Handelskonflikte und eine schwächere Weltkonjunktur haben die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal schrumpfen lassen. Das Bruttoinlandprodukt des wichtigsten Handelspartners der Schweiz fiel von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Das kommt eigentlich nicht überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten ebenfalls mit minus 0,1 Prozent gerechnet. Zum Jahresauftakt war Europas grösste Volkswirtschaft noch um 0,4 Prozent gewachsen.

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Schrumpft die Wirtschaft in diesem Quartal erneut, sprechen Experten von einer «technischen Rezession». Zwei Minus-Quartale in Folge gab es zuletzt um den Jahreswechsel 2012/13.

«Konjunktur auf der Kippe»

Die Gefahr einer Rezession beziffert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) derzeit auf 43 Prozent. «Deutschlands Konjunktur steht auf der Kippe», sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien

«Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft kommt seit einem Jahr nur noch im Kriechgang vorwärts», kommentiert auch der Deutschland-Chefvolkswirt der Bank UniCredit, Andreas Rees. Für die zweite Jahreshälfte und auch für 2020 gebe es viele Unsicherheiten: «Neben Brexit ist das vor allem der Handelsstreit USA-China und mögliche US-Zölle auf europäische Autos

Mit den neuen Zahlen erweist sich ausgerechnet die wirtschaftliche Führungsnation als Schlusslicht in der Euro-Zone. Insgesamt war das BIP dort im zweiten Quartal um 0,2 Prozent gewachsen.

«Keine Besserung in Sicht»

Als Stützpfeiler für Deutschlands Konjunktur bleibt die immer noch robuste Entwicklung am Arbeitsmarkt: Dies meint Uwe Burkert, der Chefökonom der LBBW. Nur: Auch diese Kraft scheine nachzulassen. «Geht man nach den Warnsignalen, welche fortlaufend seitens der Frühindikatoren ausgesandt werden, ist im dritten Quartal keine Besserung in Sicht und eine technische Rezession in Deutschland somit greifbar.»

Die Unternehmen seien nun in der harten konjunkturellen Realität angekommen, analysiert Martin Wansleben; er ist der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer DIHK: «Dabei ist derzeit keine Wende in Sicht. In der DIHK-Konjunkturumfrage berichten die Betriebe von einem deutlich verdunkelten Ausblick. Die Geschäftserwartungen gehen in allen Branchen zurück.»

Es ist auch eine Standortfrage

Das Problem sei aber auch hausgemacht: Das sagt der KMU-Vertreter. Für Mittelstandspräsident Mario Ohoven liegt ein wesentlicher Grund für die drohende Rezession «in der falschen Prioritätensetzung der Bundesregierung. Statt endlich die notwendigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen zu treffen, um das Schlimmste zu verhindern, wird über neue Steuern und die Grundrente diskutiert.» Ohoven fordert nun ein Sofortprogramm – mit tieferen Arbeitslosenbeiträgen, einem Freibetrag bei der Bemessung der Sozialabgabe, kürzeren Abschreibungsfristen, einer Senkung der Steuern und dabei einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags.»

Googleanfragen nach Rezession in Deutschland

Welche Rezession? – Google-Suchen in Deutschland nach dem Begriff «Rezession» seit August 2014.

Quelle: Screenshot Google

Allerdings hatte sich Kanzlerin Angela Merkel gerade gestern gegen solche Ideen ausgesprochen: «Ich sehe derzeit keine Notwendigkeit für ein Konjunkturpaket», sagte sie am Dienstag an einer Veranstaltung in Strahlsund (mehr dazu). Die Bundesregierung rechnet für 2019 insgesamt mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. 2018 hatte es noch zu einem Plus von 1,4 Prozent gereicht.

(Reuters | rap)

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