Milliardenverluste, juristische Streitigkeiten beim Fahrdienst und kaum Aussichten, in naher Zukunft die Gewinnschwelle zu erreichen. Und trotzdem wagt der US-Fahrdienstleister Uber am Freitag den Sprung an die Börse.
Uber möchte die Preisspanne beim IPO (Initial Public Offering) am Freitag auf 44 bis 50 Dollar pro Aktie festlegen. Allerdings kündigte der Fahrdienstleister an, nur einen geringen Teil - rund 13 Prozent - der Titel zu kotieren. Bei einer geplanten Platzierung von 180 Millionen frei handelbaren Anteilsscheinen könnte der Gang an die Börse Uber bis zu 10 Milliarden Dollar einbringen.
Die Begeisterung der Anleger hält sich aber in Grenzen. Uber dürfte seine Papiere in der Mitte der Preisspanne oder vielleicht sogar unterhalb der 47 Dollar bei Investoren losschlagen, berichteten "Wall Street Journal" und CNBC übereinstimmend unter Berufung auf eingeweihte Kreise. Damit würde Ubers Gesamtbewertung deutlich unter der Marke von 90 Milliarden US-Dollar bleiben.
Wachstum und Marktpotenzial
Dennoch sind die langfristigen Erwartungen hoch. Ein Grund dafür sind die hohen Wachstumsraten des Fahrdienstleisters. Knackte man 2015 die Umsatzmarke von einer Milliarde Dollar, setzte Uber im Jahr 2018 bereits über 11 Milliarden Dollar um. Und: Das Segment "transport as a service" (TaaS) birgt enorme Möglichkeiten, welche laut Analysten nicht mal ansatzweise ausgeschöpft sind. GAM Investments schätzt das Marktpotenzial dieser Branche auf mehrere Billionen Dollar.
Im Gegensatz zum kleineren Konkurrenten Lyft, dessen Börsengang vor einigen Wochen sich enttäuschend entwickelte, ist Uber breit aufgestellt. Neben dem reinen Fahrdienst bietet das Unternehmen aus San Francisco zusätzliche Dienste wie Uber Eats und Uber Freight an. Letzteres ist eine digitale Fracht-Plattform, welche für die Logistikbranche Ladungen und freie LKW-Kapazitäten vermittelt. Zudem arbeitet Uber zusammen mit seinem Investor Toyota an der Entwicklung eines selbstfahrenden Autos.
Uber trifft mit seinen Ideen zweifellos immer wieder einen Nerv. Die Wachstumsraten zeigen, dass der Fahrdienstleiter bis anhin unbefriedigte Bedürfnisse erfüllt. Angesprochen auf die immensen Verluste, wird oft der Vergleich mit dem Online-Riesen Amazon gezogen – nicht zuletzt von Uber selbst. Jeff Bezos brauchte geschlagene 14 Jahre, bis er mit Amazon nach dem Börsengang die Gewinnschwelle überschreiten konnte.
Frage der Wirtschaftlichkeit
Doch dass der Vergleich hinken könnte, zeigt sich bei einem Blick auf das Geschäftsmodell des Fahrdienstleisters. Mark Hawtin von GAM Investments, ein Spezialist für Tech-Aktien, stellt fest, dass Uber im Gegensatz zu Amazon oder Facebook stark auf finanzielle Anreize für Fahrer und Fahrgäste angewiesen ist, um attraktiv zu sein.
Heisst: Erst, wenn die Fahrt mit dem Uber merklich günstiger ist als mit einem alternativen Verkehrsmittel, steigt der Kunde ein. Hawtin argumentiert, dass Uber in privaten Finanzierungsrunden völlig überhöhte Bewertungen erziele, die dem Fahrdienstleister irrational hohe Mengen an liquiden Mitteln bescherten. Diese könnten sie dann für die Finanzierung von Anreizen verwenden.
Hinter dem Uber Fahrdienst steckt also (noch) kein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell. Es stellt sich die Frage, wie der Fahrgast das Angebot von Uber annehmen wird, wenn dieser Anreiz wegfällt. In dasselbe Horn blasen die Analysten von AXA Investment Managers. Nur dank einer stützenden Reihe von Risikokapitalfinanzierungen und viel zu niedrigen Preisen habe Uber derart viele Nutzer dazugewinnen können. Daher warte man ab, ob Uber die Rentabilität steigern könne, ohne die Preise zu erhöhen.
Uber etwas für Zocker?
Anzunehmen ist, dass die Uber-Aktie trotz aller Bedenken zumindest anfangs einen Aufschwung erleben wird. Wie bei neuen Technologien üblich, können Anleger von einem anfänglichen, hype-getriebenen Aufschwung profitieren. Allerdings ist nicht abzuschätzen, wie lang dieser anhalten wird. Der Aktienkurs von Lyft steht heute rund ein Viertel tiefer als beim Börsengang.
Wer auf der sicheren Seite sein möchte und Geduld mitbringt, sollte erst einmal abwarten. Gerade wer überlegt, langfristig in Uber zu investieren, sollte die erste Phase der Einpreisung, die meist von Volatilität geprägt ist, lieber als Beobachter begleiten. Sollte sich zeigen, dass Uber nicht nur innovativ denkt, sondern seine Ideen auch in ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell umwandeln kann, kann man immer noch einsteigen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei cash.ch mit dem Titel: «Uber - Droht eine neue Tech-Enttäuschung?»