Keine Ausländer bitte! Das galt bislang für die Börsen in Shanghai und Shenzhen. Ausländer durften an den beiden Finanzplätzen der Volksrepublik nicht investieren. Nur einige institutionelle Anleger durften ein wenig mitmischen, allerdings auch nur so viel, wie ihnen die chinesische Finanzaufsicht über eine Quote zugestand.

Das soll sich nun ändern. Das «Shanghai-Hongkong Stock Connect»-Programm soll in Kürze in Kraft treten und wird ausländischen Investoren erlauben, über einen Broker in Hongkong Aktien in der Volksrepublik zu kaufen. Chinas Börsen werden damit Teil des weltweiten Aktienmarktes.

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Eine kleine Revolution

Wenige Tage vor dem erwarteten Start des Programms fehlen allerdings noch wichtige Informationen. Dennoch ist schon jetzt klar, dass das Programm einer kleinen Revolution gleichkommt.

Zunächst werden es rund 590 Firmen sein, deren Aktien Anleger künftig sowohl in Shanghai als auch Hongkong kaufen können. Wie bei den Programmen für institutionelle Anleger, so wird es auch für das «Shanghai-Hongkong Stock Connect»-Programm zunächst eine Quote geben.

Handelswährung ist der Renminbi

Papiere im Wert von 300 Milliarden Renminbi, umgerechnet rund 38,5 Milliarden Euro, werden maximal pro Jahr von Ausländern in Shanghai gehandelt werden können.

Sie müssen dafür über einen Broker gehen, der Mitglied der Hongkonger Börse ist. Die Handelswährung ist der chinesische Renmimbi. «Künftig können nicht mehr nur die institutionellen Investoren ihr Geld in China anlegen, sondern alle, Kleinaktionäre und auch Hedgefonds», freut sich Cindy T. Chen, Leiterin der Wertpapier-Abteilung bei der Citibank in Hongkong.

Viele Unsicherheiten bleiben

Doch das Programm funktioniert auch in die andere Richtung. Investoren aus Festland-China dürfen dann ihrerseits Aktien aus dem Hang Seng Index in Hongkong erwerben, zunächst ist hierfür ein tägliches Handelsvolumen von 10,5 Milliarden Renminbi, umgerechnet etwa 1,35 Milliarden Euro, vorgesehen. 226 Titel stehen den Käufern aus der Volksrepublik zur Verfügung.

Dennoch bleiben viele Unsicherheiten und Beschränkungen. «Ein deutscher Privatkunde wird nicht direkt beim Start des Programms die Möglichkeit haben, an der Börse Shanghai in Einzelaktien zu handeln», sagt Thorsten Heidt, zuständig für Aktien und Rohstoffe bei der Commerzbank in Hongkong. «Ein Investment in China an der Börse Shanghai bleibt auch nach der Etablierung des Programms komplex, da ein Konto in sogenannten Offshore-Renminbi geführt werden muss.»

Finale Vorschriften sind noch nicht veröffentlicht

Ähnliche Einwände hat auch Cindy T. Chen von der Citibank. «Die Regulierungsbehörden haben die finalen Vorschriften für das Programm noch nicht veröffentlicht», sagt sie. «Wir wissen noch nicht einmal, wann genau es losgeht.» Sie schätzt, dass die Behörden das Programm nach den chinesischen Feiertagen Anfang Oktober starten.

Ungeklärt ist bislang auch, welche Kapitalertragsteuer zu zahlen ist und welche Stimmrechte ausländische Investoren haben werden. Bislang gewährt die Volksrepublik Ausländern bei den in China gehandelten Aktien, den sogenannten A-Aktien, keine Stimmrechte. Auch bei der Abrechnung gibt es Schwierigkeiten, denn Shanghai und Hongkong haben unterschiedliche Abrechnungszyklen, was zu Risiken für die Käuferseite führen kann.

Einige Investoren werden fern bleiben

«Die Unterschiede zwischen Shanghai und Hongkong im Bezug auf Preisgrenzen, Blockhandel, Leerverkäufe und Handelsdauer werden sicherlich einige Investoren abhalten», sagt Oliver Rui, Professor für Finanzen und Accounting an der China Europe International Business School (CEIBS) in Shanghai.

Einige dieser Schwierigkeiten werden sich nach Einschätzung von Experten nicht direkt lösen lassen. «Internationale Investoren werden deshalb einen längeren Zeithorizont im Hinterkopf haben müssen», sagt Edward Tse, der viele Jahre das China-Geschäft von Booz & Company leitete und jetzt Chef der Shanghaier Unternehmensberatung Gao Feng ist. Das gilt auch für die Ahndung von Insiderhandel: Noch unterscheiden sich die Gesetze in Shanghai und Hongkong hier ganz erheblich.

Programm kann Markt transparenter machen

Experten wie Edward Tse und Oliver Rui sind aber optimistisch, dass das Programm börsennotierte Firmen in China auf Dauer dazu bringen wird, sauberer zu arbeiten und zu bilanzieren. «Das Programm kann den Markt sehr viel transparenter und effizienter machen», sagt Finanzprofessor Rui.

Mark Mobius, Analyst für Schwellenländer bei Franklin Templeton, glaubt zudem, dass die ausländischen Anleger dazu beitragen können, die Transparenz der chinesischen Firmen, die oft zu wünschen übrig lässt, zu verbessern. Und das wiederum hätte unmittelbare Folgen. «Wir glauben, dass diese Reforminitiativen helfen, das Vertrauen der inländischen Anleger in den Markt für A-Aktien zurückzugewinnen.»

Nachwehen der Finanzkrise

Dieses hatte nach Finanzkrise heftig gelitten, nach anfänglicher Euphorie liessen viele Chinesen in den vergangenen Jahren die Finger von Aktien. Seit der Ankündigung des Programms im April hat die Zuversicht der chinesischen Anleger jedoch deutlich zugelegt, der Shanghai Composite Index steigt seit fünf Monaten wieder.

Banker Thorsten Heidt warnt jedoch vor verfrühtem Optimismus. «Das Programm ändert die Bewertungen der jeweiligen Aktien nicht und wird auch nicht dazu führen, dass die Bedenken im Markt, die zu einer konservativen Bewertung einzelner Aktien in Shanghai geführt haben, hinweggewischt werden.» Langfristig sei aber zu erwarten, dass chinesische Aktien profitieren werden, sollten sie in weltweite Aktienindizes aufgenommen werden.

Nur ein Teil von Xi Jinpings Reformen

Zudem ist das Programm nur ein Teil der Reformen, die die Regierung von Präsident Xi Jinping derzeit durchführt und die zu einer weiteren Öffnung der chinesischen Finanzmärkte führen sollen. Ein anderes Vorhaben betrifft die staatlichen Unternehmen: «Die Provinzregierungen wurden angewiesen, kleinere Firmen, die sich in ihrem Besitz befinden, zu privatisieren», nennt Horst Löchel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, als weiteres Beispiel.

Solche Firmen könnten dann über kurz oder lang auch an der Börse landen. Zudem gebe es enormen Druck auf die Firmen, die zwar an der Börse, aber mehrheitlich nach wie vor im Staatsbesitz sind. «Auf sie wird gehöriger Druck ausgeübt, wirtschaftlicher und effizienter zu werden und vor allem auch Dividenden zu zahlen.» Dies käme letztlich auch privaten Aktienbesitzern zugute.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.