Die Guthaben im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge sollen im nächsten Jahr nur noch zu 0,75 Prozent verzinst werden. Die Eidgenössische Kommission für berufliche Vorsorge empfiehlt dem Bundesrat, den Mindestzinssatz zu senken.
Mit dem Mindestzinssatz wird bestimmt, zu wie viel Prozent das Vorsorgeguthaben im BVG-Obligatorium mindestens verzinst werden muss. Je tiefer der Satz, desto weniger wachsen die Guthaben der Versicherten. Bei einem Alterskapital von 300'000 Franken bedeutet die Senkung 750 Franken weniger Zins im Jahr.
Zuletzt hatte der Bundesrat den Zinssatz auf das Jahr 2017 gesenkt, von 1,25 auf 1 Prozent. Dieser Satz gilt auch im laufenden Jahr. Nun empfiehlt die BVG-Kommission, ihn 2019 zu senken, wie sie am Dienstag mitteilte.
Entwicklung der Rendite entscheidend
Die Vorschläge der Kommissionsmitglieder reichten von 0,25 bis 1,25 Prozent. In der Schlussabstimmung habe sich eine knappe Mehrheit für 0,75 Prozent und gegen 1 Prozent ausgesprochen, heisst es in der Mitteilung.
Entscheidend für die Festlegung der Höhe des Mindestzinssatzes ist die Entwicklung der Rendite der Bundesobligationen sowie zusätzlich der Aktien, Anleihen und Liegenschaften. Im Frühjahr hatte die BVG-Kommission eine Änderung beschlossen. Die neue Formel basiert grundsätzlich auf demselben Prinzip wie die bisherige, trägt aber der aktuellen Zinsentwicklung stärker Rechnung.
Da die neue Formel ein etwas höheres erwartetes Ergebnis als die alte aufweist, will die Kommission noch mindestens drei Jahre lang neben der neuen auch die bisherige Formel in ihre Abwägungen einbeziehen.
Tragbarkeit für Pensionskassen zentral
Die neue Formel ergibt einen Wert von 0,78 Prozent. Daneben würden auch weitere Rahmenbedingungen berücksichtigt, erklärt die Kommission. Dazu gehöre zum einen die Tragbarkeit des Satzes für die Vorsorgeeinrichtungen in Bezug auf die Erträge, die sie selbst auf dem Finanzmarkt erzielen können.
Zum anderen müssten die Einrichtungen in der Lage sein, das Leistungsziel zu erreichen, damit sie für die einzelnen Versicherten ein genügendes Vorsorgeguthaben äufnen könnten. Zu berücksichtigen sei ebenso, dass nicht die ganze Rendite einer Vorsorgeeinrichtung für die Mindestverzinsung verwendet werden könne. Die Vorsorgeeinrichtungen hätten auch die gesetzliche Pflicht, Wertschwankungsreserven zu bilden und Rückstellungen vorzunehmen.
Gewerkschaften protestieren gegen «Tabubruch»
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) reagierte empört auf die Empfehlung der Kommission. Diese verschärfe die Probleme der Arbeitnehmenden in der Altersvorsorge, sagte SGB-Sekretariatsleiter Daniel Lampart auf Anfrage. Eine Mindestverzinsung von unter 1 Prozent sei ein «Tabubruch», der zu immer weiter sinkenden Renten führe.
Das Vertrauen der Versicherten in die zweite Säule werde erschüttert. Die Kassen hätten im Durchschnitt der letzten sechs Jahre eine Performance von 5,5 Prozent erzielt, stellte Lampart fest. Dass das Kapital im Obligatorium nun nur noch so wenig abwerfen solle, sei ein Skandal. Auch der Dachverband Travail.Suisse verweist auf die hohen Renditen. Die Kommission hätte gute Gründe gehabt, den Mindestzins bei 1 Prozent zu belassen, hält er fest.
Der Arbeitgeberverband findet dagegen den Satz von 0,75 Prozent immer noch zu hoch. Die Kommission habe ihre neue Formel allem Anschein nach entwickelt, um einen möglichst hohen Mindestzins begründen zu können, kritisiert er. Die bisherige Formel ergäbe für 2019 einen Zinssatz von 0,5 Prozent.
«Mit ihrer Empfehlung macht die Kommission den Mindestzins endgültig zum politischen Spielball», schreibt der Arbeitgeberverband. Es sei an der Zeit, das Konzept anzupassen. Auch dem Schweizerischen Versicherungsverbandes ist der Satz zu hoch. Er fordert 0,25 Prozent.
Bundesrat steht in der Pflicht
Entscheiden wird der Bundesrat. Er hat den Mindestzinssatz in den vergangenen Jahren mehrmals angepasst. Von 1985 bis 2002 hatte der Satz noch 4 Prozent betragen. Per 2012 wurde er auf 1,5 Prozent gesenkt. 2014 erhöhte der Bundesrat den Mindestzinssatz wieder auf 1,75 Prozent, 2015 senkte er ihn auf 1,25 Prozent. Seit 2017 beträgt der Satz 1 Prozent.
Im Parlament werden immer wieder Stimmen laut, die eine «Entpolitisierung» von Mindestumwandlungssatz und Mindestzinssatz fordern. Diese sollen nach einer festen Formel berechnet werden. Der Nationalrat hält an einem entsprechenden Vorstoss fest. Der Ständerat hätte die Reform der Altersvorsorge abwarten wollen. Aus Sicht des Bundesrates gibt es keine Formel, die in jedem Fall adäquate Ergebnisse liefert.
(sda/me/mbü)