Volatilität oder Schwankungsbreite ist eine Schlüsselgrösse der Finanzmathematik. Wichtige Modelle zur Risikomessung in der Finanzmathematik basieren auf der zentralen Annahme, dass Veränderungen über einen kurzen Zeitraum von Vermögenswerten wie Aktien «normal» verteilt sind, sich also nach der gaussschen Glockenkurve richten: Dabei sind kleine Veränderungen 
sehr viel häufiger also grosse.

Diese Annahme wurde mit dem Buch «The Black Swan» allerdings als fehlgeleitet entlarvt: In der Realität sind extreme Veränderungen deutlich häufiger 
als in der Normalverteilung vorausgesehen. Man denke etwa an die Aufhebung des Euro-Mindestkurses vom 15. Januar letzten Jahres. Solche Events lösen eine Volatilität aus, die in 
den gebräuchlichen Modellen als extrem selten in Betracht gezogen wird.

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Falsche Wahrnehmung

Allerdings stimmt die Wahrnehmung nicht, wonach wir in einer sehr risikoreichen Zeit leben. Die Volatilität in vielen Anlageklassen ist seit Jahren sogar ausserordentlich tief.

Der amerikanische Aktienmarkt hat sich seit 2009 zwar rund verdreifacht, aber der Aufwärtstrend verlief sehr kontinuierlich: Der S&P 500 verharrt seit fünf Monaten in einem Band von plus/minus 3 Prozent. Der Volatilitäts-Indikator VIX, der die gehandelte Volatilität auf den S&P 500 erfasst und als Fear Index betitelt wird – er ist mit 12 extrem tief. Ist es also nur eine gefühlte Unsicherheit? Oder die Ruhe vor dem Sturm?

Gefühlte und tatsächliche Volatilität

Experten wie Thorsten Hens, Professor am Zürcher Bankeninstitut, unterscheiden zwischen der gefühlten und der tatsächlichen Volatilität. «Wie beim Wetter, wo es eine gefühlte und eine tatsächliche Temperatur gibt, gilt das auch für die Volatilität.» Dies habe vor allem damit zu tun, dass Abweichungen nach unten deutlich mehr schmerzten als Ausschläge nach oben: «Da die Leute unter Verlusten stärker leiden als sich an Gewinnen zu erfreuen, ist die gefühlte Volatilität höher als die wirkliche Volatilität.» Denn bei der reellen Volatilität werden Ausschläge nach oben und unten symmetrisch gewertet.

Gleichzeitig weckt die Erfahrung, dass die Politik der Zentralbanken unverblümt Einfluss auf Assetpreise nimmt und dadurch Volatilität unterdrückt, ein ungutes Gefühl. Die Vermutung liegt nahe, dass die Volatilität geradezu explodieren könnte, sollte das Vertrauen in die Omnipotenz der Zentralbanken dereinst schwinden oder sollen die Zentralbanken von sich aus den Kurs ändern. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses liefert dazu das Paradebeispiel. Fixierte Preise, wie sie für das Währungspaar Franken/Euro galten, können in extrem hohe Volatilität umschlagen, wenn sich ein neuer Preis im freien Markt finden muss. Ereignisse wie die «kastrierten» Bankomaten in Griechenland erinnern uns daran dass «Risiko» eine ganz neue Bedeutung bekommen kann.

Diversifikation auf höherer Stufe

Ein Anstieg von Volatilität ist auf die Länge sicher zu erwarten – entsprechend ist man mit Diversifizierung gut beraten. Diversifikation innerhalb eines Portfolios mit verschiedenen Vermögenswerten ist allerdings nur ein Teil. Diversifikation sollte auch auf höherer Stufe betrieben werden und neben Wertschriften auch Realwerte umfassen.

Neben dem Halten von Eigentum in elektronisch gesicherter Form ist auch physische Aufbewahrung für manche Vermögenswerte sinnvoll. Und schliesslich gehören auch Anlagen selbst in exotischen Emerging Markets in grössere Portfolios. Weiter sind Landbesitz, Immobilien im Ausland oder andere nichtkorrelierte Assets sinnvoll, um sich vor einem Extremereignis zu schützen.

Future-Kontrakte zur Diversifikation

Für Thomas Signer, Chief Investment Advisor beim Family Office Valueworks, sind auch Futures-Kontrakte ein spannendes Diversifizierungsinstrument. Futures-Märkte erlauben es, direkt im Commodity-Bereich aktiv zu sein, ohne diese physisch zu beziehen. Futures-Märkte sind auch in Krisen immer liquid geblieben. «Die Preisbildung ist darüber hinaus sehr transparent und effizient, da sie mit einem grossen Volumen einhergeht zu absolut tiefsten Kosten.» Er weist zudem darauf hin, dass die Volatilitäten in sehr vielen Assetklassen jetzt sehr tief sind und entsprechend das Exposure gegenüber Märkten günstig ist.

Kleinanleger sind historisch immer in der Rolle der Zahler von Prämien. «Damit sind sie allerdings in Zeiten hoher Volatilität schlecht bedient», so Signer, «denn wenn die Volatilität hoch ist, bezahlen sie einen hohen Preis. Jetzt, wo die Volatilität tief ist, sind Absicherungsstrategien mit Optionen relativ günstig.»