Rainer Popp hat einen Traum: Er will einen Fernsehsender schaffen, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat: Nur Information und niveauvolle Unterhaltung. 82 Mio Deutsche sollen «Tele Veronika» per Kabel oder Satellit empfangen können. Der Entwurf für das geplante Studio in Hannover ist dem Schloss Versailles nachempfunden. An den Wänden hängen – nicht ganz dazu passend – Bilder von Rudi Dutschke und Che Guevara. «Wir senden für die Generation Dutschke, die über 50-Jährigen», erläutert Popp, Jahrgang 1946 und einst Chefredakteur von RTL.

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Doch der TV-Veteran muss seine Vision jetzt auf unbestimmte Zeit vertagen. Anfang April einigte Popp sich mit der Landesmedienanstalt Niedersachsen, den Antrag auf eine Sendelizenz einstweilen ruhen zu lassen. «Die Finanzierung ist noch nicht ganz gesichert», so Popp. Er verhandele weiter mit den Banken. Keine gute Nachricht für die freien Aktionäre von Popps Firma Prime Beteiligungen AG. Schon Anfang Januar hatten sie einen Kurssturz von etwa 1 Euro auf unter 20 Cent verkraften müssen. «Der Börsenwert stand doch nur auf dem Papier», versucht Popp abzuwiegeln.

Das Schicksal von Prime ist typisch für die neueste Abzockermasche mit Pennystocks im Open Market der Frankfurter Börse. Das Perfide daran: Die angeblich billigen Unternehmen kommen aus der Schweiz, haben aber oft einen deutschen Hintergrund.

Immer ähnliches Schema

Das Muster ist immer dasselbe: Ein Unternehmen aus der Bundesrepublik, das eigentlich noch lange nicht reif für die Börse ist, wird in der Schweiz in eine Holding eingebracht, die zuvor nur aus einem nahezu wertlosen Firmenmantel bestand. Dank der überhöht bewerteten Sacheinlage kann die Holding plötzlich ein ansehnliches Eigenkapital ausweisen. Obendrein teilen die Dealmaker das Kapital in eine riesige Zahl von Aktien auf, die nur einen winzigen Nominalwert haben. In der Schweiz liegt die Untergrenze für den Nennbetrag bei 0,01 Fr. – in Deutschland ist es 1 Euro.

Dann wird der Pennystock an die Börse Bern gebracht, wo das Listing denkbar einfach ist. Wenig später führt ein befreundeter Makler den Titel im Frankfurter Freiverkehr ein. Auch dort sind die Zulassungsvoraussetzungen recht lax: Viele Firmen, die sich listen lassen, haben zuvor noch nie eine Bilanz vorgelegt oder ihre Erträge ausgewiesen.

Aufgrund des niedrigen Nennbetrags übersehen die Aktionäre leicht, wie hoch der Ausgabepreis eigentlich ist. Die Prime-Aktien haben einen Nennwert von 0,10 Fr., wurden aber in Frankfurt zu 0,79 Euro eingeführt. Am ersten Handelstag betrug die Marktkapitalisierung 47,4 Mio Euro – ein stolzer Preis für eine TV-Gesellschaft in Gründung, die nichts als 6 Mio Fr. in bar vorweisen kann.

Die Initiatoren des IPO verpflichten den Firmengründer oft dazu, die Mehrheit der Anteile zu halten. «Ich habe mich verpflichtet, meine 51% fünf Jahre lang nicht zu verkaufen», sagt Prime-Gründer Popp. Als Dank für ihre Bemühungen verlangen die Börsenhelfer zudem ein grösseres Aktienpaket – 10% oder mehr. Nach und nach stossen sie dann ihre Anteile an der Börse ab.

Damit der Kurs nicht unversehens ins Rutschen gerät, trommeln allerlei dubiose Börsenbriefe wie «Börsenkurier», «Smart Monet Research» oder «Hotstock-Kurier» für die junge Aktiengesellschaft. Bei Prime empfahl der «Deutsche Investment Report» (DIR) nahezu im Wochenrhythmus den Kauf. «Diese Marktschreierei war mir unangenehm», räumt Popp ein. «Doch was sollte ich dagegen tun?»

Die umstrittenen Börsenbriefe machen derzeit laute Propaganda für Pennystocks wie Swiss Fe, Tunc Holding und Voltavis. Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) prüft, ob die Anleger mittels der Berichterstattung im DIR systematisch gerupft werden. Vor wenigen Tagen hat die Behörde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Marktmanipulation gestellt. Der Schaden könnte sich insgesamt auf mehrere Dutzend bis hundert Mio Euro belaufen.

In der Tat gibt es Verbindungen, die den Argwohn der Investoren erregen. So haben die Pennystocks Esiqia, Prime, Swiss Fe, Tunc und Voltavis sowie eine Schweizer Firma, die einschlägige Börsenbriefe herausgibt, denselben Buchprüfer – eine Gesellschaft mit dem klingenden Namen McKinley Gold-man Smith. Die Anfang 2007 ins Handelsregister eingetragenen Wirtschaftsprüfer sind der deutschen Börsenaufsicht bereits aufgefallen.

Anleger sind die Dummen

Besonders pikant: Esiqia-Prüfer Rolf I. stand als Verwaltungsrat an der Wiege der 2006 gegründeten Equity Research. Der Verlag erscheint unter anderem im Impressum des Börsenbriefs «Smart Monet Research» auf. Auch den DIR gab Equity Research heraus, bis der Ende Februar plötzlich nach Panama umsiedelte.

Besonders beliebt im Umfeld der Pennystocks ist die Nordstrasse 89 in Zürich. Dort sitzt die Firma Recross, ebenfalls als Verleger von jubilierenden Börsenbriefen hervorgetreten. Die gleiche Adresse hat die Tune Holding, das jüngste Lieblingskind der Aktienschmeichler. Voriges Jahr nahm in der Nordstrasse 89 zeitweise die Tiro Listing Quartier. Die Firma gehört zur Tiro-Holding, die ein ganzes Bündel von Pennystocks an die Börse begleitet hat – etwa Metriopharm, Prime und Swiss Fe.

Nur wenige Firmen, die unter die Abzocker gefallen sind, distanzieren sich energisch von den Machenschaften. Dazu gehört die Biotechfirma Metriopharm, die seit März 2007 im Open Market gehandelt wird. Die Marktkapitalisierung sank seither von 72 Mio auf weniger als 9 Mio Euro – immer noch viel für eine Firma, die nur 18 Mitarbeiter hat. «Den Börsendienst DIR haben wir mehrmals, zuletzt Ende November 2007, unter Androhung rechtlicher Schritte aufgefordert, die irreführende Berichterstattung über die Metriopharm AG zu unterlassen», berichtet Firmenchef Wolfgang Brysch. Danach sei Ruhe gewesen.

Für die Anleger freilich ist schwer zu erkennen, welche Pennystocks seriös und welche nichts als Schwindel sind. Die Hintermänner bleiben oftmals völlig unsichtbar, Börsenaufseher und Staatsanwälte stochern im Nebel. Der Düsseldorfer Nebenwerte-Spezialist Matthias Schrade hat deshalb einen einfachen, klaren Rat: «Hände weg von Pennystocks.»