Für Dividendenjäger ist das Frühjahr stets eine sehr lukrative Zeit. Dann nämlich halten die Unternehmen ihre Generalversammlungen (GV) ab und beschliessen dort die Höhe der Dividenden. Also den Teil des im Vorjahr erwirtschafteten Gewinns, den sie nach der Beschlussfassung direkt an ihre Eigner auszahlen.
Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2018 dürften sich die erwarteten Dividendenzahlungen von Schweizer Unternehmen auf gut 50 Milliarden Franken belaufen. Fast alle hierzulande kotierten Gesellschaften planen eine Erhöhung ihrer Ausschüttung.
Für Anleger lohnt es sich daher, jetzt nicht nur auf steigende Aktienkurse zu setzen, sondern sehr gezielt die geplanten Dividendenausschüttungen zu prüfen. Immerhin resultierte in den letzten zwanzig Jahren gemäss Berechnungen von UBS Chief Investment Office – Global Wealth Management die Hälfte der Gesamtrendite des Swiss Performance Index (SPI) aus den Dividendenzahlungen. Damit die Dividendenjagd erfolgreich endet, gilt es jedoch einiges zu beachten:
Geldsegen auch in der Baisse
Dividenden sorgen für ein stetes und sicheres Einkommen vor allem für konservativ ausgerichtete Anleger, die klassisch defensive Dividendenaktien wie Roche, Nestlé oder ABB im Portfolio haben. Bei ihnen fliesst der Geldsegen auch in Zeiten, in denen die Kurse auf Talfahrt sind, was einer der grössten Vorteile dieser Papiere ist. Da die meisten Auguren für 2019 eine nachlassende Dynamik an den Börsen erwarten, bietet sich nun ein guter Zeitpunkt, um auf dividendenstarke Titel umzuschichten.
«Wenn die Märkte nicht so gut laufen, schneiden dividendenstarke Titel im historischen Vergleich meist besser ab als der Gesamtmarkt», sagt Thomas Heller, CIO der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, sind gemäss Heller derzeit Swisscom, Zurich und Adecco. Sie verfügen über gute Fundamentaldaten und können es sich deshalb leisten, kontinuierlich hohe Dividenden auszuschütten. Genau deswegen werden diese Titel auch von der breiten Investorenschaft in ruppigen Börsenzeiten gesucht.
Laut Berechnungen von Lorenzo Biasio, Aktienanalyst der Credit Suisse, hätten Anleger mit einem Portfolio aus dividendenstarken Titeln sogar die Dotcom-Krise Anfang des Jahrtausends nach wenigen Monaten überstanden, während der Gesamtmarkt ja bekanntlich auf Jahre im Minus blieb.
Baisse weniger heftig
Nach einer so heftigen Baisse wie damals sieht es derzeit an den Märkten zwar nicht aus, aber die Prognosen für das aktuelle Jahr stimmen nicht gerade euphorisch. Zwar sei ein positiver Ausgang des Handelskriegs zwischen den USA und China bereits grösstenteils eingepreist, sagt SZKB-CIO Thomas Heller. Doch sollte es entgegen der allgemeinen Erwartung keine rasche Einigung geben, könnte das die Märkte gehörig durchschütteln, so der CIO.
Hinzu kommt eine für das zweite Halbjahr signalisierte Abschwächung des Wirtschaftswachstums in Europa, der Schweiz und China. «Angesichts eines schwächeren Konjunkturumfelds tritt das Gewinnwachstum als Haupttreiber für Aktienkurssteigerungen in den Hintergrund und die Dividende wird als Beitrag zur Gesamtrendite wichtiger», sagt auch Takis Spiliopoulos, Leiter Investment Research der Bank Vontobel. Dies, obwohl es theoretisch keine Rolle spielen sollte, ob ein Unternehmen die Dividende an die Aktionäre auszahlt oder in den weiteren Geschäftsgang investiert.
Renditen von mehr als 7 Prozent
Bei der endgültigen Auswahl der Dividendenaktien wäre es jedoch fahrlässig, allein auf die Dividendenrendite zu achten. Denn eine hohe Dividendenrendite allein reicht zur Beurteilung nämlich nicht aus. Hohe Renditen von mehr als 7 Prozent sollten den umsichtigen Anleger sogar hellhörig werden lassen, da sie auch darauf hindeuten können, dass der Aktienkurs unter Druck geraten ist, weil das Unternehmen operativ in Schwierigkeiten steckt. Solche sogenannten High-Dividends-Strategien sind mit einem höheren Risiko verbunden als sogenannte defensive Dividendenstrategien.
Bei diesen spielt vor allem die Stabilität und die Kontinuität der Dividendenzahlungen eine grosse Rolle. «Die jährliche Dividende eines Unternehmens sollte möglichst nie gekürzt, sondern im Idealfall kontinuierlich von Jahr zu Jahr erhöht worden sein», sagt Bernhard Lüthi, Co-Manager des Defensive-Dividend-Fonds von UBS Asset Management. Als gutes Beispiel für einen solchen Fall gelten in der Schweiz die Genussscheine von Roche.
Doch Vorsicht, nicht nur das Wieviel, sondern auch das Woher ist ein wichtiges Entscheidungskriterium: «Es gibt Unternehmen, die schon aus Imagegründen die Dividenden aus ihrer Substanz zahlen», warnt Takis Spiliopoulos von Vontobel. Gesund sei eine Ausschüttung aber nur, wenn Unternehmen wirtschaftlich dazu in der Lage seien, die Dividenden aus dem operativ erwirtschafteten Gewinn an ihre Eigner zu verteilen, wie es zum Beispiel Swiss Life oder Swiss Re tun.
Dividenden wie Zinscoupons
Zudem erfreuen sich dividendenstarke Aktien in den letzten Jahren einer wachsenden Beliebtheit, weil die Ausschüttung in Zeiten historisch niedriger Zinsen eine willkommene Einkommensquelle darstellt. Sie haben sich zu einer Art Obligationenersatz gemausert, bieten sie doch einen stabilen Geldzufluss, ähnlich dem des Zinscoupons in früheren Zeiten.
Doch auch dieses historische Tiefzinsniveau wird einmal ein Ende finden. In Europa und der Schweiz rechnen Experten in diesem Jahr zwar noch nicht mit einem Zinsschritt wie in den USA, aber irgendwann werden auch auf unserem Kontinent die Zinsen die Nulllinie wieder nach oben verlassen.
Was aber nicht bedeutet, dass defensive Dividendentitel dann über Gebühr leiden. «Unsere Analysen der vergangenen sechs bis sieben Zinserhöhungsphasen haben gezeigt, dass dividendenstarke Titel auch in Zeiten steigender Zinsen dem Markt nicht hinterherhinken», sagt Aktienanalyst Biasio. Auf seiner Empfehlungsliste «Defensive Dividends» finden sich die Schweizer Papiere von Georg Fischer und Swiss Life.
Insbesondere die Schweizer Unternehmen scheinen diesbezüglich auf der sichereren Seite. «Sie haben ihren Verschuldungsgrad in der Vergangenheit nicht in dem Masse erhöht wie Unternehmen in anderen Märkten», berichtet Bernhard Lüthi von der UBS, der die Chancen für dividendenstarke Schweizer Titel auch wegen des erwarteten Gewinnwachstums im deutlich einstelligen Prozentbereich und einer Ausschüttungsquote von 54 Prozent sehr positiv einschätzt.
Roche, Zurich und ABB in Top Ten
Unter den Top Ten der «hochwertigen Schweizer Dividendentitel» weist der Swiss High Dividend-Fonds von UBS Asset Management per Ende Januar 2019 die Titel von Roche, Zurich und ABB aus. Die grössten Risiken für den Erfolg einer Dividendenstrategie sieht der Fondsmanager denn auch nicht im makroökonomischen Umfeld. Das sei seit der letzten Finanzkrise eine permanente Herausforderung für alle Marktteilnehmer.
Spezifische Risiken bei der Auswahl von Dividendenaktien bestünden eher in der fehlerhaften Einschätzung eines Unternehmens bezüglich seines Gewinnwachstums und seiner Ausschüttungen. Hier gelte es für Anleger, so seine Empfehlung, genaue fundamentale Analysen aufzustellen.
Der Schweizer Aktienmarkt ist zudem für ein weiteres Phänomen bekannt: «Am Tag des Dividendenabgangs sinkt der Aktienkurs um den Dividendenbetrag, dafür wird die Ausschüttung dem Investor auf das Konto gutgeschrieben. Vom Depot aufs Konto – rechte Tasche, linke Tasche», erklärt Thomas Heller. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dieser Dividendenabgang in den Kursen in relativ kurzer Zeit wieder wettgemacht wird. Echte Dividendenjäger haben daher auch immer den Blick auf den Kursverlauf gerichtet. Auch hier lassen sich Schnäppchen machen.