Jede Branche hat ihre Helden. An den Finanzmärkten sind das Leute wie Warren Buffett und George Soros – legendäre Investoren, die mit zum Teil gewagten Spekulationen Milliarden verdient haben und verdienen. Sie sind die Vorbilder all jener, die in Aktien investieren. Besonders Buffett wird kultisch verehrt. Der jährliche Höhepunkt ereignet sich jeweils in Omaha an der Generalversammlung seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway. Zu Zehntausenden fallen dann die Aktionäre über die Kleinstadt her und lauschen den Ausführungen ihres Gurus.
Wer in den sechziger Jahren in Aktien von Berkshire Hathaway investiert hätte – und bis heute dabeigeblieben wäre –, dessen Einsatz hätte sich von 1000 Dollar auf mehr als 10 Millionen vervielfacht. Buffett-Jünger erwähnen diese eindrückliche Performance gebetsmühlenartig als Beleg für die Wirksamkeit seiner Lehre. Wird auf die Kursentwicklung seit der Finanzkrise (seit Anfang 2009) geblickt, strahlt der Heiligenschein des 88-Jährigen etwas weniger hell.
Ein Plus von 245 Prozent resultiert da unter dem Strich für die A-Aktie von Berkshire Hathaway, beim S&P 500 sind es 225 Prozent. Verständlich wird die ansprechende, aber nicht überragende Rendite beim Blick ins Portfolio des Orakels von Omaha. Die mit Abstand grösste Position ist Apple, gefolgt von Wells Fargo und Kraft Heinz. Auf Platz vier und fünf stehen weitere Blue Chips, namentlich Bank of America und Coca-Cola. Mit solchen Schwergewichten den Gesamtmarkt auf Dauer deutlich zu schlagen, ist beinahe unmöglich.
Mit dem Elefantengewehr unterwegs
Buffetts ikonenhaftem Ruf konnte die relativ unspektakuläre Performance der letzten Jahre indes nichts anhaben. Ihm und seinem Team muss zugutegehalten werden, dass die verwalteten Vermögen in Aktien rund 200 Milliarden Dollar betragen. Mit solchen Summen kann nicht in kleinere, aussichtsreiche Titel investiert werden – zumindest nicht in nennenswertem Umfang –, ohne den Kurs massiv zu beeinflussen. Mangels attraktiver Anlagemöglichkeiten sind die Barmittel von Berkshire denn auch auf mehr als 100 Milliarden Dollar angeschwollen. Bekannt ist seine Aussage, dass er mit dem «Elefantengewehr» unterwegs sei, aber einfach keine Elefanten finde. Elefanten deshalb, weil nur eine riesige Akquisition dem Koloss Berkshire Hathaway mit einer Marktkapitalisierung von rund 550 Milliarden Dollar Wachstumsimpulse verleihen könnte.
Der Säulenheilige aller Anleger. Seine Firma Berkshire Hathaway rückte 2018 10 Prozent vor, der S&P 500 9 Prozent.
Vermögen: 89,9 Prozent
Grösstes Investment: Apple
Ein solcher Elefant wäre Unilever gewesen. Anfang 2017 wollte Buffett den Konzern mit Kraft Heinz verschmelzen. Doch die Absicht blieb Absicht. Kraft Heinz formte er zusammen mit einem anderen bekannten Guru: Jorge Lemann, dem schweizerisch-brasilianischen Doppelbürger. Lemanns Vermögen wird von Bloomberg auf 25 Milliarden Dollar geschätzt, damit belegt er Rang 31 der reichsten Menschen des Planeten. Dem Vernehmen nach spielt Roger Federer nicht nur auf dem Rasenplatz des Anwesens in Rapperswil-Jona ab und zu Tennis, sondern lässt von Lemann auch Teile seines Vermögens verwalten.
Doch dem König Midas des Konzerneschmiedens ist in diesem Jahr das Mojo etwas abhandengekommen. Kraft Heinz hat 2018 rund einen Viertel des Börsenwerts eingebüsst. Lemanns Leute sind bekannt als knallharte Optimierer, die penibel auf die Kosten achten. Das hilft bei der Betriebsrechnung, aber nicht gegen veränderte Konsumgewohnheiten: Ketchup, industriell gefertigter Streichkäse und Capri-Sun im Markenportfolio wirken vor diesem Hintergrund anachronistisch. Nestlé kämpft zwar auch mit dem Trend weg von Fertig-Food hin zu biologischen und frischen Lebensmitteln. Doch die Aktie verlor heuer nur rund 4 Prozent. Das ist vergleichsweise wenig.
Und Lemann hat noch ein anderes Problem. Sein Meisterstück war die Bildung des weltgrössten Bierkonzerns. Und auch AB Inbev kämpft. Denn auch die Trinkgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren rasend schnell geändert. Lager ist out, in sind obergärige, lokale Biere. Er konstatierte bereits, dass er diese Entwicklung unterschätzt habe. Minus 17 Prozent heisst das Verdikt des Marktes in diesem Jahr für AB Inbev, Heineken verlor 5,5 Prozent.
Nach äusserst erfolgreichen Jahren sind die Konglomerate des Brasilianers mit Schweizer Wurzeln derzeit nicht en vogue an der Börse.
Vermögen: 25,1 Milliarden Dollar
Grösstes Investment: AB Inbev
«Doing it like Jorge» lohnte sich nicht
Restaurant Brands, der unter Lemann zusammengezimmerte Fast-Food-Konzern (Burger King, Tim Hortons und so weiter), leidet ebenfalls. Die Abgaben der Aktie betragen dieses Jahr 4 Prozent, etwa gleich viel wie die von McDonald’s. Das schmerzt auch einen anderen Guru. Die grösste Aktienposition von Bill Ackmann, einem New Yorker Hedgefonds-Manager, ist Restaurant Brands. Immerhin ist dessen zweitgrösste Position – Chipotle Mexican Grill – einer der Überflieger an der Börse 2018. Mit dem Kurs ging es seit Januar 60 Prozent aufwärts.
Steil aufwärts geht es auch mit Patinex von Martin Ebner. Um den Mann mit der Fliege, der den Schweizern das Aktien-Sparen in den neunziger Jahren schmackhaft gemacht hatte, ist es eher still geworden. In der Öffentlichkeit äussert er sich meist nur zu seiner Airline Helvetic Airways. In einem seiner seltenen Interviews hat er sich im Sommer ziemlich optimistisch zum Börsenklima geäussert. Das mag erstaunen, viele Anleger befinden sich 2018 mit ihren Positionen im Minus. Ganz anders präsentieren sich Vifor und Temenos, die zwei wichtigsten Investments seines Beteiligungsvehikels.
Seine Beteiligungen an Vifor und Temenos haben sich prächtig entwickelt. Seit 2017 stieg Vifor rund 50 Prozent, Temenos beinahe 130 Prozent.
Vermögen: 2,5–3 Milliarden Franken
Grösstes Investment: Vifor
Läuft es gut, läuft es richtig gut
Vifor steht mehr als 35 Prozent im Plus, Temenos beinahe 30 Prozent. Die beiden Titel rangieren 2018 unter den zwanzig besten Aktien im SPI: Vifor steht auf Platz 13, Temenos auf Platz 18. Zuletzt hat Ebner die Beteiligung an der Bankensoftwareschmiede reduziert. Und auch die Analysten werden vorsichtiger nach dem jahrelangen Steigerungslauf der Genfer. Die Bewertung mahnt zur Zurückhaltung. Ob Temenos und auch Vifor das Kursniveau bis Ende Jahr halten können oder ob die Aktien sogar noch weiter zulegen, bleibt offen. Hier zeigt sich exemplarisch der janusköpfige Charakter eines sehr konzentrierten Portfolios.
Läuft es gut, läuft es richtig gut. Aber wenn die Titel in Ungnade fallen, dann befindet man sich als Anleger bald im Tal der Tränen. Es mag verlockend sein, in einzelne Börsenfavoriten von Gurus zu investieren, ein Garant für Rendite ist das jedoch nicht. Privatanleger halten sich besser an den Grundsatz der Diversifikation – zumindest bei den Kernanlagen. Das schützt zwar auch nicht vor grösseren Marktverwerfungen – wie wir Anfang Februar zuletzt gesehen haben –, aber das Risiko eines Totalabsturzes wird so zumindest deutlich minimiert.
Das scheint auch Warren Buffett so zu sehen. Er hat dieses Jahr in Omaha seinem gleichaltrigen Kollegen John Bogle – einem der Vordenker des passiven Investierens – im Rahmen der Berkshire-Hathaway-Generalversammlung zum Geburtstag gratuliert und sich bei ihm bedankt. Er sagte, dass John mehr für die Privatanleger getan habe als alle anderen Industrievertreter zusammen.
Information: Klar, man kann die 13F-HR-Berichte der Börsenaufsicht SEC studieren, um zu erfahren, welche Titel Gurus wie David Einhorn und Carl Icahn kaufen oder abstossen. Doch es geht auch einfacher. Wer sich von Topanlegern inspirieren lassen will, besucht einfach die Internetseite gurufocus.com. Dort findet man diese Angaben – und noch viel mehr. Besonders spannend für Anleger sind Filter, mit denen Premium-Nutzer diverse Aktienmärkte scannen können. Zur Auswahl stehen etwa der «Buffett-Munger Screener» oder der «Ben Graham Net-Net».
Investieren: Die teilweise phänomenalen Renditen der Börsenfavoriten berühmter Investoren wecken Begehrlichkeiten unter Privatanlegern. Im ETF-Mantel ist etwa der gleichgewichtete Guru X (ISIN US37950E3412) erhältlich. Abgebildet werden die eingangs erwähnten SEC-Berichte. Etwas komplexer ist der ALFA (ISIN US26922A3059) konstruiert: Hier werden die Gurus zusätzlich rangiert und ihre Handlungen entsprechend gewichtet. Beide kosten um 0,7 Prozent Gebühren pro Jahr. Die UBS bietet auf den Solactive Guru Index zudem strukturierte Produkte an (Kosten: 1,2 Prozent).