Haben Sie Flugangst?
Lars Windhorst:
Nein, zum Glück nicht.
Das erstaunt uns. Sie überlebten vor vier Jahren einen Flugzeugabsturz nur knapp.
Das war wirklich ein dramatisches und einschneidendes Erlebnis. Danach hatte ich viele Wochen Zeit, mein Leben zu reflektieren.
Und was kam dabei heraus?
Das kann ich hier nicht in einem Satz beantworten.
Kein Wunder, Sie mussten ja gleich mehrere Abstürze verarbeiten. Im Geschäftsleben lagen Sie nach einem beispiellosen Höhenflug auch plötzlich am Boden. Sie gründeten als 16-Jähriger eine Computerfirma. Die deutsche Politik feierte sie als Wunderkind, Kanzler Helmut Kohl nahm Sie mit auf seine Wirtschaftsmissionen ins Ausland. Dann brach Ihre Firmengruppe unter einem riesigen Schuldenberg zusammen, es folgte die Privatpleite. Sie standen vor Gericht und sind jetzt ein verurteilter Betrüger.
... vorsichtig, verurteilter Betrüger ist absolut falsch.
Aber Sie sind vorbestraft und haben eine Bewährungsstrafe von drei Jahren gekriegt.
Ja, aber nicht wegen Betrugs. Ich habe mich damals mit einem Gläubiger aussergerichtlich geeinigt. Dafür verlangte das Gericht, dass ich ein Geständnis wegen Untreue ablege. Ohne die Chance der Einigung mit dem Gläubiger hätte ich dieses Zugeständnis nie gemacht. Denn aus meiner Sicht ging es nicht um Untreue. Ich hatte meiner damaligen Windhorst AG, die mir zu 98 Prozent gehörte, 800000 Euro entnommen, für die es keine formellen Aufsichtsratsbeschlüsse gab. Ein Fehler, aber eben auch ein Straftatbestand, obwohl ich ja auf der anderen Seite 8 Millionen aus privatem Vermögen in die Firma eingebracht hatte.
Es gibt kaum jemanden, der so spektakulär scheiterte. Warum lief alles schief?
Es lief vieles schief, aber doch längst nicht alles. Wenn man meine Historie anschaut, war sicher die Dotcom-Krise ein Auslöser für den Zusammenbruch meiner Firmen. Andere Gründe sind sicher auch bei mir zu suchen.
Diagnose Grössenwahn.
Das ist Ihre Wortwahl. Ich habe in jungen Jahren sehr viele Chancen erhalten. Im Überschwang der Jugend und mangels Erfahrung habe ich nicht darauf geachtet, mich mit der nötigen Disziplin in die Details einzuarbeiten. Ich habe Entscheidungen zu schnell aus dem Bauch heraus getroffen. Das hat eine Zeit lang funktioniert und ich wurde hochgejubelt.
... was wie eine Droge wirkte.
Das ist sicher verlockend. Mit 18 oder 20 Jahren geniesst man den Ruhm und das Lob, ohne an die Schattenseiten zu denken. Die habe ich dann auch in aller Härte erfahren. Das war für mich und andere schmerzhaft.
Zeitweise warfen Sie alle Skrupel über Bord. Sie wollten gar mal mit Geldern des nigerianischen Ex-Diktators Abacha Geschäfte machen.
Was für ein Bild wollen Sie denn malen? Damals, vor 14, 15 Jahren bekam ich von vielen Leuten irgendwelche Geschäfte angeboten. Die wurden auch geprüft. Tatsache ist, dass ich ein solches Geschäft nicht gemacht habe.
Sie fielen oft um und standen mit Hilfe von Partnern immer wieder auf. Ist das ein Beweis für Ihren Charme?
Ich sagte bereits, es lief nicht alles schief. Trotz mancher Niederlagen habe ich für Geschäftspartner immer wieder Geld verdient. Ich war bereit, für ein Geschäft, an das ich glaubte, hart zu arbeiten. Und ich konnte es sehr gut verkaufen.
Sie sind also nur ein guter Verkäufer oder ein Blender, wie Kritiker sagen?
Ursprünglich ja.
Was jetzt? Blender oder Verkäufer?
Sie sind unmöglich, aber bitte, wie Sie meinen. Mit dem Verkaufen habe ich als 16-Jähriger angefangen. Dazu stehe ich. Darüber hinaus habe ich das Talent mitbekommen, schnell Chancen, Preis- und Marktunterschiede zu erkennen. Ich bin eben der klassische Unternehmer wie ihn schon Ökonom Joseph Schumpeter beschrieb. Ein Arbitrageur, der Ineffizienzen in verschiedenen Märkten blitzschnell erkennt und daraus Geschäfte macht.
Von Schumpeter stammt übrigens auch das Konzept der kreativen Zerstörung. Was sind denn nun Ihre neuen Stärken?
Ich habe nicht studiert und bis vor ein paar Jahren auch noch nie in festen Strukturen gearbeitet. Ich liess auch keine Ratschläge von viel erfahreneren Profis zu. Zu spät merkte ich, dass die Nachhaltigkeit und das Dranbleiben genau so wichtig sind wie das Verkaufen. Ich habe gelernt.
Heute sitzen Sie auf dem Chefsessel der Investmentgesellschaft Sapinda. Den Posten verdanken Sie ausgerechnet einem ehemaligen Gläubiger. Wie konnten Sie Sapinda-Gründer Robert Hersov überzeugen?
Das müssen Sie ihn fragen. Schulden habe ich bei ihm keine mehr.
Auf Aussenstehende wirkt das irritierend. Sie schulden dem Gründer Millionen und haben mit der deutschen Sapinda-Tochter Vatas eine Pleite hingelegt. Normale Leute stehen dann auf der Strasse, nur Sie nicht.
Sie als Aussenstehender haben ja auch keinen Überblick, welche Geschäfte ich mit Herrn Hersov und der Sapinda-Gruppe in den letzten zehn Jahren gemacht habe.
Sie haben Gelegenheit, uns aufzuklären.
Windhorst (lächelt):
Nun ja, für Insider ist es nicht irritierend, dass Herr Hersov und ich freundschaftlich verbunden sind. Er hat komplizierte Geschäfte mit mir gemacht und dabei auch gute Erfolge erzielt.
Den grössten Erfolg müssen Sie uns nennen.
Es gibt nicht den einen grossen. Es ist schwer, sich selbst zu beschreiben, aber ich habe vielleicht die Fähigkeit, Chancen und Geschäfte schnell zu erkennen, die für andere nicht ersichtlich sind.
Geht es etwas konkreter?
Nein. Es gibt nicht das eine Geschäft, in dem ich für Herrn Hersov 5 oder 10 Millionen verdient habe. Es ist eine Vielzahl von Geschäften, die wir gemeinsam zu Erfolg geführt haben.
In welchen Branchen investieren Sie denn?
Wir haben eine Reihe von Sektoren, die für uns langfristig und strategisch interessant sind, etwa Agrarproduktion, Rohstoffförderung, Handel, Logistik.
Im Agrarsektor sind Sie nicht alleine. So manche Investoren kaufen inzwischen ganze Weizenfelder. Ist das auch Ihr Ziel?
Das ist nicht unser Fokus, aber natürlich nicht ausgeschlossen. Wir haben vielmehr die Bewirtschaftung von Ländereien im Auge – möglichst produktiv Land zu bewirtschaften.
Daneben ist Sapinda im klassischen Kapitalmarktgeschäft. Air Berlin ist dabei eine Ihrer Lieblingsbeteiligungen. Die Firma steht nicht gut da. Haben Sie sich getäuscht?
Das Unternehmen leidet unter der Luftfahrtabgabe und anderen Faktoren, die die gesamte Branche betreffen. Ohne die wäre das Ergebnis viel höher als letztes Jahr. Wir als Investoren haben mit dem Unternehmen in den letzten zwei Jahren gute Erfahrungen gemacht.
Wie schwer ist Sapinda eigentlich?
Gewichtig genug, aber diese Dinge gehören nicht an die Öffentlichkeit.
Mitarbeiter von Ihnen schreiben auf Social-Media-Seiten, dass Sapinda seit 2004 Transaktionen über 4,5 Milliarden Euro finanziert hat. Allein in den letzten 12 Monaten sollen es 1,2 Milliarden gewesen sein.
Wir sind als Gruppe handlungsfähig und können Investitionen in signifikanter Grössenordnung durchführen.
Haben Sie je in der Schweiz investiert?
Im Rahmen des Kapitalmarkts ist es schon vorgekommen. Ansonsten gibt es keine Aktivitäten in der Schweiz.
Das mit der Schweiz kann ja noch werden. Sie haben gerade einen Beirat gegründet, den ABB-Verwaltungsratspräsident Hubertus von Grünberg präsidieren wird.
Herr von Grünberg ist einer unter mehreren im Beirat. Diese herausragenden Experten beraten uns bei langfristigen strategischen Überlegungen, etwa wenn es um bestimmte Trends geht.
Aufgrund Ihrer Karriere geht Herr von Grünberg ein erhebliches Imagerisiko ein. Wie haben Sie ihn in diesen Beirat gelockt?
Offenbar sieht er das aufgrund seiner Kenntnisse nicht so pessimistisch und negativ wie Sie. Aber das müssen Sie ihn selbst fragen. Er hat sich nach sorgfältiger Prüfung, die auch über einen längeren Zeitraum dauerte, dafür entschieden.
Wie lange hat er geprüft?
Ich glaube, mehrere Monate.
Welche Risiken musste er prüfen?
Weiss ich nicht. Aber er wollte sicher sein, dass er sich für etwas engagiert, das die realistische Chance hat, nachhaltig erfolgreich zu sein. Wir beschäftigen uns mit sehr anspruchsvollen Projekten, dort wollen wir den Beirat einbinden und um Rat fragen.
Wer sitzt da neben Herrn von Grünberg?
Der Beirat wird zunächst aus sieben Personen bestehen, international, wenn auch zumeist aus Deutschland.
Die Mitglieder sind Präsidenten oder Chefs grosser Konzerne.
Erfahrene und hoch qualifizierte Persönlichkeiten. Die Namen geben wir demnächst bekannt.
Professionellen Rat können Sie brauchen. Auf dem Kapitalmarkt jagt ein Beben das nächste. Das trifft auch Sapinda.
Langsam, fast alle Marktteilnehmer neigen zur Übertreibung. Wegen der hohen Liquidität am Markt hat es in den letzten Monaten an den Börsen einen extrem grossen Boom gegeben. Deshalb erleben wir jetzt einen Einbruch.
Geht die Talfahrt weiter?
Ein Weltuntergangsszenario sehe ich überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass wir keine nachhaltige Weltwirtschaftskrise bekommen. Die ganze Welt sitzt im selben Boot. Keine Regierung hat ein Interesse daran, dass der Euro zerfällt, es den USA schlecht geht und in Asien das Wachstum abgewürgt wird.
Das klingt etwas naiv. Die Regierungen kriegen die Euro-Krise nicht in den Griff.
Das ist nicht naiv, sondern mit Abstand betrachtet. Die Politik kann, weil sie oft nur auf die Wählergunst sieht, nicht immer sofort die wirtschaftlichen richtigen Entscheidungen treffen. Deshalb geht es nicht so schnell, wie wir das wünschen.
Ihren Optimismus können wir nicht ganz nachvollziehen.
Es wird weiterhin regelmässig Investitionen, Transaktionen und Geschäfte geben. Ich sehe keine Panik. Es gibt Leute, die Geld verdienen, und Leute, die Geld verlieren. Und es wird die üblichen Preisanpassungen geben. Das ist der normale Zyklus, den es immer gab.
Ein Systemkollaps ist ausgeschlossen?
Das halte ich für ausgeschlossen.
Der Mensch
Name: Lars Windhorst
Funktion: Chef Sapinda
Alter: 34
Wohnort: London
Familie: Verheiratet
Ausbildung: Schule abgebrochen
Karriere:
1992 bis 1999: Gründung verschiedener Firmen
2000 bis 2004: Zusammenbruch der Windhorst-Computerfirmen
2004 bis 2009: Chef der Investmentfirma und Sapinda-Tochter Vatas. Sie meldet 2009 Konkurs an. Auslöser waren Aktiendeals mit Nord LB. Diese verklagte die Credit Suisse, die Aktiengeschäfte für Vatas abwickelte
Seit 2009: Chef Sapinda
Das Unternehmen Sapinda ist eine Investmentfirma mit Sitz in London. Neben Lars Windhorst sind der Südafrikaner Robert Hersov und der Koreaner Seok Ki Kim sowie vier weitere Gesellschafter investiert.