Als Grenze akzeptieren sie nur den Himmel. Kein Privatjet ist ihnen zu gross, kein Kunstwerk zu teuer, keine Party zu ausgefallen. Hedgefonds-Manager kennen kaum ein Mass – schon gar nicht bei den eigenen Gehältern.
Die Stars der globalen Finanzindustrie gefallen sich in der Rolle der vermeintlich überlegenen Grossverdiener. Sowohl bei steigenden wie bei fallenden Kursen können sie angeblich Gewinne einfahren. Prominente Branchengrössen wie George Soros oder John Paulson geniessen gar Guru-Status. Selbst bonusverwöhnte Banker erstarren da vor Ehrfurcht.
Doch nun bröckelt der Mythos der milliardenschweren Geldmagier gleich an mehreren Fronten. 2011 gilt als eines der schwärzesten Kapitel in der Branchengeschichte. Die Hedgefonds verloren in diesem Jahr durchschnittlich 4,5 Prozent, wie der Branchenindex von Hedge Fund Research zeigt. Der US-Aktienindex Dow Jones Industrial büsste dagegen nur 3,8 Prozent ein. Die Masse der Hedgefonds-Manager konnte somit ihr Versprechen nicht halten.
Damit nicht genug. Laut jüngsten Studien scheint alles noch viel schlimmer zu sein. Hedgefonds arbeiten offenbar nicht nur schlecht, sondern auch mal jenseits der Legalität. So manche Manager sollen systematisch Aktienkurse manipulieren und gleichzeitig schlechte Renditeergebnisse bewusst verschweigen, behaupten Wissenschaftler. Sie zeigen auch, dass sie trotz hoher Kosten im Schnitt nicht besser rentieren als gewöhnliche Fonds.
«Unsere Untersuchungen zeigen, dass Hedgefonds ‹Portfolio Pumping› betreiben», sagt Francesco Franzoni, Assistenzprofessor der Universität Lugano und Mitglied der Fakultät des Swiss Finance Institute (SFI). Die Kurse von Aktien, welche bevorzugt von Hedgefonds gehalten werden, steigen in den letzten Minuten vor Handelsschluss am Monatsende ungewöhnlich stark an – und geben am nächsten Morgen gleich wieder deutlich nach, stellte Franzoni zusammen mit Forscherkollegen aus den USA und Frankreich fest. Die Hedgefonds-Manager haben einen doppelten Anreiz, die Kurse zu manipulieren. Sie fallen auf und ziehen so neue Investorengelder an. Und sie kassieren erfolgsabhängige Gebühren.
Kursmanipulation am Monatsende
Besonders ausgeprägt ist der Kurssprung am Monatsende, wenn die Manipulationsanreize für Hedgefonds-Manager besonders stark sind. Bei schwach diversifizierten Hedgefonds ist hier die Kursmanipulation zudem am günstigsten.
Die Manipulationen sind nicht harmlos, sie verursachen volkswirtschaftliche Kosten. Sie lösen nicht nur unberechtigte Performance-Gebühren aus, sondern geben den übrigen Marktteilnehmern falsche Signale.
Die Forscher konnten die Manipulationsmuster über die gesamte Untersuchungsperiode von 2000 bis 2009 beobachten. Betroffen waren eher wenig liquide Titel, sodass 1 bis 10 Millionen Dollar genügten, um den Kurs um mindestens 1 Prozent nach oben zu treiben. Besonders viel getrickst wurde in Phasen schwacher Börsen. Es ist für Hedgefonds-Manager speziell attraktiv, mit guten Renditen aufzufallen, wenn alle anderen verlieren. Schlechte Zeiten, wie sie seit Ausbruch der Finanzkrise vorherrschen, fördern deshalb Manipulationen, stellt Franzoni fest.
Die Untersuchung konzentrierte sich auf den US-Markt, nur dort stehen die nötigen Daten zur Verfügung. Allerdings dürfte es Manipulationen auch in der Schweiz geben. «Ich sehe keinen Grund, warum diese Praktiken nur in den USA vorkommen sollten», sagt Franzoni. Die mangelnde Transparenz und geringere Liquidität in anderen Märkten erleichterten Manipulation sogar. Ein Gegenmittel sieht Franzoni im täglichen Reporting, wie das bei normalen Fonds üblich ist. «Das würde es den Hedgefonds stark erschweren, solche Manipulationen zu tätigen.»
Überschätzte Manager
In den letzten zehn Jahren wandelte sich die Hedgefonds-Industrie zu einem gewichtigen Faktor an den Finanzmärkten. Die oft undurchsichigen Vehikel verwalten Anlagen im Wert von gegen 2000 Milliarden Dollar. Das Geheimnis des Erfolgs liegt im Ruf der Hedgefonds, ihren Investoren höhere risikoadjustierte Renditen zu liefern. Verschiedene Studien attestierten ihnen, gegenüber einem Vergleichsmarkt jährlich 3 bis 5 Prozent Mehrrendite – das sogenannte Alpha – zu liefern. Fehlende Regulierung, spezielle Organisation, erfolgsabhängige Bezahlung und überdurchschnittliche Fähigkeiten der Manager seien für die bessere Performance von Hedgefonds verantwortlich.
Jetzt erschüttern Forscher auch dieses Bild. Die bessere Performance komme nicht von der Überlegenheit der Manager, stellen die Ökonomen Adam L. Aiken, Christopher P. Clifford und Jesse Ellis fest. Die bisherigen Studien hätten lediglich die besseren Hedgefonds untersucht. Sie basieren nämlich auf Datenbanken von Hedge Fund Research, Lipper Tass, BarclayHedge, Morningstar oder Eurekahedge. Aber die enthalten nur Daten, welche die Hedgefonds-Manager selektiv und freiwillig zur Verfügung stellten.
Die Forscher untersuchten nun erstmals die Performance von 1445 Hedgefonds zwischen 2004 und 2009 anhand von Daten, die der US-Börsenaufsicht SEC zur Verfügung gestellt werden mussten. Nur etwa die Hälfte dieser Daten war auch in den freiwillligen Datenbanken zu finden. Das Resultat war eindeutig. Die Renditen, die die Manager nicht veröffentlicht sehen wollten, waren deutlich schlechter als jene in den freiwilligen Datenbanken. 95 Prozent der Mehrrendite, welche bisherige Studien festgestellt haben, lassen sich allein durch die selektive Auswahl der Daten erklären. Weil vor allem Hedgefonds mit guter Performance Daten veröffentlichen, entsteht ein sogenannter Self-Selection Bias, eine Verzerrung der Ergebnisse. «Das Können der Manager wird also weit übertrieben», folgern die Autoren der Studie.
Der Index von Hedgegate für Schweizer Dach-Hedgefonds ist in dieser Hinsicht die grosse Ausnahme. Er erfasst alle von der Finanzmarktaufsicht Finma zugelassenen Fund-of-Funds und hat deshalb auch keinen Selection-Bias. «Das ist auch ein Grund, warum unser Index immer etwas tiefer ist als andere», sagt Peter Meier, Professor an der Zürcher Hochschule Winterthur.
Kein Mehrwert nach Abzug der Gebühr
Das Resultat ist ernüchternd. Die überlegenen Renditen der Hedgefonds gegenüber normalen Fonds verschwinden vollständig, wenn man sie um den Self-Selection Bias korrigiert, also die Renditen der Hedgefonds anschaut, welche ihre Daten nicht freiwillig offenlegen. Sie liefern nach Abzug der Gebühren keinen Mehrwert mehr.
Das oft vorgebrachte Gegenargument, auch besonders erfolgreiche Hedgefonds würden ihre Daten nicht veröffentlichen, weil sie keine neuen Investoren mehr aufnehmen wollen, konnten die Forscher widerlegen. Die Renditen von Hedgefonds sanken dramatisch, nachdem die Manager die Lieferung an die Datenbanken gestoppt hatten. Es ist kein Zufall, dass Long Term Capital Management (LTCM) seine hervorragenden Renditen 1994 bis 1997 in die Datenbank einspeiste, aber nicht den Riesenverlust von 1998, als der Hedgefonds mit Getöse zusammenbrach.
Die Forscher deckten eine ganze Reihe von Faktoren auf, welche die Datenbasis zusätzlich verzerren. So können Hedgefonds die Datenlieferung um bis zu drei Monate hinauszögern, um schwache Monate zu verstecken. In dieser Zeit können sie höhere Risiken fahren, um den Verlust aufzuholen. Gelingt das, liefern sie die Daten nach. Geht es schief, stoppen sie die Datenlieferung. Einmal ausgeschiedene Hedgefonds können zudem wieder in die Datenbank aufgenommen werden, wenn sie die fehlenden Daten nachliefern. Logisch, dass nur gut performende Hedgefonds das tun.
Für eine starke Verzerrung und Überschätzung der Performance sorgt der Survivorship-Bias: Die schlechtesten Hedgefonds verschwinden, nur die guten überleben. Die Datenbank-Betreiber sollten die Performance um diese Verzerrung korrigieren. Eine Stichprobe der Forscher zeigte jedoch, dass das offenbar nicht richtig funktioniert. Die Daten von 67 Hedgefonds, die im August 2008 noch bei BarclayHedge zu finden waren, fehlten zwei Jahre später vollständig. Unüberprüfbare Löschungen, Revisionen und Ergänzungen der Datenbanken sind offenbar keine Seltenheit.
Als Gegenmittel hilft dasselbe wie bei den Kursmanipulationen am Monatsende: Transparenz. Hedgefonds sollten wie gewöhnliche Fonds ihre Daten an die Behörden liefern müssen. «Das wäre sinnvoll», sagt Experte Meier.
Hedgefonds: Ein mieses Jahr für die Geldmagier
Performance
Hedgefonds sollten in steigenden wie in sinkenden Märkten positive Renditen erzielen. 2011 wird das nicht gelingen. Das 3. Quartal war das bisher viertschlechteste aller Zeiten. Die breiten Indizes wie der HFRI (siehe Grafik) haben seit Anfang Jahr etwa 4,5 Prozent verloren – mehr als die US-Börse. Nach 2008 fährt die erfolgsverwöhnte Branche erneut Verluste ein. Vor allem die Euro-Krise macht den Managern zu schaffen.
Liquidierung
Hedgefonds, die ihre Investoren enttäuschen, sind rasch weg vom Fenster. In normalen Jahren werden etwa 15 Prozent der Hedgefonds liquidiert, wegen schlechter Performance und Kapitalrückzügen der Investoren. Seit Ausbruch der Finanzkrise haben Manager jedoch in Scharen das Handtuch geworfen. Im 3. Quartal wurden gemäss Hedge Fund Research 213 Fonds liquidiert, mehr als in den vorhergehenden Perioden. Allerdings werden laufend noch mehr neue Hedgefonds neu lanciert, weil sie Finanzspezialisten höhere Gewinne versprechen als die unter Druck stehenden Banken. Die Zahl der in der Schweiz registrierten Hedgefonds nahm von 305 Ende 2008 auf 184 im 3. Quartal 2011 ab.
Gebühren
Hedgefonds-Manager verlangen für ihre scheinbar überlegenen Fähigkeiten sehr hohe Gebühren. Sie berechnen ihren Anlegern üblicherweise eine Managementgebühr zwischen 1,5 und 2 Prozent und behalten 10 bis 20 Prozent der erzielten Gewinne für sich. Die Krise bringt die Kosten nun unter Druck. Die Durchschnittsgebühren der in den letzten zwölf Monaten neu lancierten Hedgefonds lag mit 1,58 Prozent 0,03 Prozent tiefer als bei den 2010 gestarteten. Die Gewinnbeteiligung sank um 1 Prozent auf durchschnittlich 17,04 Prozent, gemäss Hedge Fund Research.