Es herrscht global eine Geldschwemme. Einige Notenbanken haben auch in diesem Jahr ihre Geldpolitik weiter gelockert. Eile scheint zwar nicht zu bestehen, doch in den USA könnte es schon bald eine Zinserhöhung geben. Und auch, wenn sich in Europa eine Zinswende noch lange nicht abzeichnet, ist es interessant, zu wissen, wie sich steigende Leitzinsen beispielsweise auf dividendenstarke Aktien auswirken. Historische Erfahrungen zeigen, dass solche Titel dann oft Probleme haben.
Sehr aufschlussreiche Daten hat zu diesem Thema das US-Finanzinformations- und Analyseunternehmen Morningstar zusammen mit der Kenneth R. French Data Library ermittelt. Allgemein zeigt sich zuerst einmal, dass im sehr langen Zeitraum von 1927 bis 2013 Aktien mit den höchsten Dividendenrenditen über alle Zinsperioden hinweg die beste Performance hatten. Mit sinkender Dividendenrendite nimmt die erzielte Wertentwicklung laut Morningstar aber immer weiter ab und bei Aktien, die überhaupt nichts ausschütten, ist sie am niedrigsten. Top-Dividendenwerte sind dabei auf eine Rendite von durchschnittlich rund 11 Prozent pro Jahr gekommen, Aktien ohne Ausschüttung lieferten hingegen eine jährliche Rendite von etwa 8 Prozent.
Steigen Zinsen stark, schneiden Top-Dividendentitel am schwächsten ab
Anders sieht es in Phasen mit steigenden Zinsen aus. Filtert man für den genannten Zeitraum jene 20 Prozent an Monaten mit den stärksten Zinssteigerungen heraus, dann entpuppen sich die dividendenstärksten Aktien plötzlich als jene Gruppe mit der schwächsten Performance. Im Durchschnitt hat es bei den Top-Dividendentiteln in diesen Phasen sogar leichte Verluste von 1 bis 2 Prozent gegeben. Aktien ohne Dividende schnitten hingegen am besten ab und brachten in Phasen mit kräftigen Zinssteigerungen sogar Kursgewinne von im Durchschnitt mehr als 5 Prozent.
Erklären lässt sich das schwache Abschneiden mit der wachsenden Konkurrenz, die den dividendenstarken Titeln durch die steigenden Renditen im Anleihebereich erwächst. Denn das löst zulasten der Dividendenbringer Umschichtungen in den als weniger riskant eingeschätzten Anleihebereich aus. Diese Zusammenhänge kennen natürlich auch die professionellen Marktteilnehmer, und so wundert es nicht, dass im aktuellen Umfeld sogar schon Warnungen mit Blick auf Dividendenaktien ausgesprochen worden sind. «Das Problem nach einer zuletzt unermüdlichen Suche nach Rendite ist, dass sich die Anleger als Ersatz für Anleihen mit dividendenstarken Aktien vollgesogen haben. Als Folge davon ist vieles in diesem Segment extrem teuer geworden», sagte beispielsweise Investmentstratege Russ Koesterich vom weltweit grössten Vermögensverwalter BlackRock in einem seiner Marktkommentare erst vor kurzem.
Dividendenaktien sind jetzt vergleichsweise hoch bewertet
Anfang Februar wurde die Einschätzung von Koesterich bereits bestätigt. Als die US-Anleiherenditen im Zuge einer Gegenbewegung deutlich gestiegen waren, litten unter anderem die defensiven Sektoren, wie etwa die als stabile Dividendenzahler geltenden Versorger, am meisten. Dass beispielsweise die dividendenstarken Versorger inzwischen teuer sind, zeigt die Bewertung des Sektors. So stieg das KGV des Versorger-Kursindex aus dem S&P 500 seit 2009 von 10 auf rund 18.
Erste Warnhinweise beim jüngsten Kursverhalten von Dividendenaktien hat auch Aktienstratege Sam Stovall von S&P Capital IQ ausgemacht. Ihn würde es nicht überraschen, wenn das Segment im Umfeld einer US-Zinswende in etwas schwereres Fahrwasser geraten würde. Der Experte spricht zwar keine allgemeine Verkaufsempfehlung aus, rät Anlegern aber bei der Auswahl von dividendenstarken Titeln, etwas genauer hinzusehen. Zu den US-Aktien, die eine annehmbare Dividendenrendite bringen und die dennoch weiterhin von S&P Capital IQ zum Kauf empfohlen werden, zählen laut Stovall Baxter International, Praxair, Hasbro und Travelers Companies.
Favoriten für den Zinsanstieg: Technologie- und Finanzwerte
Zu einer gewissen Vorsicht bei Dividendenwerten mahnt auch James Swanson, Chefanlage-Stratege des US-Fondshauses MFS. Wegen der immer weiter fallenden Verzinsung von Staatsanleihen seien Aktien mit hohen Dividenden als Ersatzinvestment für Anleger attraktiv geworden. Die hohe Nachfrage habe aber die Kurse und Bewertungen nach oben getrieben. Falls Staatsanleihen nun wieder höhere Zinsen bieten würden, könne das zu Mittelabflüssen aus Dividenden-Aktien und zu fallenden Kursen führen. Besonders würde dies auf den Energie- und auf den Nahrungsmittelsektor zutreffen, die traditionell für konstante und hohe Dividendenzahlungen stünden, vermutet Swanson. Auch Koesterich hat eindeutige Branchenempfehlungen. Der BlackRock-Experte favorisiert eher zyklische und weniger zinssensitive Sektoren, zu denen er Technologie- und Finanzwerte zählt.
Allerdings hängt das Verhalten generell von der verfolgten Anlagestrategie ab. Börsianer mit mittel- bis langfristigem Zeithorizont werden Top-Dividendenwerte auch bei starkem Zinsanstieg behalten, denn sie bringen langfristig wie gezeigt die höchste Performance. Antizyklische Anleger hingegen können kurzfristig auf eine Underperformance dividendenstarker Titel setzen. Aber ob und wann und wie stark die Zinssteigerungen sein werden, lässt sich im Vorfeld kaum sagen. Wie es im Moment aussieht, ist damit nicht einmal in den USA zu rechnen.