Es ist wirtschaftlich zweitrangig, dass die Schweizer Börse Six schon in wenigen Tagen nicht mehr gleich behandelt werden soll. Aber es ist politisch brisant oder – je nach Sichtweise – auch brandgefährlich. Aber im Grunde geht es ohnehin nicht um die Schweiz.

Dies zusammengedrängt der Tenor der Kommentare, die sich am Tag danach zum Thema finden. Gestern liess die EU-Kommission durchsickern, dass Broker aus der EU nicht mehr in der Schweiz mit Aktien handeln dürfen, falls diese Aktien auch an einer EU-Börse kotiert sind.

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NZZ: «Zelebrierte Empörung»

Dass es dabei schlicht um politischen Druck geht, wiederholt die NZZ in ihrer Einschätzung: «Die Verweigerung der unbefristeten Anerkennung hatte von Anfang an nichts mit Mängeln der Schweizer Börsenregeln zu tun», schreibt Hansueli Schöchli: «Die Sache war nur ein politisches Druckmittel, um die Schweiz zum Abschluss eines Rahmenabkommens zu motivieren.»

Und: «Die EU verknüpft eine an sich technische Frage mit politischen Forderungen, dies kommt in der Schweiz als Erpressung an und löst im Bundesberner Polittheater zelebrierte Empörung aus.»

Wenn die Anerkennung der Schweizer Börse durch die EU Ende Juni ausliefe, sei dies denn auch nicht weiter tragisch, so die NZZ: «Auch EU-Kommissar Hahn kam zum Schluss, dass keine grossen wirtschaftlichen Verwerfungen zu erwarten seien. Was aber bleibt, ist die politische Symbolik des EU-Druckversuchs. Die EU will die Schweiz auf den Pfad der Einsicht bringen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist eine andere Frage.»

«Trotzkopf-Logik»

Der Fall selber scheint also begrenzt, mehrere Kommentatoren befürchten aber nun eine Art Wettrüsten: «Es ist beunruhigend, dass Brüssel und Bern inzwischen nach Trotzkopf-Logik agieren», schreibt Fabian Renz in den Tamedia-Medien. Konkret: «Nun wäre der Wegfall der Börsenäquivalenz an sich nicht allzu tragisch. Der Bundesrat hat schon vor Monaten ein juristisches Abwehrmanöver vorbereitet, das den Schaden für den hiesigen Handelsplatz begrenzen dürfte. Wirklich beunruhigend ist, dass beide Seiten inzwischen nach Trotzkopf-Logik agieren. Dass die EU die Schweizer Börse zur Geisel machte, damit hat es angefangen.»

«Brüssel ist bereit, die Schweiz zu bestrafen, indem es seinen Zugang zum europäischen Finanzmarkt blockiert. Dies zur Warnung an Grossbritannien.»

«The Times», London

FDP-Politiker und Banker Hanspeter Portmann nannte im «Echo der Zeit» auf Radio SRF ein konkretes Beispiel: «Es existiert das Risiko, dass die EU ab kommendem Jahr die Aktualisierung des Abkommens über den Abbau technischer Handelshemmnisse blockiert.» 

Eine Frage ist also, ob und wie sich die gefährliche Spirale umgehen liesse, die sich hier abzeichnet. Wozu ein Unternehmer einen recht trockenen Vorschlag machte:

International wurde der «Warnschuss» aus Brüssel vor allem im Lande des Brexit beachtet. Für die britischen Medien ist klar, dass hier allerlei Zusammenhänge wirken. Das Nein zur Börsenäquivalenz sei «besonders relevant fürs Vereinigte Königreich», schreibt etwa die «Financial Times»: «Es wird für die EU ein Drittland, das wie die Schweizer Äquivalenz für seinen Finanzsektor benötigt, um nach dem Brexit Zugang zu den EU-Märkten zu erhalten.»

«Ähnliche Drohungen»

Fast gleich sieht es der «Telegraph», ferner die US-Newsagentur «Bloomberg», während die «Times» in London es noch direkter formuliert: «Brüssel ist bereit, die Schweiz zu bestrafen, indem es seinen Zugang zum europäischen Finanzmarkt blockiert. Dies zur Warnung an Grossbritannien, dass man beim Brexit keine Kompromisse eingehen wird.»

Oder anders: Es geht ohnehin nicht um die Schweiz, es geht um den Finanzplatz London. Auch der «Express» befürchtet, dass Brüssel «ähnliche Drohungen bei einem künftigen Finanz-Dienstleistungs-Abkommen zwischen Grossbritannien und der EU einsetzen könnte.»

Und so ziehen diverse «Brexiteers» den neuen Entscheid aus Brüssel ihrerseits als Beispiel dafür heran, was von einer Partnerschaft mit Brüssel zu halten ist – gern unter Verwendung des Wortes «bullying», also «drangaliseren» oder «mobben»: