Die Entscheidung der Briten zugunsten eines EU-Ausstiegs ist gefallen, und siehe da: Trotz aller Kassandrarufe im Vorfeld hat sich die Welt bisher trotzdem weiter gedreht. Es ist nach dem Brexit-Votum zum stärksten Rückgang im britischen Verbrauchervertrauen seit 21 Jahren gekommen, und die Stimmung im Immobiliensektor mit dem Bau-Einkaufsmanagerindex ist auf den Level von 2009 zurückgefallen, doch gleichzeitig gibt es auch Meldungen über Grossinvestoren, die das verschlechterte Sentiment genutzt haben, um sich auf dem britischen Immobilienmarkt zu positionieren. Der japanische Telekomkonzern SoftBank hat zudem trotz Brexit eine rund 29 Milliarden Euro schwere Übernahmeofferte für den britischen Chipentwickler ARM Holdings vorgelegt. Und die Börse ist in Feuerlaune. Nach dem ersten Brexit-Schreck konnte der britische Leitindex FTE 100 schon um 12,7 Prozent zulegen.  

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Tiefes Pfund – britische Unternehmen profitieren

Der Kursanstieg des FTSE 100 lässt sich nicht zuletzt mit der Annahme erklären, ein schwächeres britisches Pfund könne sich vorteilhaft auf die Gewinne vieler Grosskonzerne auswirken. In diesem Zusammenhang erinnern die Analysten der UBS daran, dass die FTSE-100-Index-Mitglieder rund 75 Prozent ihrer Umsätze ausserhalb Grossbritanniens erzielen. So habe in der Vergangenheit ein 10-prozentiger Kursrückgang der Landeswährung gegenüber dem Dollar und dem Euro zu einem Anstieg bei den Gewinnen je Aktie von durchschnittlich 6 Prozent geführt. «Da viele Unternehmen auch eine überdurchschnittlich hohe Kostenbasis im Vereinigten Königreich haben, werden sie wohl von einem positiven Einfluss auf ihre in Pfund ausgewiesenen Umsätze und Gewinn profitieren», vermutet Julius-Bär-Analystin Britta Simon.

Weil durch den Währungsaspekt wie erwähnt oft insbesondere die Grosskonzerne begünstigt werden, ist das ein wichtiger Erklärungsansatz für die zuletzt überdurchschnittlich gute Entwicklung des FTSE 100. Zumal viele Standardwerte auch mit einer überdurchschnittlich hohen Dividendenrendite aufwarten können. Mit rund 4 Prozent für die FTSE-100-Vertreter wird die derzeit dort gebotene durchschnittliche Dividendenrendite von vielen Investoren im andauernd zähen Niedrigzinsumfeld als sehr attraktiv bewertet. Dieser Vergleich fällt übrigens auch vorteilhaft zugunsten vieler britischer Nebenwerte aus, wobei es auch in dieser Kategorie einige Titel gibt, die losgelöst von Dividendenüberlegungen als Brexit-Profiteure eingestuft werden können. So berichtet die deutsche Berenberg Bank über zuletzt deutlich gestiegene Kundenanfragen nach britischen Nebenwerten mit Dividenden-Appeal.

Keller Group – Dividende wird wahrscheinlich deutlich steigen

Gezielt nach Dividendenaktien Ausschau zu halten, macht im Niedrig-/Negativ-Zinsumfeld grundsätzlich Sinn, aber auch hier gilt es einiges zu beachten. Dazu gehört, auf eine vernünftige Relation bei sonstigen Bewertungskennziffern ebenso zu achten wie auf die weiteren Geschäftsaussichten. Sehr ratsam ist es ausserdem, die Ausschüttungsquote zu berücksichtigen. Denn, wenn die Dividende aus der Substanz gezahlt wird und wenn sie dadurch höher ist als der Gewinn, ist die Gefahr einer künftigen Dividendensenkung gross. Eine sehr gute Kursentwicklung legen erfahrungsgemäss jene Dividendenaktien oft hin, die zwar momentan noch keine wirklich hohen Dividendenrenditen abwerfen, die dafür aber ein Profil mitbringen, das für die nächsten Jahren stetig steigende Gewinne und damit deutliche Steigerungen bei der Ausschüttung erwarten lässt.

Die letztgenannte Anforderung erfüllt beispielsweise die Keller Group (ISIN: GB0004866223). Analysten trauen der weltweit grössten Spezialtiefbaufirma bis 2018 kontinuierlich steigende Gewinne zu, wobei diese vor allem von den US-Aktivitäten gespeist sein sollen. Dank des positiven Ergebnistrends werden stetig steigende Dividenden erwartet. Der Konsens rechnet für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 mit Zahlungen von 0,29 Pfund, 0,31 Pfund und 0,34 Pfund. Für 2015 hatte es erst 0,27 Pfund gegeben.

Ashtead Group – vom Brexit keine Spur

Nichts anhaben, konnte der sich anbahnende britische EU-Ausstieg auch den Aktien der Ashtead Group (ISIN: GB0000536739). Vielmehr ist der Vermieter von Bau-Geräten und Bau-Ausrüstungen pünktlich zum Redaktionsschluss auf neue Kursrekorde vorgerückt. Laut Finanzdienstleister Peel Hunt werden dort im Fiskaljahr 2017 voraussichtlich 92 Prozent des Ebita aus den USA kommen.

Das ist gut, weil die Konjunktur in den Staaten vergleichsweise robust läuft, und zudem winken Währungsgewinne. Die Dividendenrendite ist aktuell auf der Basis der zuletzt gezahlten 0,225 Pfund je Aktie mit 1,9 Prozent zwar noch nicht allzu üppig, doch Analysten kalkulieren für die nächsten drei Jahre mit Zahlungen von 0,25, 0,27 und 0,31 Pfund.

SSE Plc – 5,6 Prozent Rendite

Wie seit Februar gestiegene Notierungen belegen, kommt auch SSE Plc. (Scottish and Southern Energy, ISIN: GB0007908733) gut im aktuellen Umfeld zurecht. Wunderdinge sind bei dem wie Ashtead im FTSE 100 Index enthaltenen schottischen Erdgasversorgungs-, Stromversorgungs- und Telekomunternehmen zwar nicht unbedingt zu erwarten, aber es winken ansehnliche Dividendenrenditen.

Die Analysten bei Société Générale rechnen jedenfalls für das laufende Geschäftsjahr mit einer Anhebung der Ausschüttung von 0,894 Pfund auf 0,911 Pfund – Rendite 5,6 Prozent. Für die beiden Geschäftsjahre danach gehen die Prognosen sogar von Zahlungen von 0,931 bzw. 0,959 Pfund aus.

3I Infrastructure – Profiteur von staatlichen Infrastrukturmassnahmen

Eine Überlegung zum Anlegen sind sicherlich auch die Anteilsscheine der nur an der London Stock Exchange gehandelten 3I Infrastructure PLC (ISIN: JE00BYR8GK67) wert. Wie der Name andeutet, handelt es sich um einen Infrastruktur-Spezialisten, bei dem davon ausgegangen wird, dass er profitieren wird, falls Grossbritannien und andere EU-Staaten wie angenommen als Konjunkturstütze ihre Investitionen in die Infrastruktur erhöhen.

Auch diese Aussicht hat die Notiz bereits auf Rekordjagd geschickt. Auf der Basis der zuletzt gezahlten Dividende von 0,0725 Pfund beträgt die Rendite in diesem Fall knapp 3,9 Prozent.

AstraZeneca – Dividende soll um 25 Prozent zulegen

Noch einen Tick höher fällt die Dividendenrendite bei AstraZeneca PLC (ISIN: GB0009895292) für den Fall aus, dass die Analysten mit der Prognose einer Zahlung von 2,04 Pfund je Aktie für das Geschäftsjahr 2016 richtig liegen. Auf der Basis der aktuellen Kurse wäre das gleichbedeutend mit einer Rendite von rund 4,4 Prozent. Wie viel künftig gezahlt werden wird, hängt allerdings davon ab, wie auslaufende Patente verkraftet werden und was die derzeit mit einigem Einsatz unternommenen Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung bringen werden. Analysten scheinen aber zuversichtlich zu sein, denn für 2020 gehen sie im Konsens derzeit sogar von einer Dividendenzahlung von 2,53 Pfund je Aktie aus.