Harmonie sieht anders aus! Es gibt den Brexit, Differenzen in der Flüchtlingspolitik und Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen mit der Androhung des Entzugs von Stimmrechten in EU-Gremien. Dann wurde zu allem Überfluss auch noch die Mitgliedschaft der rechtsnationalen ungarischen Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban in der Europäischen Volkspartei EVP auf Eis gelegt.
Es kommt weiteres Öl ins Feuer: Der Kandidat für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission – das ist das höchste Amt in der EU – der Deutsche Manfred Weber sagt nämlich: ich brauche die Stimmen der Fidesz zur Wahl nicht. Orban entgegnet: Wir werden Weber nicht unterstützen. In der EU rumort es gewaltig und an vielen Stellen und jetzt stehen Wahlen an. Zwischen dem 23. und 26. Mai wird das EU-Parlament neu gewählt.
Konservative und Sozialdemokraten könnten die Mehrheit verlieren
Bei den Eurokraten geht die Angst um. Viele von ihnen fürchten, EU-kritische Parteien könnten bei der bevorstehenden Wahl hohe Stimmanteile einfahren. EU-Politiker sagen: Diese Wahl ist eine Schicksalswahl für die Gemeinschaft. Die Zahl der Euroskeptiker und die Rückbesinnung mehr auf den jeweils eigenen Nationalstaat ist stark gestiegen. Der Wahlausgang könnte dann aber auch Konsequenzen auf die Wirtschaftspolitik und die Börsenkurse haben.
«Umfragen zufolge könnten die beiden grössten Parteien im EU-Parlament, die EVP und die progressive Allianz der Sozialdemokraten S&D ihre absolute Mehrheit verlieren. Dadurch würde das Parlament in mehr kleinere Parteien zersplittert. Das könnte Folgen auf die Politik der EU, die Reformen der Gemeinschaft und auch auf die nationale Politik der jeweiligen Mitgliedsstaaten haben», vermutet Spyros Andreopoulos, Ökonom und Europa-Experte bei BNP Paribas.
Radikale Änderungen in der EU
Eine Neuformierung des EU-Parlaments könnte dazu führen, dass die EU-skeptischen Parteien etwa ein Drittel der Abgeordneten in Brüssel stellen und künftig wichtige Entscheidungen blockieren. «Nach der EU-Wahl ist mit einer signifikanten Änderung der Zusammensetzung des EU-Parlaments zu rechnen», sagt Andreopoulos.
So haben italienische Lega Nord und die deutsche AfD die europäische Allianz für Menschen und Nationen ins Leben gerufen und diese Gruppe hat starke Unterstützer etwa in Frankreich mit Marine Le Pen oder den Freiheitlichen in Österreich. Ziel der Allianz sind radikale Änderungen in der Europäischen Gemeinschaft.
In Italien könnten Neuwahlen bevorstehen
Aber das würde nicht nur die Politik der EU beeinflussen, sondern auch die von Mitgliedsländern wie Italien. «Ein starkes Wahlergebnis für den Lega-Chef und aktuellen Innenminister in Italien Matteo Salvini, könnte der Auslöser für vorgezogene Wahlen in Italien sein», erklärt der Experte von BNP Paribas.
Obendrein scheint nach den Differenzen zwischen EVP und Fidesz deren Chef Orban ohnehin mehr in Richtung Salvini und dessen EU-skeptischer Partei zu rücken. «Die Suspendierung der Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP könnte eine neue Dynamik mit sich bringen, bei der der Einfluss der konservativen Mainstream-Parteien in der EU geschwächt und der der EU-Skeptiker gestärkt werden könnte», sagt Andreopoulos.
EU-Bürger sind zurückhaltend gegenüber der Gemeinschaft
Dadurch könnte aber auch die EVP im Verhältnis zu den Sozialdemokraten im Parlament nach hinten rücken und das hätte dann wiederum Einfluss auf die Besetzung wichtiger Posten in der Union. Die Stimmung der Bürger auf jeden Fall ist eindeutig EU-skeptisch. Umfragen zufolge drehte die Meinung der Wähler in der EU in 2009 und seither sind mit etwa 50 Prozent mehr Bürger in der EU vorsichtig gegenüber der Union.
Nur noch 40 Prozent haben Vertrauen in die Gemeinschaft. Diese Empfindung der Bürger könnte letztendlich wahlentscheidend sein, auch wenn der Anteil der Wähler, die noch unentschlossen sind, wen oder ob sie überhaupt wählen gehen, Umfragen zufolge derzeit noch bei etwa 30 Prozent liegt.
EU-Skeptiker vor einem Wahlsieg – wie Anleger profitieren
Insgesamt scheint es aber doch relativ wahrscheinlich, dass die EU-Skeptiker nächste Woche einen deutlichen Wahlerfolg feiern können. Wer auf die Ergebnisse der Wahl setzen will, nimmt drei Märkte ins Visier. Da ist zum einen der Euro. Dieser dürfte bei einem starken Abschneiden der eher national gesinnten EU-Skeptiker im Vergleich zum Dollar nachgeben. Denn mehr «national» dürfte den EU-Gedanken und folglich auch den Euro zumindest kurzfristig betrachtet schwächen.
Aber auch auf mittlere Sicht könnten eher national-fokussierte Entscheidungen im EU-Parlament der Einheitswährung Gegenwind bringen. Ein Put (ISIN: CH0392691413, Laufzeit endlos, Basis und Knock-out jeweils 1,2488) auf das Wechselkursverhältnis Euro zu Dollar, also auf einen steigenden Dollar, könnte bei einem 8er-Hebel die Entscheidung der ersten Wahl sein.
Börsianer spekulieren gegen MIB 30 und den DAX
Dann die Aktienmärkte. Sollte Salvini mit seiner Allianz der Bürger und Nationen stark abschneiden, könnte das die Angst vor einer vorzeitigen Neuwahl in Italien beflügeln und die Börse Mailand unter Druck setzen. Anleger greifen auf einen Put (ISIN: DE000DM66YX7, Laufzeit endlos, Basis und Knock-out jeweils 23506,0709 Punkte, 8er-Hebel) auf den MIB 30.
Auch die Börse in Deutschland könnte durch einen EU-skeptischen Wahlausgang unter Druck geraten. In Frankfurt tummeln sich viele Spekulanten aus den USA und die könnten wie schon oft in Zeiten der Unsicherheit und der Umbrüche deutsche Titel im Visier haben und aus den Depots räumen. Ein Put (ISIN: CH0385586984, Laufzeit endlos, Basis und Knock-out jeweils 13130,20 Punkte) auf den DAX verspricht dann beim aktuellen 13er-Hebel schöne Gewinne.