Wenn Caroline Gruosi-Scheufele ein Stück der Haute-Joaillerie-Kollektion von Chopard zeigt, dann fangen ihre Augen an zu leuchten. Mit Enthusiasmus und Begeisterung erzählt sie davon, wie sie beim Anblick eines aussergewöhnlichen Edelsteins wie elektrisiert ist. Wie ein Stein geradezu zu ihr spricht und wie schwer es ihr manchmal fällt, ein solch liebgewordenes Exemplar zu verkaufen. Die Co-Präsidentin von Chopard – das merkt man schnell – liebt kostbare Diamanten.
Ein «Grundstück in der Westentasche»
Sieht sie in ihnen mehr als pure Schönheit? Zum Beispiel den materiellen Wert? Der wurde während der Finanzkrise als sichere Anlage, als Möglichkeit der schnellen Wertsteigerung und als Investition beworben, die gegen Inflation und Währungsschwankungen gefeit sei. Salopp nennt man den Diamanten «Grundstück in der Westentasche», da man grosse Werte mit Leichtigkeit aufbewahren und transportieren kann. Den Eindruck einer guten Kapitalanlage unterstreicht der Diamond-Prices-Index, der die Wertentwicklung durch die Informationen von Tausenden Händlern aus der ganzen Welt ermittelt und in den vergangenen Jahren kontinuierliche Preissteigerungen festgestellt hat. Je nach Grösse und Schliff des Steins zum Teil im mehrfachen, zweistelligen Prozentbereich.
Wie sieht das die Schmuckexpertin von Chopard, Genf? «Für mich selbst ist der Diamant ein Traumobjekt», sagt Gruosi-Scheufele. «Ich möchte ihn lieber am Finger tragen und könnte ihn nie als reine Geldanlage oder blosses Investment ansehen. Anderseits weiss ich auch, wenn ich einen Diamanten besitze, dass ich ihn morgen verkaufen könnte.»
Auch andere Juweliere und Schmuckexperten sehen im Diamanten eher ein emotionales denn ein gewinnbringendes Gut. «Wir bei Christie’s raten Kunden stets, Diamanten nicht ausschliesslich als Wertanlage zu betrachten, sondern als etwas, das man trägt, geniesst und in Ehren hält», sagt Jean-Marc Lunel, Leiter der Schmuckabteilung bei Christie’s in Genf. Er erklärt: «Es stimmt, dass Diamanten ihren Wert über die Zeit behalten. Allerdings erzielt das Kaufen und Handeln nur mit dem Ziel des Investments nicht immer die Rendite, die mancher erwarten mag. Das hängt vom jeweiligen Ankaufspreis, von der Nachfrage nach genau dieser Qualität und Grösse und von der Stärke des Marktes zum Zeitpunkt des Verkaufs ab. Aber im Geniessen und Tragen von Schmuck bekommt man im emotionalen Sinn einen wesentlich höheren Erlös.»
Auch Rolf Zibung, Diamanteinkäufer der Bucherer AG, Luzern, hält nichts von Diamanten als reiner Geldanlage: «Ich finde es jammerschade, wenn ein Stein nach dem Schleifen in ein finsteres Schliessfach wandert und sein Funkeln im Dunkel versiegt», sagt der Diamantspezialist. Dennoch stelle der Stein eine gewisse Sicherheit dar, sagt Zibung: «Der Diamant ist einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige Edelstein, den man immer zu Geld machen kann. Letztendlich hängt aber alles von Angebot und Nachfrage ab. Nichtsdestotrotz ist es um einiges einfacher, einen Diamanten zu Geld zu machen als irgendeinen anderen Edelstein.»
Das ist für den Laien jedoch nicht ganz unkompliziert, denn das Investment in Diamanten hat seine Tücken. Anders als bei Gold gibt es keine festen Preise, die auf der ganzen Welt gelten. Zudem ist der Kauf eingeschränkt, da zum Beispiel die Diamantenbörse in Antwerpen nur zugelassenen Händlern vorbehalten ist. Diese verkaufen die Steine an Schmuckhersteller und Juweliere; kauft man bei diesen, müssen deren Margen mitbezahlt werden.
UBS und CS mischen nicht mit
Das Internet hat allerdings mehr Transparenz geschaffen. So kann man bei Online-Händlern wie Blue Nile Preislisten einsehen, in denen Diamanten verschiedenster Schliffe, Graduierungen und Grössen aufgeführt sind. Dennoch fehlt – anders als bei Gold – ein allgemein zugänglicher Handel, dem ein Stein zu fixen Konditionen zum Rückkauf angeboten werden kann. Banken wie die UBS oder Credit Suisse bieten daher keinen Service rund um Edelsteine an.
Wenn ein Diamant bereits in einem Schmuckstück gefasst ist, muss noch mehr mitbedacht werden. Raphael Gübelin, CEO der Gübelin Holding, Luzern, erklärt: «Der Schmuckpreis beinhaltet sehr viel von der Komponente Arbeit. Unser Schmuck wird nicht durch Fabrikmaschinen hergestellt, sondern in stundenlanger Handarbeit mit viel Liebe zum Detail. Diese Besonderheit kann man sehen und spüren. Daher eignen sich Edelsteine besser zur Kapitaldiversifizierung als Schmuck.»
Ob in Schmuck gefasst oder einzeln bewundert – Diamanten verströmen Anziehungskraft. Für den Laien wirken sie alle wunderschön. Unterschiede oder gar den Wert kann er kaum selbst bestimmen. Jeder Diamant ist anders – wie ein Individuum – und kann nur mit Hilfe der vier C eingeschätzt werden. Diese Kriterien sind für den Laien kaum selbst zu bestimmen, denn sie stufen einen Diamanten nach
- Carat (Gewicht),
- Clarity (Reinheit),
- Colour (Farbe) und
- Cut (Schliff) ein.
Bei hochwertigen Steinen ist es sinnvoll, diese Beurteilung durch ein renommiertes Institut vornehmen und in einem Zertifikat festhalten zu lassen. In der Schweiz ist das bei zwei weltweit anerkannten gemmologischen Labors möglich: Dem Gübelin Gem Lab in Luzern sowie dem Schweizerischen Gemmologischen Institut SSEF in Basel. Diese Institute halten die Qualität der vier C in genau definierten Begriffen fest – eine Aussage zum Wert eines Steins ist dies jedoch nicht.
Eines der wichtigsten Kriterien der vier C ist der Schliff. Welchem ist dabei der Vorzug zu geben? Laut ABN Amro Bank beziehungsweise deren auf die Diamant- und Schmuckindustrie spezialisierter International Diamond and Jewelry Group (ID&JG) eignen sich Edelsteine im klassisch runden Brillantschliff am besten als Kapitalanlage. Diese seien stets gefragt und daher leichter weiterzuverkaufen. Der Wert von farbigen Diamanten oder Steinen in Fantasieschliffen sei hingegen oft vom Zeitgeschmack abhängig.
Gesucht ist nur Aussergewöhnliches
Was nun tun, wenn man nicht kaufen, sondern verkaufen will? Wenn Grosis vererbter 5-Karäter oder die 20 Jahre alten Diamantohrringe, die nur im Tresor liegen, zu Geld gemacht werden sollen? Dann kann man sich an die grossen Auktionshäuser wenden. Sowohl Sotheby’s als auch Christie’s führen spezielle Schmuckauktionen durch.
Über ganz normale Edelsteine oder kleinere Diamanten gerät hier jedoch niemand ins Schwärmen. Denn gerade die Wertentwicklung für kleinere Steine fällt schwach aus. Anders bei herausragenden Diamanten ab mehreren Karat, wie David Bennett, Chairman der Schmuckabteilung von Sotheby’s für Europa und den Mittleren Osten mit Sitz in Genf, erklärt: «In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit favorisieren die Menschen handfeste Anlagen, zum Beispiel Kunst und Schmuck. Diamanten höchster Qualität und Seltenheit haben wie Meisterstücke des Kunstmarktes einen innewohnenden Wert. Unsere letzten Verkäufe haben gezeigt, dass wirklich aussergewöhnliche Objekte wirklich aussergewöhnliche Preise bringen.»