Der von der Elektronikhandelskette Saturn verwendete Werbeslogan «Geiz ist geil» hat einen schon fast legendären Ruf. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass er die Shopping-Mentalität trifft. Das gilt selbst für ein im internationalen Vergleich relativ wohlhabendes Land wie die Schweiz. Wie sonst wäre der boomende Einkaufs-Tourismus zu erklären, bei dem viele Schweizer einigen Aufwand auf sich nehmen, nur um ein paar Franken in Deutschland beim Shoppen zu sparen?
In einer globalen Studie erinnert Julius Bär an allgemeine Entwicklungen, die das Spardenken einer grossen Konsumentengruppe nachhaltig beeinflussen. Wirtschaftliche und soziale Strukturen ändern sich, wobei in diesem Zusammenhang vor allem die Globalisierung und der technologische Fortschritt hervorgehoben werden.
Mittelklasse in entwickelten Ländern unter Druck
Während die Schwellenländer und ihre Mittelschichten profitiert haben, ist die Mittelschicht in den entwickelten Ländern gemäss Studie eher Leidtragende dieser Entwicklung. Entsprechende Tendenzen seien bereits seit den 1980er-Jahren zu beobachten, erklären die beiden Julius-Bär-Analysten Patrick Lang und Bence Boldvai. Durch die jüngsten Rezessionen hat sich das Ganze noch einmal verstärkt.
Dazu passt auch die Einschätzung der Federal Reserve Bank of St. Louis: «Möglicherweise stehen Familien, die weder reich noch arm sind, wirtschaftlich und finanziell unter einem grösseren Druck, als es gängige Messgrössen zu Einkommen und Vermögen vermuten lassen würden.» Ökonomen weisen in diesem Zusammenhang auf ein im Median seit dem Jahr 2000 stagnierendes Pro-Kopf-Einkommen in den USA hin. Durchschnittlich würden amerikanische Familien leicht weniger verdienen als vor 16 Jahren, während gleichzeitig die Preise für viele Produkte und Dienstleistungen deutlich gestiegen seien.
Umfeld fördert das «Geiz ist geil»-Denken
Hinzu kommt die Volatilität auf der Einkommensseite. Viele Amerikaner sind zumindest phasenweise mit Arbeitslosigkeit konfrontiert und verfügen temporär über weniger Einnahmen. Auch auf der Job-Ebene gibt es Druck, denn während die Arbeitsangebote am oberen und unteren Ende der Hierarchie-Skala zunehmen, nehmen sie auf der mittleren Ebene ab, was letztlich ebenfalls die Mittelklasse betrifft. Davon abgesehen trägt wohl das Internet zu einem grösseren Preisbewusstsein bei: Schliesslich ist es heute viel einfacher, Preise zu vergleichen.
So überrascht nicht, dass Unternehmen, die Produkte günstiger als die Konkurrenz anbieten, wie Pilze aus dem Boden schiessen. Spannend: Zumindest, was die Anbieter von Markenwaren angeht, müssen unter dem Billigkonzept nicht einmal die Gewinnspannen leiden. So weist beispielsweise der irische Billigflieger Ryanair eine deutlich höhere Marge auf als die deutsche Premium-Fluggesellschaft Lufthansa.
Bargain Hunting Index schlägt den MSCI Weltindex
Unternehmen, die es schaffen, die Preise der traditionellen Anbieter zu unterbieten, ohne dabei das Gefühl bei den Kunden aufkommen zu lassen, am Ende doch schlechter zu fahren, sind die Hauptprofiteure der skizzierten Entwicklungen.
Julius Bär nennt als Beispiele dafür Gesellschaften wie:
Ryanair (ISIN: IE00BYTBXV33)
Easyjet (ISIN: GB00B7KR2P84)
Dollar General (ISIN: US2566771059)
Dollar Tree (ISIN: US2567461080)
Target Corporation (ISIN: US87612E1064)
Wal-Mart (ISIN: US9311421039)
Fast Retailing (ISIN: JP3802300008)
Primark (gehört zu Associated British Foods, ISIN: GB0006731235)
ZTE Corporation-H (ISIN: CNE1000004Y2) oder
TJX Companies (ISIN: US8725401090).
Zusammengefasst in einem sogenannten Bargain Hunting Index kommen die Aktien dieser Gesellschaften mit einem Plus von «gross» gesprochen 150 Prozent seit dem Jahr 2011 auf eine deutlich bessere Wertentwicklung als der MSCI Weltindex mit einem Anstieg von rund 50 Prozent. Geht es nach den Julius-Bär-Analysten Lang und Boldvai wird dieser Trend wahrscheinlich zugunsten der Billig-Anbieter anhalten. «Denn, wer freut sich am Ende nicht über ein Schnäppchen», lautet ihre einfache Begründung für diese Prognose.
Aktien der Billig-Anbieter: Oft selbst keine Schnäppchen
Wer nach dem «Geiz-ist-geil»-Motto investieren will, der hat dazu verschiedene Optionen. Zum einen kann einfach gleichgewichtet der Aktienkorb mit den genannten Unternehmen nachgebildet werden. Zum anderen sind auch gezielte Einzelinvestments denkbar.
Trendfolger setzen dabei auf Werte, die momentan über ein positives Kurs-Momentum verfügen. Gut in Schuss sind in diesem Jahr die Anteilsscheine der beiden US-Einzelhandels-Discount-Ketten Dollar General und Dollar Tree sowie ebenfalls aus den USA jene des Einzelhandelskonzerns Wal-Mart Stores sowie des auf Designerware zu Discountpreisen spezialisierten US-Filialisten TJX.
Wer sich auch beim Aktienkauf als Schnäppchenjäger betätigen will, der bevorzugt Titel mit einer moderaten Bewertung. Hier kommen mit auch optisch wirklich vertretbaren KGVs für das Jahr 2016 allerdings nur Ryanair, Easyjet (irischer Billigflieger) und der chinesische Telekommunikationsausrüster ZTE daher. Das heisst, die Auswahl ist begrenzt, denn auch die Aktien der Billig-Anbieter haben zumeist ihren Preis.