Welches der genaue Preis für ein Haus oder eine Eigentumswohnung ist, zeigt sich letztlich erst, wenn ein Käufer gefunden ist. Trotzdem brauchen Käufer und Verkäufer eine Vorstellung vom Wert einer Liegenschaft, bevor sie sich auf einen Handel einlassen. Und auch bei Erbschaften oder Schenkungen ist es oft erforderlich, den Wert einer Immobilie zu ermitteln.
Expertenschätzung
Als Königsweg gilt nach wie vor der Weg über einen professionellen Schätzer. Er besichtigt das Objekt und studiert Baupläne, Grundbuchauszug und Katasterplan und bestimmt letztlich mithilfe finanzmathematischer Berechnungen den sogenannten Verkehrswert. Doch in der Praxis gibt es heute verschiedene Methoden, die oft kombiniert werden.
Architekten geben die Kosten eines Baus gerne in Kubikmetern an. Ein Kubikmeterpreis von beispielsweise 2000 Franken sagt aber kaum etwas darüber aus, ob das Haus günstig oder teuer ist. Bedeutend informativer ist der Preis pro Quadratmeter Wohnfläche. 7000 Franken pro Quadratmeter gelten als günstig, 20 000 Franken als luxuriös. Quadratmeterpreise zwischen 8000 und 14 000 Franken sind in der Schweiz der Normalfall. Grosse Unbekannte bleibt natürlich der Landpreis. In Hotspots wie Zürich, Genf, Gstaad oder St. Moritz liegen die Preise teils aber deutlich höher.
Realwert
Dieser Substanz- oder auch Wiederbeschaffungswert bemisst den Preis, der bezahlt werden müsste, um dieselbe Liegenschaft an derselben Lage erneut zu bauen. Mit dem Marktpreis hat diese Grösse aber wenig zu tun. Der Substanzwert ist allenfalls für die Gebäudeversicherung von Belang.
Ertragswert
Der Ertragswert geht von der erzielbaren Jahresmiete aus. Eine lange Zeit übliche Faustregel sagt, dass sie - weitgehend unabhängig vom Hypothekarzins - bei 3 bis 5 Prozent des Objektwertes liegen sollte. Um den Wert einer Liegenschaft zu ermitteln, muss man die erzielbare Jahresmiete also etwa mit einem Faktor 20 bis 33 multiplizieren. Der Ertragswert eines Hauses, das für monatlich 3000 Franken vermietet werden kann, liegt also bei 720 000 bis 1,2 Millionen Franken. Viele Neukäufer geben sich heute allerdings mit Bruttorenditen von 2 bis 3 Prozent zufrieden, zahlen also bis zu 1,8 Millionen Franken für eine Liegenschaft mit einem Ertragswert von 3000 Franken monatlich. Tiefe Hypothekarzinsen und hohe Belehnung sollen es möglich machen.
Verkehrswert
Der Verkehrs- oder Marktwert entspricht einer Mischung aus Real- und Ertragswert, wobei der Ertragswert in der Regel dreimal stärker gewichtet wird als der Substanzwert. Ein Haus mit einem Ertragswert von 800 000 Franken und einem Substanzwert von 1,2 Millionen Franken hätte demnach einen Verkehrswert von 900 000 Franken.
Mit dieser Methode arbeiten viele Banken, Versicherungen, Immobilientreuhänder und Architekten. Der Schätzbericht eines Experten kostet für ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung normalerweise etwa 1200 Franken, kann in komplexeren Fällen wie einem historischen Gebäude oder der Villa eines berühmten Architekten aber auch deutlich höher liegen. Experten findet man auf der Website des Schweizerischen Immobilienschätzer-Verbandes oder der Schweizerischen Schätzungsexpertenkammer. Auch viele Sektionen des Hauseigentümerverbands führen Schätzungen durch.
Hedonischer Wert
Völlig anders funktioniert die sogenannte hedonische Bewertung. Hier gilt als einziges Kriterium der effektiv am Markt erzielte Preis für vergleichbare Objekte.
Basis ist jeweils ein ausgeklügeltes Online-Formular, das nach vielen Details zur Liegenschaft und zur Lage fragt. Anbieter wie Iazi, Fahrländer oder Wüest Partner gleichen die Eingaben dann mit riesigen Datenbanken ab, in denen Einzelheiten zu Tausenden von echten Käufen und Verkäufen festgehalten sind. Eine sogenannte hedonische Bewertung kostet zwischen 400 und 600 Franken, ist also deutlich günstiger als eine Expertenschätzung. Sie stützt sich auf anonymisierte Datenbestände von Banken, Pensionskassen und Immobilienfirmen. Mit dieser Methode arbeiten auch Gross- und Kantonalbanken, die dank ihren vielen Hypothekarkunden über genügend Daten verfügen, um die lokal und regional tatsächlich erzielbaren Preise abschätzen zu können.
Online-Tools
Und letztlich gibt es inzwischen Gratis-Tools und Mobile-Apps, die mit ein paar Klicks zumindest erste Hinweise auf den Marktwert einer Liegenschaft liefern.
Bestimate, das Tool von Brixel (brixel.ch), gibt sich mit diesen drei Informationen bereits zufrieden. Entsprechend rudimentär fällt das Resultat aus. Die Schwankungsbreite der Schätzung ist riesig. Sie liegt fix bei plus/minus 20 Prozent gegenüber dem Mittelwert. Ein Objekt mit einem Mittelpreis von 1 Million Franken kann also ebenso gut bloss 800 000 oder auch 1 200 000 Franken wert sein. Dazu Martin Angehrn, Mitgründer und Chef von Brixel: «Unsere Berechnungen zeigen, dass für eine indikative Schätzung vier bis acht Faktoren ausreichen und die Resultate dabei nicht stark voneinander abweichen.» Die wichtigsten Faktoren der Mikro- und Makrolage sowie der strukturellen Eigenschaften seien durch sein Modell bereits abgedeckt.
Pricehubble (pricehubble.com) fragt zusätzlich nach dem Baujahr, der Anzahl Zimmer und Nasszellen sowie der Grundstücksfläche. Zudem müssen weitere Details wie freistehend oder angebaut, Renovationsstand, Minergie, Lift oder Balkon/Terrasse angegeben werden. Neben Transaktionsdaten lässt Pricehubble auch Informationen zur Umgebung sowie allgemeine wirtschaftliche und soziodemografische Daten in die Bewertung einfliessen. Der Schätzbereich liegt bei plus/minus 7 bis 15 Prozent gegenüber dem Mittelwert. Die Schätzgenauigkeit hängt von der verfügbaren Datenmenge für die gewählte Region zusammen. Das Schätzmodell stützt sich laut Pricehubble-Chef und -Mitgründer Markus Stadler nicht nur auf getätigte Transaktionen (Käufe und Verkäufe), sondern auch auf Umweltfaktoren, Infrastruktur- und Stadtentwicklungsdaten sowie Sentiment-Analysen, also eher subjektive Faktoren wie See- oder Bergsicht.
Am meisten Eingaben verlangt das Gratis-Tool des Vergleichsdienstes Comparis (www.comparis.ch/immobilien/verkaufen) beziehungsweise seines Partnerunternehmens Qualitätsnetzwerk Schweizer Immobilienmakler (QSIM). Es basiert ebenfalls auf der Datenbasis von Pricehubble, fragt aber zusätzlich nach Garagen- oder Aussenparkplätzen, Sauna oder Swimmingpool. Der Streubereich der Schätzungen liegt gegenüber dem Mittelwert wie bei Pricehubble bei plus/minus 7 bis 15 Prozent.
Das Geld verdienen die Gratis-Tool-Betreiber mit kostenpflichtigen Zusatzleistungen rund um den Immobilienverkauf. Deshalb muss man sich bei allen dreien auch registrieren und den Grund für die Abfrage eingeben. Wer dort vermerkt, dass er den Verkauf seiner Liegenschaft plant, muss mit dem Anruf von Maklern rechnen. Pricehubble verkauft zudem Lizenzen am eigenen Tool.
Mobile-Apps
Auch der Versicherungs- und Immobilienkonzern Swiss Life sowie die Bank Clerc (Quanto) und die Basler Kantonalbank (Homescan) stellen Gratis-Bewertungs-Tools zur Verfügung. Das Swiss-Life-Tool basiert auf der Wohn- und Grundstücksfläche sowie dem Alter und dem Zustand der Immobilie. Die Adresse ist nicht erforderlich, dafür muss man wissen, wie hoch der aktuelle Quadratmeterpreis des Grundstücks ist. Das dürfte selbst für verkaufswillige Eigentümer schwer einzuschätzen sein. Interessierten Käufern fehlt diese Information meist vollends. Das Tool ergibt in Tests auffällig tiefe Bewertungen. Als Schätzergebnis erhält man lediglich einen «ungefähren Realwert» (Swiss Life).
Quanto und Homescan sind zwei identische Mobile-Apps für das Handy. Damit muss die entsprechende Immobiliefotografiert werden. Per GPS errechnet das Tool daraus die genaue Lage der Liegenschaft. Anschliessend müssen Zimmerzahl, Nettowohnfläche und Baujahr eingegeben werden. Die Schätzung erfolgt im Hintergrund durch einen Abgleich mit der Iazi-Datenbank. Der Streubereich ist mit plus/minus 15 bis 21 Prozent gegenüber dem Mittelwert eher hoch. Der grosse Nachteil: Um die Apps zu nutzen, muss man zu jeder allenfalls interessanten Immobilie hinfahren. Für eine erste Grobschätzung ist das sehr aufwendig.
Gratis-Applikationen können eine Expertenschätzung oder eine vollwertige hedonische Schätzung nicht ersetzen. Wer mehrere Gratis-Tools und -Apps nutzt, kann daraus aber eine gute Näherung an den Marktpreis ableiten. Was die Liegenschaft tatsächlich wert ist, weiss man allerdings erst, wenn sie verkauft ist.