Absturz des Nikkei in Japan. Der Dax rauscht in die Tiefe. Der SMI ist tiefrot. Europas Börsen sind in Ausverkaufsstimmung. Die Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse überschlagen sich an diesem schwarzen Börsentag wie immer, wenn irgendwo auf der Welt auffällige Kursbewegungen festgestellt werden.
Heute ist Japan der Auslöser: Über 7,3 Prozent verlor der Nikkei-Index – so viel wie seit über zwei Jahren nicht mehr, damals am Tag der Wiederaufnahme des Handels nach der Fukushima-Katastrophe. Das ist an einem «ganz normalen» Börsentag sehr viel – und der Grund ist nicht technischer Natur: keine superschnelle Datenleitung, welche die Kurse durcheinandergewirbelt hat, kein Händler, der einen falschen Knopf erwischte.
Es sind vielmehr Sorgen über den Nachbarn: Chinas Volkswirtschaft, ihres Zeichens die zweitgrösste der Welt, soll laut Berechnungen der Grossbank HSBC einen Einkaufsmanagerindex aufweisen, der kein Wachstum mehr signalisiert. Eine Befürchtung, die bei genauem Hinsehen so neu eigentlich nicht ist.
Fragezeichen hinter Bernanke
Als zweiter Grund für den Nippon-Mini-Crash werden Aussagen des amerikanischen Notenbankchefs Ben Bernanke genannt, die keine klaren Rückschlüsse auf die weitere Geldpolitik in den USA gegeben haben sollen. Zur Erinnerung: Stunden zuvor war die Meldung «Bernankes Aussagen treiben SMI auf ein Mehrjahreshoch» über die Agenturen getickert...
Und wer hat nun recht? Wie immer an der Börse gilt es die Frage zu klären, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist. Dass in einer Phase, in der die Märkte weltweit von Rekord zu Rekord jagen, die Absturzhöhe laufend zunimmt, ist logisch.
Reinigende Gewitter
So gesehen kann die heutige Börsenreaktion auch als das gewertet werden, wovor selbst die optimistischsten Experten in den vergangenen Wochen immer wieder gewarnt haben: kurzfristige Rückschläge. So sah Sarasin-Investmentchef Burkhard Varnholt im Gespräch mit handelszeitung.ch zahlreiche Gewitterwolken – und prophezeite für den Sommer «eine willkommene Kurskorrektur».
Sehr wahrscheinlich ist die heutige Kurskorrektur erst der Anfang einer ganzen Reihe von kleinen Gewittern. Wie in der Meteorologie ist ihnen auch an der Börse eine Eigenschaft gewiss: Sie reinigen die Luft. Mit anderen Worten: Übertreibungen werden weggespült.
Mit Geld geflutet
An den grundsätzlichen Voraussetzungen für eine positive Börsenentwicklung hat sich nämlich – Bernanke hin oder her – nichts geändert: Vorerst wird der Markt fast global weiter mit Geld geflutet, denn alles andere wäre für den nach wie vor stotternden Wirtschaftsmotor Gift. Dies umso mehr, als dass die grösste Gefahr einer expansiven Geldpolitik, die Inflation, weit und breit nicht in Sicht ist.
Hektik ist zum jetzigen Zeitpunkt ein schlechter Ratgeber. Ohnehin haben sich viele Privatanleger nach der Finanzkrise noch nicht an das Thema Aktien herangewagt. Zumindest einem gefallenen Engel der vergangenen Tage kann die Börsenkorrektur nur recht sein: Einige der Investoren scheinen Gold als Versicherungspolice gegen den ganz normalen Wahnsinn an den Aktienmärkten wiederentdeckt zu haben.