Wenig ist frustrierender als wenn der «halbschlaue» Nachbar plötzlich luxuriös verreist, in der Nobelkarosse vorfährt oder das Haus aufwendig zu renovieren beginnt – finanziert einzig durch Spekulation. Derzeit machen Geschichten von Krypto-Tradern die Runde, die vor dem grossen Hype günstig Bit- und Altcoins kauften und innert kürzester Zeit zehn-, hundertausend und noch mehr Franken reicher geworden sind. Das weckt Begehrlichkeiten – nach dem Motto «wenn der das kann, kann ich das auch».
Der Blockchain-Hype erinnert an die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende am Aktienmarkt. Damals wurde alles gekauft, was mit dem Internet in Verbindung gebracht wurde. Einige erkannten zwar die Absturzgefahr, doch als noch gefährlicher wurde erachtet, dass einem Gewinne entgehen könnten. Also blieben viele voll investiert. Ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Doch gierig zu sein, ist bei weitem nicht der einzige Fehler, den Anleger begehen können. Wer die folgenden Punkte beachtet, schmälert zumindest die Wahrscheinlichkeit, Rendite zu verschenken.
Liebe macht blind
Eines der Schweizer Vorzeigeunternehmen ist der Basler Onkologie-Spezialist Roche. 1990 kostete ein Genussschein 15 Franken, heute sind es rund 235 Franken. Eine fantastische Rendite. Und im vergangenen Jahr? Da erzielten Aktionäre – ausser der Dividende – keinen Gewinn. Viel besser wäre man mit einem Indexfonds auf den SPI gefahren. Doch viele Schweizer halten an ihren Roche-Titeln fest. Woran es liegt? Roche bilden für sie gemeinsam mit zwei, drei anderen Aktien den Kern des Portfolios – Stichwort Home Bias.
Und mit Roche werden viele positive Dinge verbunden wie herausragende Forschung, vorbildliche Firmenkultur und kontinuierlich höhere Dividenden. Doch welcher Privatanleger kann das – bis auf die ausbezahlte Dividende – wirklich beurteilen? Das klingt verdächtig nach rosaroter Brille. Da auch 2018 für Roche ein Übergangsjahr werden dürfte, müsste der Titel eigentlich reihum aus den Depots fliegen. Doch das wird nicht geschehen, denn Verliebte handeln nicht rational. Das trübt den Blick auf die Erfolgsrechnung und die Bewertung (siehe etwa Tesla-Fans). Auch Profis sind davor nicht gefeit.
Tipp: In Aktien von Lieblingsfirmen zu investieren, mag sich emotional richtig anfühlen. Beim Anlegen geht es aber vor allem um Vernunft und Disziplin. Im Zweifel Anlagen breit streuen, so entstehen Klumpenrisiken im Portfolio gar nicht erst.
Verkaufen ist schwerer als kaufen
Der Anlageerfolg hängt mehr von den Verkaufsentscheiden als von den Kaufentscheiden ab. Steigt ein Titel um 20 oder mehr Prozent, ist die Versuchung gross, den Gewinn zu realisieren. Steht eine Anlage hingegen 20 oder mehr Prozent unter Wasser, hoffen viele Anleger auf ein Wiedererstarken des entsprechenden Titels. Psychologisch gesehen ist dieses irrationale Verhalten leicht zu durchschauen – niemand gibt gerne zu, dass seine Einschätzung falsch war. Es bleibt aber dabei – Gewinne sollen laufen gelassen, Verluste begrenzt werden. Auch im Fall von laufen gelassenen Gewinnen gilt es, periodisch zu überprüfen, ob die Titel nicht zu hoch gestiegen sind. Wer die Frage, ob diese Aktien zum aktuellen Preis immer noch gekauft würden, mit Nein beantwortet, sollte ebenfalls verkaufen.
Tipp: Bereits beim Kauf sollten Stop-Loss-Marken gesetzt werden – und diese gilt es bei steigenden Kursen nach oben zu ziehen.
In fallende Messer greifen
Warren Buffett sagt: «Der dümmste Grund, eine Aktie zu kaufen, ist, weil sie steigt.» Der Umkehrschluss ist ebenso wahr. Nur weil eine Aktie 50 Prozent an Wert eingebüsst hat, heisst nicht, dass sie nun günstig ist. Um das zu erkennen, sollten Anleger immer mal wieder die Kursentwicklung der UBS-Aktien vor, während und nach der Finanzkrise anschauen. Fällt ein Titel, stellt sich die Frage, ob aus den richtigen oder den falschen Gründen (siehe Punkt 5). Der deutliche Kurseinbruch bei Bit- und Altcoin wird bestimmt einige dazu verleiten, jetzt einzusteigen. Da es ausserordentlich schwierig bis unmöglich ist, diese Anlagen aussagekräftig zu bewerten, bleiben Engagements eine Lotterie.
Vorsicht walten zu lassen gilt es besonders dann, wenn «esoterische» Kaufgründe nach Kursstürzen genannt werden. Dazu zählen etwa saisonale Muster à la «Bitcoin-Kurse fallen immer im Januar». Im Fall der Aktie der Schweizerischen Nationalbank dürfte bei den nächsten Abgaben in einem deutschen Börsenbrief von phänomenalen Renditechancen geschwärmt werden. Dann gilt es, die Gier zu zügeln. Auch diese Titel erfassen gängige Bewertungsmodelle nur sehr bedingt.
Tipp: Ob eine Anlage günstig oder teuer ist, hängt nicht vom Kurs ab, sondern von der Bewertung. Und was sich nicht bewerten lässt, in das sollte nicht investiert werden. Steigt ein Wert ohne erkennbaren Grund, wird er auch ohne erkennbaren Grund fallen.
Markt timen wollen
Alle wollen im Tief kaufen und im Hoch verkaufen. Geschieht das in der Praxis, ist Zufall im Spiel. Es gilt: «Gewinne werden mit dem Hintern gemacht» und «Hin und her macht Taschen leer». Ist die persönliche Anlagestrategie einmal formuliert, sollte daran festgehalten werden. Stündlich oder auch nur täglich auf die Kurse zu schielen, bringt es langfristig nicht. Sonst werden in steigenden Märkten keine Titel gekauft, weil befürchtet wird, dass Aktien bereits zu teuer sind, und in sinkenden Märkten ebenfalls nicht, weil weitere Kursverluste erwartet werden. Aktien gestaffelt zu erwerben, ergibt Sinn – etwa via Fondsoder ETF-Sparplan. Leider fristen Letztere in der Schweiz ein Mauerblümchendasein. Banken, die Kundenbedürfnisse ernst nehmen, sollten hier endlich aktiv werden.
Tipp: Der richtige Zeitpunkt, in Aktien zu investieren, ist dann, wenn man das Geld dazu hat. Und dieses Geld in den kommenden Monaten, besser noch Jahren, nicht benötigt.
Abseits der Herde grasen
Contrarians sind Helden der Börse. Mutig kaufen sie Titel, die andere links liegen lassen. Sie hoffen Aktien zu finden, die der Markt aus den falschen Gründen abgestraft hat und die sich deshalb bald wieder berappeln werden. Geschah das im Herbst bei Swiss Re? Die Selektion solcher Werte ist äusserst anspruchsvoll. Da davon ausgegangen werden kann, dass professionelle Marktteilnehmer und Analysten die jeweiligen Geschäftsmodelle, Marktchancen und so weiter hinreichend verstehen und die Bilanz lesen können, ist die Chance für Privatanleger gross, sich auf dünnes Eis zu begeben. Wer gegen den Konsens wettet, sollte nicht nur überzeugende Argumente haben, sondern auch Geduld. Märkte können länger irrational bleiben als Contrarians solvent.
Tipp: Anstelle von «Tief kaufen, hoch verkaufen» sollte lediglich versucht werden, hoch zu kaufen und noch höher zu verkaufen. Wer in Value-Aktien investieren will, delegiert das besser einem Profi und kauft einen entsprechenden Fonds.
Fazit
Die häufigsten Fehler begehen Anleger im Affekt und wider besseres Wissen. Daraus folgt: Nur wer auch in schwierigen Marktlagen ruhig bleibt (Achtung: Im jetzigen Umfeld sagt sich das leicht), sollte Aktien und andere schwankungsanfällige Wertpapiere kaufen.