Den Ku-Klux-Klan habe ich immer gut gefunden, bis ich herausfand, dass die kiffen» – diese später als «Scherz» entschuldigte Aussage soll den heutigen amerikanischen Justizminister Jeff Sessions Chancen auf das Bundesrichteramt gekostet haben. Altersmilde geworden, meint er: «Gute Menschen rauchen kein Marihuana.» Sessions gilt als Schrecken der boomenden Hanfindustrie in den USA, denn auf Bundesebene ist die Pflanze weiter verboten. Würde das Verbot rigoros durchgesetzt, wäre rasch Schluss mit dem neuen Wirtschaftszweig.
Noch ist Industrie- und Medizinhanf in 28 Bundesstaaten legal. Und selbst der Besitz und Konsum kleinerer Mengen von berauschendem Cannabis ist Erwachsenen ab 21 Jahren wohl bald in acht Staaten erlaubt. Sessions’ Haltung kontrastiert mit der politischen Realität und auch mit der Stimmung in der Bevölkerung: 80 Prozent der Amerikaner befürworten, Hanf für medizinische Zwecke zu verwenden. Gemäss dem kalifornischen Analysehaus Arcview ist die Mehrheit (60 Prozent) für eine vollständige Regulierung und damit für eine Entkriminalisierung von Cannabis.
High Time ist Big Time
Politiker, die gegen eine Liberalisierung von Hanf sind und sich nach einer Rückbesinnung auf eine Law-and-Order-Politik sehnen, haben auch bezüglich wirtschaftlicher Gründe kaum Argumente für ihre Position. So sind allein im «Highest State» Colorado im Jahr 2016 rund 20 000 Arbeitsplätze in der Hanf-Wertschöpfungskette entstanden. In den kommenden Jahren wird die Industrie bei gleichbleibenden Wachstumsraten in den USA deutlich mehr als eine Million Personen beschäftigen und der jährliche Umsatz könnte auf bis zu 60 Milliarden Franken steigen. Die Steuereinnahmen wären beträchtlich.
Das mag ein Grund sein, weshalb kaum jemand daran glaubt, dass die Administration Trump auf ein striktes Verbot pocht und die Aktien der Branchenvertreter nicht auf breiter Front eingebrochen sind. Korrekturen gab es da und dort, aber keine Flucht der Investoren und Spekulanten aus dem Sektor, wie es 2014 der Fall war, als aus der damaligen Cannabis-Blase viel Luft entwich.
Medizinische Anwendung im Fokus
Seither hat sich eine Menge getan in der Branche. Sie wird zunehmend auch für die Geldanlage interessant. Die Fantasie rührt allerdings nicht nur vom berauschenden Wirkstoff THC her, sondern auch von CBD respektive den medizinischen Anwendungen von CBD. Die Indusrie gibt sich clean und wissenschaftlich. Bei den wichtigen kotierten Gesellschaften handelt es sich nicht um von Althippies bevölkerte Coffee-Shops, sondern um börsennotierte Gesellschaften, die teilweise Marktkapitalisierungen von mehreren Milliarden Dollar aufweisen – wie etwa GW Pharmaceuticals (siehe Kursgrafiken, linke Spalte).
Diese Entwicklung wird in der Finanzindustrie aufmerksam beobachtet. Im Februar hat die ETF Managers Group eine Registrierung für einen börsenkotierten Indexfonds (ETF) auf den Emerging Agrosphere Index beantragt. Im Index befinden sich ausschliesslich Unternehmen, die auf die medizinischen Anwendungen von Hanf fokussiert sind. Mit dabei sind 69 Firmen, hauptsächlich aus den USA und Kanada. Käme es zu einer vollständigen Legalisierung, würde die Aufnahme von THC-Anbietern geprüft.
Hanfleckerli für Bello
Einen aktiven Investitionsansatz verfolgt der erste Hedgefonds auf die Hanfindustrie: Poseidon Asset Management. In seinem Portfolio befinden sich Gesellschaftsanteile, die möglichst ausgefeilte und nachhaltige Züchtungs- oder Extraktionsmethoden entwickeln oder auch Compliance- und Big-Data-Dienstleistungen anbieten. Poseidon investiert zudem in Unternehmen, die im Ökosystem Industriehanf tätig sind und Kunden aus den Bereichen Bauwerkstoffe, Nanotechnologie, Energie und Nahrung haben.
Das Cannabis-Universum wächst prächtig, mitunter treibt es seltsame Blüten: So bietet die Firma True Leaf mit True Hemp Hundeleckerli auf Hanfbasis an. Die Angebotsvielfalt nimmt aber auch für Homo sapiens laufend zu. Spekulierende Privatanleger schwärmen vom kanadischen Pennystock Lifestyle Delivery Systems (LDS). Das Unternehmen bietet CBD- und THC-Stripes in diversen Geschmacksrichtungen wie etwa Schokolade an. Insbesondere dem sich nun öffnenden kalifornischen THC-Markt wird riesiges Potenzial für LDS attestiert. Allerdings beträgt die Marktkapitalisierung lediglich rund 20 Millionen Franken und entsprechend volatil und illiquid ist der Titel.
Bereitschaft zum Risiko
Wegen der aktuellen politischen Unsicherheiten empfehlen Marktbeobachter den Umweg über die kanadische Börse zu nehmen, um in den Sektor zu investieren, und amerikanische Titel aussen vor zu lassen. Zug in kanadische Titel dürfte zudem durch die erwartete vollständige Cannabis-Legalisierung in diesem Frühjahr kommen. Wenn überhaupt weisen aber lediglich Branchengrössen wie Canopy Growth, Aurora Cannabis und Aphira Anlagequalität auf. Alle drei sind im medizinischen Bereich tätig.
Der Trend ist eindeutig: Hanf- und Cannabis-Produkte sind weltweit auf dem Vormarsch, doch Investments in die junge Branche sind mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Daher sollten Anleger, die nicht über eine grosse Risikofähigkeit verfügen, abwarten, bis ETF auf breite Indizes wie den Emerging Agrosphere Index erhältlich sind oder eine Investmentbank ein Tracker-Zertifikat auf einen ausgewählten Aktienkorb entlang der Hanf-Wertschöpfungskette lanciert.
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