Werdmühleplatz 4 in Zürich, unweit der Bahnhofstrasse. Eingepfercht zwischen einer Schuh- und einer Hochzeitsmode-Boutique stossen Suchende auf Gold. In der Münzhandlung Erwin Dietrich geben sich die Kunden an diesem Montagnachmittag die Klinke in die Hand. «Kommen Sie nach Ladenschluss nochmals auf mich zu», entschuldigt sich Geschäftsführer Hans-Ulrich Wartenweiler mit Blick auf die wartende Kundschaft. Neben Hartgeld warten sie mit Medaillen, Banknoten oder Altgold, die sie in Bares tauschen wollen.

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Doch es ist insbesondere der Handel mit Goldmünzen, der auf Hochtouren läuft. Das war nicht immer so. Bis vor wenigen Jahren schlief die Branche einen Dornröschenschlaf, die Numismatik-Sparten der Banken wurden reihenweise geschlossen oder verkauft. Auch in der Schweiz haben sich die Finanzinstitute mehrheitlich aus dem Geschäft verabschiedet und kleineren Anbietern das Feld überlassen. «Vor wenigen Jahren noch musste man für Münzen einen Abschlag um gut 2 Prozent gegenüber dem Goldpreis hinnehmen», entsinnt sich Wartenweiler. Damals seien Tausende Goldvreneli, die bekannteste Schweizer Goldmünze, eingeschmolzen worden.

Angst befeuert das Geschäft

«Heute können wir die Nachfrage nach Vrenelis nur noch knapp zur Hälfte decken. Das Geschäft hat sich sehr stark verbessert», freut sich der Münzhändler. Konkrete Verkaufszahlen werden in dieser verschwiegenen Branche keine genannt. Doch mit der anhaltenden globalen geopolitischen und finanzmarkttechnischen Unsicherheit ist die einst auf wenige Liebhaber und Sammler begrenzte Numismatik in der breiten Bevölkerung wieder «in». Die aussergewöhnliche Preissteigerung beim Gold von 250 Dollar je Feinunze (à 31,1 Gramm) im Jahr 2001 bis hin zum Höchstkurs von 1431 Dollar am 7. Dezember 2010 hat Anleger und Sparer noch zusätzlich angelockt.

Die eigentlichen Treiber sind aber derzeit Angst und Krisen. «Die gängigen kleinen Goldmünzen sind immer dann stark gesucht, wenn Unsicherheit vorherrscht. Bereits im Vorfeld der Jahrtausendwende und der Verunsicherung um den Jahr-2000-Bug bestand eine hohe Nachfrage aus Amerika», erinnert sich Andreas Maag, Leiter Verkauf Edelmetalle Europa bei der UBS. Die Grossbank hat als eine der wenigen an ihrem Edelmetallhandel festgehalten und gilt heute als führender Anbieter in der Schweiz. «Einen Höhepunkt haben wir in der Finanzkrise 2008 erlebt», berichtet Maag. Danach habe die Nachfrage immer wieder sporadisch angezogen, sei es aufgrund der Griechenland- oder der Euro-Krise. «Zuletzt haben die Unruhen im Nahen Osten dafür gesorgt, dass die Nachfrage weiter anhält», erläutert der Numismatik-Profi.Den grössten Schub erlebte die Branche jedoch durch die Finanzkrise. Seit das Weltfinanzsystem vielen Leuten nicht mehr vertrauenswürdig erscheint und Anleger und Sparer um ihr teures Hab und Gut fürchten, wächst ihr Verlangen nach einer vermeintlich sicheren Währung.

Dann strahlt Gold am kräftigsten, am besten in Form von Vrenelis, Napoléons, Krüger Rands oder Maple Leafs, die sich schon einmal als Zahlungsmittel bewährt haben - oder als kleine Goldbarren. «Die Käufer kommen aus allen Schichten, vom kleinen Buben, der mit seinem Ersparten Gold kauft, bis hin zu Familiy Offices, die zur Diversifikation neben Barren auch Münzen halten», hat UBS-Experte Maag festgestellt.

Entscheidend ist dabei auch die kleine Stückelung der Goldanlagen. Sollte das Finanzsystem dereinst auseinanderbrechen und das Papiergeld wertlos werden, so die Überlegung der Ängstlichen, könnten mit diesen Quentchen Gold die täglichen Besorgungen erledigt werden. Was früher vor allem Verschwörungstheoretiker faszinierte, findet heute in breiteren Kreisen Zuspruch. Dasselbe gilt, wenn es um die Sicherung des Vermögens vor der Geldentwertung, sprich Inflation geht. «Man kann dann fast homöopathisch Stück für Stück einlösen, ohne dass man auf einen Schlag einen grossen Geldbetrag erhält, wie er bei Verkauf eines Kilobarrens anfallen würde», begründet Wartenweiler.

Der neue Goldrausch hat Händler wie den Internetanbieter Pro Aurum in wenigen Monaten um seine gesamten Vorräte gebracht. «Weltweit ist Gold in Granulatform zwar genügend vorhanden, doch unsere Lieferanten kommen mit der Produktion von kleinen Stücken nicht mehr nach», erklärt René Buchwald, Partner und Geschäftsführer.

Lieferanten kommen nicht mehr nach

Bei Barren ab 100 Gramm bestehe eine Lieferfrist von bis zu einem Monat, obwohl die Schmelze im Tessin bereits in drei Schichten arbeite. Noch gewährleistet ist die Verfügbarkeit von Goldmünzen für die Vermögensanlage, den sogenannten Buillons, die in unlimitierter Zahl hergestellt werden. Ihr Preis richtet sich nach dem Goldkurs, zuzüglich einem Aufschlag für die Produktion der Münzen sowie den Margen für die Händler. Alleine im Jahr 2010 wurden 19 385 Kilogramm Goldmünzen im Wert von 767 Millionen Franken in die Schweiz importiert. Im Vorjahr lag der Wert noch bei 603 Millionen Franken, was allerdings auch auf den steigenden Goldpreis zurückzuführen ist.

Krüger Rand oder Nugget?

Beliebte Anlageobjekte sind Goldmünzen wie der Krüger Rand aus Südafrika, australische Nuggets, kanadische Maple Leafs oder die österreichische «Wiener Philharmoniker» zu jeweils einer Unze oder in kleineren Stückelungen. Der Wiener Philharmoniker erfreut sich einer Rekordnachfrage, wie die Münze Österreich, die traditionsreiche Prägstätte im Herzen Wiens, berichtet. In Europa sei das Goldstück inzwischen die am meisten nachgefragte Goldanlagemünze. Hierzulande allerdings konnte sich der erst 1989 eingeführte «Wiener Philharmoniker» noch kaum durchsetzen.Anders als bei den auch von der hiesigen Prägstätte Swissmint hergestellten Gedenk- und Sammlermünzen wie etwa die letztjährige zum 100. Todestag Albert Ankers fällt bei Anlagemünzen die Spekulation auf einen Sammlerwert weg.

Doch der kurzfristige Gewinn steht bei den Käufern von Anlagegoldmünzen ohnehin nicht im Vordergrund. Investoren, die nur auf den weiteren Anstieg des Goldkurses wetten, kaufen angesichts des Aufschlags für die Produktion der Münzen eher physische Barren oder mit Gold abgesicherte Exchange-Traded-Fonds. «Die Goldanlage muss weder rentieren noch einen Gewinn abwerfen», beschreibt Experte Wartenweiler von der Handlung Erwin Dietrich in Zürich das Verhalten seiner Kundschaft. Die Münzen lägen einfach in Banksafes oder würden gar zu Hause auf der Hinterhand gehalten. Dies für den Fall, dass das Papiergeld doch noch als «ungedeckte Schecks» der Regierungen aufgedeckt werde.

Absicherung vor dem ultimative Crash

Dennoch: «Als Absicherung vor einem möglichen Einsturz des Finanzsystems sind Goldmünzen wie auch kleinere Barren eigentlich gleich gut geeignet», ist Aurum-Geschäftsführer Buchwald überzeugt. Dass sich Goldmünzen trotz ihrer Prämie und Händlermargen von bis zu 15 Prozent bei den Anlegern einer starken Beliebtheit erfreuen, hat seiner Meinung nach auch einen psychologischen Hintergrund. «Es hat sich in den Köpfen der Leute festgesetzt, dass eine Münze in Krisenzeiten als Zahlungsmittel am besten akzeptiert werden dürfte», erklärt der Schweizer Goldhändler.Doch seit der Goldpreis im Dezember 2010 sein vorläufiges Höchst erreicht hat, mehren sich an den Märkten auch wieder die Stimmen, die zum Verkauf des Edelmetalls raten. Insbesondere die Optionshändler signalisieren derzeit eine Talfahrt des gelben Metalls.

Bei den Goldmünzenkäufern stossen solche Unkenrufe auf taube Ohren. Denn wer weiss schon bald könnte der nächste, der ultimative Crash anstehen.