Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Mario Geniale*: Das grösste globale Thema ist eindeutig der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Donald Trump schiesst aus allen Rohren und beschäftigt mit seinen – teilweise unüberlegten – Dekreten und Äusserungen Politik und Wirtschaft. Mit Interesse verfolgen die Finanzmärkte vor allem die Themenbereiche Import-Strafzölle, «Lockerung der Dodd-Frank Act» und «Preisfestsetzung in der US-Pharmaindustrie».

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Ein Thema, das die Schweiz direkt betrifft.
Mögliche Anpassungen hätten Konsequenzen für die beiden gewichtigen Sektoren Banken und Pharma an der Schweizer Börse. Mit zunehmenden Unbehagen beschäftigen sich die europäischen Finanzmärkte auch mit den im Frühling stattfindenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Marine Le Pen, das Schreckgespenst der französischen Politszene, profitiert von den Korruptionsvorwürfen gegen den Favoriten Francois Fillon und der mehr oder weniger Profillosigkeit der übrigen Kandidaten. Die Rechtspopulistin hat bei einem möglichen Wahlsieg bereits mit der «Abrissbirne» für die Europäische Union gedroht.  

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Berichtssaison für das Geschäftsjahr 2016 ist grösstenteils Geschichte und wird der Schweizer Börse kaum noch wesentliche Impulse geben. Im Rampenlicht stehen weiterhin Trump und Le Pen. Beide beeinflussen unter anderem die Entwicklung der Wechselkurse, damit den Geschäftsgang der stark exportabhängigen Schweizer Unternehmen und letztendlich die kurzfristige Entwicklung der Börse. Ein möglicher Sieg von Le Pen wird nicht nur die Grundmauern der EU erschüttern, sondern auch die andauernde Euro-Schwäche verstärken.

Was bedeutet das für die Nationalbank?
Die SNB ist – unverändert und wohl noch für längere Zeit – gefordert. Als Daumenregel gilt: Stoppt sie die Franken-Stärke, wird sich der SMI im Bereich 8000-8400 bewegen. Akzentuiert sich die Euro-Schwäche, schliessen wir einen Taucher unter die 8000-Grenze nicht aus.

Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Der Schweizer Aktienmarkt ist – aus historischer Sicht – hoch bewertet. Aber eben: Historische Massstäbe sind heute nicht gefragt. Die ultra-expansive Geldpolitik der EZB mit der SNB am Gängelband wird noch über 2017 andauern. Damit bleiben die Zinssätze in Europa im Keller, was wiederum die Aktienmärkte stützen wird. Viel Luft nach oben sehen wir allerdings nicht. Das Gewinnwachstum wird im laufenden Jahr – nicht zuletzt wegen der zu erwartenden Franken-Stärke – bescheiden sein. Aufgrund der einführend beschriebenen Unsicherheiten, namentlich auf (geo)politischer Ebene, ist das Rückschlagpotential durchaus gegeben. Ein allenfalls schwer verdaulicher Mix aus protektionistischen Massnahmen der USA verbunden mit der Jahrzentbaustelle Euroland kann für die Finanzmärkte zur Bewährungsprobe werden. Der SMI wird bei diesem Szenario die 8000 Marke kaum halten können. 

US-Präsident Trump wirft Japan Währungsmanipulation vor. Droht auch die Schweizer ins Visier der Amerikaner zu geraten?
Bei Trump gilt der Grundsatz: Nichts ist unmöglich! Nüchtern betrachtet sehen wir allerdings keine grosse Gefahr, dass die Schweiz, beziehungsweise die SNB, ins Visier der USA geraten. Einerseits spielt die Schweizer Exportwirtschaft im globalen Kontext nicht in der Champions League. Andrerseits reagiert die SNB lediglich auf die unsägliche Geldschwemme der EZB und agiert nicht als aktiver «Währungsmanipulator».    

Für die SNB sind Negativzinsen im Moment unverzichtbar, sagt Präsident Thomas Jordan. Banken hätten die Massnahme besser als erwartet verkraftet. Sehen Sie das genauso?
Seit der Einführung der Negativzinsen haben die Banken Wege gefunden, um mit den veränderten Zinsbedingungen zurecht zu kommen. Fakt ist aber, dass das neue Umfeld zu einem erhöhten Konkurrenzkampf geführt hat. Im Geschäftsfeld der Immobilienfinanzierung spielen immer mehr Parteien mit, wie beispielsweise Versicherungen und Pensionskassen. Diese erwirtschaften mit der Vergabe von Immobilienfinanzierungen bessere Renditen als mit klassischen Zinsprodukten. Aber auch andere Unternehmen, welche Hypothekarnehmer und Investoren direkt zusammenbringen, drängen auf den Markt. Dies führt dazu, dass die Margen der Banken immer wie mehr unter Druck kommen, was die Situation für den Bankensektor zunehmend anspruchsvoll macht.

Welchem SMI-Titel trauen Sie 2017 am meisten zu?
Die laufende Restrukturierung und die Anstrengungen um Effizienzsteigerungen geben den Aktien der Zurich Insurance Group ein grosses Potential für positive Überraschungen, was in diesem Jahr die Outperformance beflügeln könnte. Zudem lockt eine attraktiv hohe Dividendenrendite, welche aktuell die höchste im SMI-Universum ist. Die Ausschüttung wird teilweise verrechnungssteuerfrei über eine Kapitalrückzahlung abgegolten. Schliesslich verleiht die starke Eigenkapitalbasis und stabile Cashflow-Erwirtschaftung der Zurich ein ansprechendes Risiko-Rendite-Profil.

Was würden Sie Anlegern derzeit aus dem Rohstoffsektor empfehlen?
2017 dürfte die eingeleitete Preiswende für Rohstoffe im 2016 fortsetzen, sofern die anvisierten Investitionen in Infrastruktur in den USA und auch die zu erwartenden Stimuli in den Schwellenländern, allen voran China, stattfinden. Jedenfalls bieten die noch relativ tiefen Preisniveaus Potential für markante technische Erholungen, zumal Rohstoffunternehmen und im Besonderen Ölmultis ihre Kapazitäten drastisch zurückgefahren haben. Punkto Erdöl wird entscheidend sein, ob die von der OPEC kommunizierten Produktionskürzungen tatsächlich eingehalten werden. Insgesamt rechnen wir mit einer fortgesetzten und erhöhten Volatilität. Für Erdöl erwarten wir einen wachsenden Trend auf Niveaus um 60 Dollar pro Barrel Ende 2017. Für anvisierte Investitionen bieten sich ETFs bzw. ETCs oder strukturierte Produkte an.

*Mario Geniale ist als Chief Investment Officer verantwortlich für die Anlagepolitik der Banque CIC (Suisse). Der diplomierte Vermögensverwalter und Finanzexperte verfügt über langjährige Erfahrung im Portfolio Management und Advisory.

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