Die Talfahrt an den Aktienmärkten der Volksrepublik China ist gestoppt. Trotzdem erwartet Börsenexperte und Gründer des US-amerikanischen Datenanbieters DeMark Analysis Tom DeMark Abgaben von 14 Prozent, in den kommenden Wochen. Andere Marktbeobachter nennen keine Zahlen, zeigen sich aber ähnlich pessimistisch – zumindest kurzfristig. Nach dem massiven Kurssturz sollten Anleger also noch nicht auf Schnäppchenjagd gehen, warnen sowohl die Schweizer Grossbank UBS als auch der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock sowie Schwellenländer-Guru Mark Mobius vom Fondsanbieter Franklin Templeton.
Grund für die jüngsten Entwicklungen an Chinas Börsen ist vor allem verfehlte Spekulation. Die Hausse wurde von immer neuen Wetten auf noch stärkere Kurssteigerungen getrieben. Die chinesische Regierung trommelt von jeher dafür, dass die Bürger der Volksrepublik in Aktien investieren.
Regierung ergreift Massnahmen
Doch damit die Strategie der Regierung aufgeht, müssen die Kurse an Chinas Aktienmärkten dauerhaft oben bleiben. Deshalb ergriff die chinesische Regierung Massnahmen, um genau das zu gewährleisten. Unter anderem initiierte die Börsenaufsicht CSRC mit Geld der Zentralbank ein umfangreiches Aktienkaufprogramm. Das Vertrauen der Privatanleger in den gelenkten Aufwärtstrend scheint aber nicht allzu gross zu sein – sie nahmen in Scharen Gewinne mit, statt langfristig investiert zu bleiben. Hinzu kam, dass ausländische Investoren seit Beginn der Turbulenzen mehr als 6 Milliarden Dollar aus China abgezogen haben. Der Kursabsturz war die logische Folge.
Die Regierung stemmt sich weiterhin gegen Kursverluste. So dürfen Anleger, die mehr als 5 Prozent der A-Aktien eines Unternehmens halten, diese sechs Monate lang nicht verkaufen. Zudem erhielten börsenkotierte Unternehmen die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen – mehr als 1400 Aktien können deshalb derzeit nicht gehandelt werden. «Ähnliche Beispiele aus der Vergangenheit deuten darauf hin, dass unter Umständen weitere Einbrüche vermieden werden können», sagt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt bei Erste Asset Management. Einen nachhaltigen Kursanstieg könne eine staatliche Intervention allerdings nicht herbeiführen.
«Nicht fundamental verändert»
Derzeit herrscht vielmehr allgemeiner Pessimismus vor. Nur auf längere Sicht halten Analysten ausgewählte Aktien aus der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt nach wie vor für ein attraktives Investment. «Die guten Investitionsaussichten haben sich nicht fundamental verändert», sagt Laura Luo, Anlagestrategin beim Fondsanbieter Barings. Mittel- bis langfristig hätten chinesische Titel somit ein höheres Aufwärtspotenzial als momentan.
Andere Marktbeobachter sehen die Lage ähnlich. «Insgesamt sollten Anleger auch bei den aktuellen Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt die aussichtsreichen Perspektiven nicht vergessen», erklärt Matthew Sutherland, Asien-Experte bei der Investmentgesellschaft Fidelity. Letztlich bleibe China ein Land, das sich weiterhin rasant entwickle. Das Wachstum werde längerfristig vom Konsum der Bevölkerung und von den Reformen seitens der Regierung vorangetrieben.
Anleger brauchen starke Nerven
Anleger brauchen allerdings starke Nerven, wenn sie den Einstieg in chinesische Aktien wagen. Die Wirtschaftsdaten waren zuletzt schwach, auch wenn die Wirtschaft des Landes unter dem Strich kontinuierlich weiterwächst und laut Prognosen im Jahr 2030 die USA als grösste Volkswirtschaft der Welt ablösen wird. Im laufenden Jahr soll das chinesische Bruttoinlandprodukt laut OECD-Prognose nur noch um rund 7 Prozent wachsen. Verglichen mit den prozentual zweistelligen Wachstumsraten der vergangenen Jahre ist das wenig.
Erschwerend kommt hinzu, dass Chinas Finanzmarkt im Vergleich zu den Kapitalmärkten anderer Staaten unterentwickelt ist. So ist es für das Anlegervertrauen nicht hilfreich, dass drei unterschiedliche Aktiensorten existieren: A-, B- und H-Aktien. A-Aktien sind in erster Linie für die Chinesen selbst und ausländische Profi-Investoren gedacht, B-Aktien sind für die Ausländer vorgesehen und H-Aktien werden in Hongkong gehandelt. Eine Vereinheitlichung wäre ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung der Handelsplätze.
Japan und Europa den Vorzug geben
Weniger nervenaufreibend und kurzfristig gewinnversprechender sind derzeit Titel aus Europa und Japan. «Zwar wird die US-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte weiterhin die Wachstumsraten anderer Industrieländer übertreffen, japanische und europäische Aktien haben aber die besseren Chancen auf Kurssteigerungen», ist Suneil Mahindru, CIO bei Goldman Sachs Asset Management, überzeugt.
Gründe dafür seien vor allem die lockere Geldpolitik der japanischen und europäischen Notenbanken, schwache Währungen sowie die Chance auf höhere Unternehmensgewinne.