den Ruf, ein Muss für jedes Depot zu sein. Sie gelten als schwankungsarm, bieten attraktive Dividendenrenditen und dank dem konjunkturunabhängigen Geschäftsmodell der Konzerne auch die Aussicht auf stetes Gewinnwachstum.

«Die Rally der Konsumgüteraktien war allerdings in erster Linie der Unsicherheit über die Auswirkungen der Finanzkrise geschuldet», sagt Thomas Bartels, Analyst der Vermögensverwaltung Consulting Team. Eine ordentliche Dividendenrendite, verbunden mit einem soliden Geschäftsmodell, sei für zahlreiche Anleger Grund genug für einen Kauf von Nestlé-Aktien und anderen Konsumgütertiteln gewesen.

Sehr hoch bewertet

Das Interesse der Anleger hat allerdings dazu geführt, dass Konsumgüteraktien nun zum Teil sehr hoch bewertet sind. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) etwa der Nestlé-Aktie beträgt rund 20, Gleiches gilt für Konkurrenten wie Danone, Unilever und Mondelez. «Die Bewertungen haben inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht und sind den Gewinnsteigerungen deutlich vorausgelaufen», sagt Consulting-Team-Analyst Bartels. Nennenswertes Kurspotenzial bietet die Konsumgüterbranche nach Ansicht vieler Analysten deshalb nicht mehr. In ihren Augen sind viele Titel trotz grundsätzlich guter Konzernführung schlicht zu teuer.

Zumal es der Konsumgüterbranche trotz Erschliessung neuer Geschäftsfelder und zum Teil boomender Marken wie Nespresso an Neuheiten mangelt. «Abgesehen von Bier mit Ingwergeschmack sucht man vergebens nach Innovationen», meint Klaudius Sobczyk, Leiter Asset Management beim Finanzdienstleister PEH Wertpapier. Wenn die neuen Produkte überhaupt Käufer finden. Viele Konsumenten greifen mittlerweile verstärkt zu günstigen No-Name-Artikeln statt zu den teuren Edelmarken der Lebensmittelriesen. Qualitätsunterschiede gibt es in vielen Fällen nämlich nicht. In den Industrieländern ist der Konsumgütermarkt zudem gesättigt, für die Lebensmittelriesen ist dort kein nennenswertes Wachstum mehr möglich.

Schwellenländer wachsen

Einziger Wachstumsmotor für die Konsumgüterhersteller sind die Schwellenländer. Unilever etwa erzielt gut 60 Prozent seiner Einnahmen in Asien. Allerdings geht es auch dort mittlerweile langsamer voran – wenngleich der Kauf von Konsumgütern in den Schwellenländern langfristig ein Trend bleiben wird. Viele Menschen in Emerging Markets werden wohlhabender. Das steigert nicht nur die Konsumfreude, sondern auch die Ansprüche an die Qualität von Lebensmitteln. Riesige Zuwächse wird das Schwellenländer-Geschäft den Lebensmittelmultis künftig aber nicht bescheren, so die Meinung der Marktbeobachter.

Derzeit raten nur wenige Analysten zum Kauf von Nestlé-Aktien. Langfristig birgt die Branche ihrer Ansicht nach zwar noch Potenzial. Euphorisch gibt man sich aber auch nicht, zumal die globale Konjunktur anzieht und Anleger in solchen Phasen oft lieber zyklische Aktien als Konsumgütertitel kaufen. Wer schon in Konsumgütertitel investiert hat, sollte sich auf Kursrücksetzer oder seitwärtslaufende Kurse einstellen. Eine solche Phase kann durchaus mehrere Jahre dauern.