Am 19. September wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Rahmen ihrer vierteljährlichen Lagebeurteilung ihren jüngsten Zinsentscheid bekannt geben.
Und dieser könnte es in sich haben: Wie die Credit Suisse schreibt, preisen die Finanzmärkte mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent eine Leitzinssenkung um 25 Basispunkte auf minus 1 Prozent ein.
Es wäre der erste Zinsschritt der SNB seit dem 15. Januar 2015. Er würde die Situation für Sparer, Pensionskassen und Finanzinstitute in der Schweiz noch ungemütlicher machen.
Auch die UBS glaubt an ein weitere Verschärfung an der Zinsfront: «Die SNB wird als Reaktion auf die EZB die Negativzinsen auf minus 1 Prozent ausweiten müssen», lautet die Prognose von Daniel Kalt, dem Chefökonomen von UBS Schweiz. Er weist gleichzeitig aber darauf hin, dass diese Massnahme der SNB von der Europäischen Zentralbank abhängig sein wird, die bereits diesen Donnerstag ihren Zinsentscheid bekanntgeben wird.
Was die EZB entscheiden wird, ist höchst ungewiss: Zwar preisen die Finanzmärkte derzeit einen, vielleicht sogar zwei Zinsschritte auf minus 0,5 beziehungsweise minus 0,6 Prozent ein. Hinzu kommt ein erwartetes Anleihenkaufprogramm in der Höhe von 30 bis 50 Milliarden Euro pro Monat, zur Unterstützung der europäischen Konjunktur.
«Inoffizielle Untergrenze bei 1,08»
Doch ist eine Überraschung von EZB-Präsident Mario Draghi möglich. «Mit Hinblick auf die Nachrichtenlage der vergangenen Tage könnte die EZB die Märkte enttäuschen», sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Draghi blase Gegenwind von zahlreichen Notenbankpräsidenten entgegen, etwa aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Diese Länder wollen eine geldpolitische Lockerung verhindern. Insofern sei es gar nicht sicher, dass Draghi überhaupt weitere Anleihenkäufe platzieren könne.
Ein Verzicht der EZB auf die Anleihenkäufe, verbunden mit der «in Stein gemeisselten» Zinssenkung, würde laut Gitzel für eine grosse Enttäuschung an den Aktienmärkten sorgen. Aber gleichzeitig auch die europäische Gemeinschaftswährung stärken, so dass ein Euro-Franken-Kurs von über 1,10 möglich sei. Derzeit sind es knapp 1,09. Das würde wiederum die SNB entlasten und eine Ausweitung der Negativzinsen in der Schweiz wäre dann vorerst vom Tisch.
Und selbst wenn die EZB die erwartet starke geldpolitische Lockerung durchführen würde, sieht Gitzel von der VP Bank höhere Negativzinsen in der Schweiz nicht als ausgemachte Sache an. Er beobachtet bei der SNB vielmehr eine inoffizielle Kursuntergrenze von 1,08, die man mit Devisenkäufen in den letzten Wochen erfolgreich verteidigte. Erst wenn diese Grenze nicht mehr zu halten sei und der Aufwertungsdruck des Franken zu gross werde, sei eine Ausweitung der Negativzinsen ein Thema.
Auch Adriel Jost, Chefökonom bei Wellershoff & Partners, erwartet keinen Zinsschritt in der Schweiz im September: «Es liegen nur noch sehr wenige Schritte nach unten drin, deshalb wird die SNB diese sehr behutsam einsetzen», so der Ökonom, der sieben Jahre lang selbst für die SNB tätig war und dort unter anderem den Vizepräsidenten beriet. Die SNB werde vielmehr die Folgen des EZB-Entscheids auf Wechselkurs, Inflation und Wirtschaftslage abwarten und zunächst weiterhin mit Devisenkäufen einer Aufwertung entgegenhalten.
Jüngst eine Entspannung beim Franken
Die SNB kämpft bereits seit Jahren gegen einen starken Franken an. Um die Attraktivität von Anlagen in Franken tief zu halten und damit den Druck auf die Schweizer Währung zu verkleinern, bedient sie sich dem Negativzins und interveniert bei Bedarf am Devisenmarkt. Als Mitte Juni die EZB eine weitere geldpolitische Lockerung signalisierte, kaufte die SNB wieder verstärkt im Devisenmarkt zu, um einen noch stärkeren Franken zu verhindern.
Seit Ende vergangener Woche liess der Druck auf den Franken allerdings wieder etwas nach, da es verschiedenenorts zu einer Entspannung kam. So ist inzwischen ein harter Brexit in Grossbritannien wieder unwahrscheinlicher und auch im Handelsstreit zwischen USA und China werden derzeit wieder versöhnlichere Töne eingeschlagen. Der Franken schwächte sich vergangene Woche innert kürzester Zeit zum Euro von 1,08 auf 1,09 ab.
Diese gegenwärtige Beruhigung hat auch Kalt von der UBS wahrgenommen, der – wie eingangs erwähnt – grundsätzlich eine Zinssenkung in der Schweiz erwartet. Sollte sich die Lage im Handelsstreit bis zum 19. September jedoch weiter beruhigen und der Euro-Franken-Kurs auf über 1,10 ansteigen, dann hält auch er ein Verzicht der SNB auf eine weitere Zinssenkung für denkbar.