Wer aktive Investitionsentscheide fällt, kann eigentlich nur verlieren: 95 Prozent der in der Schweiz verkauften aktiv verwalteten Fonds haben es nach Kosten in den vergangenen fünf Jahren nicht geschafft, ihren jeweiligen Referenzindex zu schlagen. 95 Prozent! Das zeigt eine Studie des Indexanbieters S&P Dow Jones Indices. Es erstaunt daher nicht, dass das passive Anlegen – mit Exchange Traded Funds (ETF) oder Indexfonds – in den vergangenen Jahren so sehr an Beliebtheit gewonnen hat.
1971 lancierten William Sharpe und Bill Fouse das erste entsprechende Finanzprodukt, den «Samsonite Pension Fund» – angeregt durch den Erben des Koffer-Imperiums. Mittlerweile ist Blackrock (iShares) der weltweite Marktführer. Per Ende 2015 waren in den USA 2,1 Billionen Dollar in ETF angelegt, in Europa waren es 510 Milliarden und in Asien 243 Milliarden. Passive Anlagen versuchen gar nicht erst einen Referenzindex zu schlagen, sondern bilden diesen möglichst exakt ab, zu möglichst tiefen Kosten. Doch weshalb überhaupt einen Index abbilden?
Breite Streuung zählt
Rendite und Risiko sind untrennbar miteinander verknüpft. Der Nobelpreisträger Harry Markowitz erklärte 1952 in seiner modernen Portfoliotheorie, dass der Schlüssel zur Optimierung der Rendite-Risiko-Struktur in der Diversifikation liegt, also einer breiten Streuung von Anlageklassen und einzelnen Positionen. Indizes weisen ebendiese Streuung auf und sind zugleich ein gutes Abbild des Gesamtmarktes. Somit sind Indizes – verpackt als Finanzprodukt – prädestiniert für Anleger, die in einen bestimmten Bereich investieren wollen. Das ist exakt das Gegenteil von dem, wie Warren Buffett anzulegen pflegt. Er plädiert für Konzentration – also auf Einzeltitel. Klumpenrisiken waren und sind sein Schlüssel zum Erfolg.
Da die meisten Anleger allerdings nicht so ein feines Gespür wie Buffett für aussichtsreiche Engagements haben, halten sie sich besser an Markowitz’ Erkenntnisse. Die andere wichtige Erkenntnis beim Anlegen ist: Gebühren sind der einzige prognostizerbare Faktor. Über längere Zeiträume sind hohe Kosten der Renditevernichter Nummer eins.
Langfristig am besten
Wer über ein frei investierbares Vermögen von unter 500 000 Franken verfügt, sollte ausschliesslich auf ETF setzen. Damit fahren Privatanleger langfristig am besten. Aus drei Gründen: Erstens wird nicht versucht, den Markt zu schlagen. Anleger – seien es Profis oder Private – überschätzen ihre Prognosefähigkeit chronisch. Zweitens sind die Kosten von passiven Anlagen wesentlich tiefer, als das der Fall ist bei aktiv verwalteten Fonds. Drittens ist das Portfolio so breit diversifiziert.
Sechs wichtige Fakten zu passiven Anlagen:
1. Wie ETF funktionieren – physische oder synthetische Replikation
Ein ETF bildet einen Index möglichst exakt ab. Das kann getan werden, indem alle Titel des Index entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht gekauft werden. Dann wird von einer vollständigen Replikation gesprochen; wird der Index nur mit einer repräsentativen Auswahl nachgebildet, ist von einer Sample-Replikation die Rede. In beiden Fällen trägt der Käufer kaum ein Gegenpartei und Abwicklungsrisiko – die Ausnahme: Der Anbieter verleiht einen Teil der Wertpapiere aus dem ETF, um einen Zusatzertrag zu erzielen. Viele Anbieter sehen aber davon ab.
ln diesem Fall wird der Index über ein Swap-Geschäft repliziert. Die UCITS-Richtlinien beschränken den Einsatz von Derivaten auf 10 Prozent, die im schlimmsten Fall auf dem Spiel stehen, obwohl ETF geschützte Sondervermögen ausserhalb der Konkurmasse darstellen.
2. Dividenden – ausschüttend versus thesaurierend
Im Fall von ausschüttenden ETF werden die Dividenden periodisch an die Anleger ausbezahlt. Erträge aus Kapitalanlagen müssen als Einkommen versteuert werden. Wird der ETF vor der Ausschüttung verkauft, kann die Steuer vermieden werden. Es bleibt einzig der Kapitalgewinn oder -verlust. Achtung: Dann fällt die Stempelsteuer an (0,0075 Prozent auf ETF mit Domizil Schweiz/0,15 Prozent mit Domizil Ausland).
Thesaurierende ETF reinvestieren die Dividenden. Das ist attraktiv, denn die Anleger müssen das nicht selbst tun, wenn sie den Dividendenertrag weiter anlegen wollen. Auch hier fallen Einkommenssteuern an. Es ist darauf zu achten, dass die Erträge und der Kapitalgewinn separat ausgewiesen werden, sonst muss unter Umständen der Kapitalgewinn ebenfalls versteuert werden.
3. Gebühren – jeder Basispunkt zählt
Die Total Expense Ratio gibt die vom Anbieter verrechneten Gebühren an. Sie sollte nicht mehr als 10 bis 20 Basispunkte (100 Basispunkte = 1 Prozent) pro Jahr betragen. Fehlender Wettbewerb kann ein Grund für höhere Kosten sein. Es gibt auch komplexere Produkte wie Short- und Leverage-ETF oder solche, die auf Hedgefonds oder Private-Equity-Indizes fussen, die deutlich teurer sind. Wir empfehlen, nicht in solche Produkte zu investieren.
Die Spanne zwischen Geld- und Briefkurs ist ebenfalls ein Kostenpunkt, den es zu beachten gilt. Die SIX Swiss Exchange stellt kostenlos eine Market Quality Metrics für ETF zur Verfügung. Dort kann der durchschnittliche Spread nachgeschaut werden. Zudem sollten ETF auf ausländische Aktienindizes nur dann gehandelt werden, wenn diese Märkte auch offen sind. Das ist in der Regel etwas günstiger, als wenn die Märkte geschlossen sind.
4. Anbieter – klein, aber fein
ln der Schweiz werden Vermögenswerte von rund 5,5 Billionen Franken verwaltet. Davon entfallen rund zwei Drittel auf Aktien und Fonds. Per Ende 2015 waren rund 910 Milliarden Franken in Fonds angelegt. Die in ETF verwalteten Gelder errreichten Ende März 2016 einen Stand von 73,5 Milliarden Franken. Der Markt ist – trotz -rasantem Wachstum im letzten Jahrzehnt – also noch überschaubar.
UBS und iShares (2014 wurde das ETF-Geschäft der Credit Suisse übernommen) dominieren den Markt. Letztere haben im ersten Quartal des laufenden Jahres den höchsten Umsatz mit ihren Produkten erzielt. Ingesamt 21 Anbieter haben Produkte an der SIX Swiss -Exchange kotiert, 23 Market Maker stellen Kurse. An der Schweizer -Börse können ETF in acht -Währungen gehandelt werden – eine Spezialität der Börse.
5. Auswahl – Preisindizes meiden
Mit der Beliebtheit von ETF stieg auch die Anzahl verfügbarer Indizes. Das macht die -Auswahl des individuell passenden Produkts nicht leichter. Wichtig ist vor allem, keine ETF auf -Preisindizes zu kaufen, denn diese enthalten keine Dividenden. Preisindizes werden vor allem von strukturierten Produkten verwendet. Bei klassischen ETF ist das eher unüblich. Das Kürzel
«TR», ausgesprochen Total Return, weist darauf hin, dass die Dividenden berücksichtigt werden.
Beim SMI dominieren bekanntlich die grossen drei – Nestlé, Novartis und Roche. Mehr als 60 Prozent des Indexgewichts entfällt auf sie. Da ist der SLI intelligenter aufgebaut. Die grössten vier Titel werden bei 9 Prozent Indexgewicht gekappt, die restlichen 26 Mitglieder bei 4,5 Prozent. Dennoch findet der SLI nicht so viel Anklang. Zu Unrecht, wie wir finden.
6. Smart Beta – ETF für Profis
Die meisten bekannten Indizes werden nach Marktkapitalisierung gewichtet, sprich, das wertvollste Unternehmen erhält
das grösste Gewicht. Das ergibt durchaus Sinn, schliesslich soll ein Index einen Markt oder ein Segment möglichst so darstellen, wie die «Kräfteverhältnisse» auch sind. Allerdings sind solche Indizes in ihrer Charakteristik eher prozyklisch. Aktien,
die gut laufen, erhalten immer mehr Gewicht.
Soll ein Index weniger prozyklisch sein, kann er etwa gleich gewichtet werden. Damit -erhalten auch kleine Gesellschaften ein grösseres Gewicht. Diese Gewichtung wird mit dem Faktor «Grösse» bezeichnet. Andere Smart-Beta-Faktoren sind «tiefe Volatilität», «Wert» oder «Dividenden». Im schwierigen Umfeld zu Jahresbeginn haben sich «tiefe Volatilität»-ETF sehr gut geschlagen. Sie sind eher für Profis und weniger für Private geeignet.
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