Vor einigen Jahren erklärte die Finanzwelt Seltene Erden zum Investment der Stunde. Mit Zertifikaten und Fonds sollten Anleger vom Boom profitieren. Stattdessen brachen Nachfrage und Aktienkurse ein. Nun ist der letzte US-Förderer insolvent.
Seltene Erden werden für Rüstungs- und viele Technologieprodukte wie Computer, Handys, Windturbinen und Batterien benötigt. Es handelt sich dabei um 17 chemische Elemente im Periodensystem, darunter Scandium, Yttrium, Indium, Thallium und Lanthan.
Letzter US-Anbieter im Konkurs
Der letzte US-amerikanische Förderer dieser Rohstoffe – Molycorp – hat jüngst Insolvenz angemeldet. Die grösste Wirtschaftsmacht der Welt verabschiedet sich aus einem Geschäftsfeld, das unlängst noch als geostrategisch enorm wichtige Wachstumsnische galt. Inzwischen zeigt sich, dass der Markt offenbar massiv überschätzt wurde.
2010 schränkte China, wo die weltweit grössten Vorräte Seltener Erden liegen, den Export der Rohstoffe ein und katapultierte so die Preise in die Höhe. Das war aber zugleich der Startschuss für den Rest der Welt neuen Quellen zu erschliessen.
Alternativen gefunden
Zudem fanden Firmen zunehmend Wege, die teuren Stoffe bei der Produktion zu ersetzen. Auch industrielle Entwicklungen, wie der Siegeszug der LED-Lampen, die viel weniger Seltene Erden brauchen als konventionelle oder Energiesparlampen, dämpften die Nachfrage.
Das Ergebnis war ein massiver Preisverfall. Dem «Wall Street Journal» zufolge haben sich Seltene Erden in den vergangenen fünf Jahren um mehr als das Zehnfache verbilligt. Das Marktvolumen sei mittlerweile von über 17 Milliarden Dollar auf nur noch etwa eine Milliarde Dollar geschrumpft.
WHO machte Druck
Unter dem Druck der Welthandelsorganisation hat China die Ausfuhrschranken Anfang des Jahres abgebaut, doch angesichts der Marktentwicklung hielt sich der Widerstand Pekings letztlich wohl auch in Grenzen. Ausgeschöpft wurden die Exportquoten ohnehin nicht.
Der Bedeutungsverlust der Seltenen Erden hat wesentlich mehr Opfer als das US-Minenunternehmen Molycorp, das es auf dem Höhepunkt des Booms auf einen Börsenwert von sechs Milliarden Dollar brachte – aber seit 2011 keinen Gewinn machte, und nun mit einem Schuldenberg von 1,7 Milliarden Dollar vor der Pleite steht.
Finanzexperten haben sich verkalkuliert
Auch diverse Anleger wurden kalt erwischt. Der Finanzvertrieb rührte eine Zeit lang in grossem Stil die Werbetrommel für Zertifikate und Fonds zum Thema.
2011 sagten Analysten bis 2015 einen kräftigen Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Seltenen Erden auf mehr als 200'000 Tonnen pro Jahr voraus. Stattdessen sank die globale Produktion in den vergangenen Jahren auf etwa 110'000 Tonnen.
Rohstoff bleibt wichtig
Der Bloomberg-Index für das Anlagesegment stürzte seit seinem Rekordhoch von 111,4 Punkten im April 2011 rapide ab und markierte zuletzt einen Tiefststand von 22,1 Zählern. Dennoch sollte die geopolitische Relevanz Seltener Erden nicht unterschätzt werden. Einige von ihnen bleiben für die Industrie unersetzlich und China kann den Markt weiter dominieren.
(awp/mbü/ise)