Die Europäische Zentralbank will unbeschränkt Anleihen von Euro-Staaten aufkaufen − und das deutsche Bundesverfassungsgericht billigt den Euro-Rettungsschirm. Ist die Euro-Krise nun gebannt?
Thomas Herrmann:
Das könnte ein Wendepunkt sein. So wird die EZB die Refinanzierungskosten der schwachen Euro-Staaten drücken. Das wird sich auch auf die Realwirtschaft der Staaten auswirken, denn die Finanzierungskosten von Unternehmen in Ländern wie Spanien oder Italien sind zuletzt stark angestiegen. Nun kommen die dortigen Firmen wieder günstiger zu Geld.

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Wie viel hilft das?
Die Befürchtungen, dass der Euro auseinanderbricht, sollten damit eingedämmt sein. Das Programm ist aber nicht die Lösung des eigentlichen Problems. Denn die Defizite einiger Euro-Staaten sind nach wie vor sehr hoch. Die dortigen Regierungen stehen vor der grossen Herausforderung, ihre Wirtschaften durch strukturelle Reformen wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen. Das geht nicht über Nacht.

Birgt das Programm Risiken?
Der Druck auf die Länder, ihre angekündigten Reformen auch wirklich umzusetzen, könnte nachlassen. Falls beispielsweise Spanien trotz der Unterstützung durch die EZB in den nächsten Monaten keine Fortschritte macht, müsste die EZB eigentlich die Anleihenkäufe aussetzen. Das könnte zu einer hohen Volatilität bei den Anleiherenditen führen und damit zu einem erneuten Anstieg der Refinanzierungskosten.

Ist der Anstieg des Euro-Franken-Kurses auf 1.21 Franken ein Zeichen dafür, dass sich die Lage entspannt?
Wir sehen, dass der Druck auf den Franken etwas nachgelassen hat. Das hat sicher mit den Massnahmen der EZB zu tun und ist gut für die SNB. Der Franken wird aber weiterhin teuer bleiben.

Was bedeutet das für die Schweizerische Nationalbank (SNB)?
Für die SNB war immer entscheidend, dass sich die Euro-Zone stabilisiert. Nun ist die Euro-Zone aber wohl zurück in die Rezession gerutscht. Die daraus resultierende Nachfrageschwäche aus dem Euro-Raum kombiniert mit dem starken Franken wird die SNB veranlassen, nichts an ihrer Politik zu ändern. Die Geldpolitik wird daher expansiv bleiben.

Derzeit wird auch darüber diskutiert, ob die US-Notenbank Fed ein neues Programm für den Kauf von Anleihen lancieren wird. Was erwarten Sie?
Die Markterwartungen für ein neues Kaufprogramm für Anleihen sind sehr hoch. Ein solches Programm könnte schon diese Woche angekündigt werden. Die jüngsten Einschätzungen des Fed zur US-Wirtschaftsentwicklung waren äusserst negativ. Der Arbeitsmarkt in den USA bleibt schwach. Weitere Lockerungsmassnahmen wären daher hilf-reich. Bislang sagte das Fed, dass es die Zinsen bis 2014 tief halten werde. Wir gehen nun von einer Verlängerung die-ses Bekenntnisses bis mindestens Mitte 2015 aus.

Wo können Anleger im aktuellen Umfeld überhaupt noch investieren?
Das Tiefzinsumfeld wird sich angesichts des eher schwachen Wachstums fortsetzen. Risikofreie Anlagen wie Staatsanleihen werfen daher wenig Rendite ab. Anleger müssen also etwas mehr Risiko eingehen, um mehr Rendite zu erwirtschaften. Wir empfehlen gut diversifizierte Anlagen in Unternehmensanleihen, auch sogenannte Hochzinsanleihen, oder auch Dividendenaktien.

Das heisst?
Die Massnahmen der Notenbanken dürften den Risikoappetit der Anleger vorerst unterstützen, und wir haben daher insgesamt unsere Aktienallokation erhöht. Auch Währungsdiversifikation ist ein Thema. Wir sehen etwa in den Schwellenländern noch Potenzial, etwa in Mexiko oder Südkorea. Diese Währungen sind relativ liquide und es gibt in den Märkten spannende Anleihen.

Thomas Herrmann, Head Global Economics, Credit Suisse